Formel 1: So heißen die neuen Autos

Keine Sommerpause für Porsche-LMP1-Piloten

Von Tom Vorderfelt
Rallye, Goodwood, Ennstal Classic, Bergrennen und Wimbledon: Die Porsche-LMP1-Fahrer sind in der dreimonatigen Sommerpause der Sportwagen-WM rastlos.

Den Porsche LMP1-Werksfahrern wird trotz der langen Sommerpause in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC nicht langweilig. Zwischen den Rennen in Le Mans (15. Juni) und dem nächsten Lauf im texanischen Austin (20. September) liegen mehr als drei Monate. Neben Testfahrten mit dem Porsche 919 Hybrid in Le Castellet und dem Lausitzring absolvierten sie zahlreiche Auftritte für das Unternehmen und frönten ihren rasanten Hobbies.

Timo Bernhards Leidenschaft ist Porsche fahren – ob im Werkseinsatz auf der Rundstrecke oder eben privat im Rallyesport und neuerdings auch am Berg. Zwei Wochen nach den 24 Stunden von Le Mans genoss er mit seinem Porsche GT3 Cup den Einsatz als Vorauswagen bei der Rallye Warndt im Saarland. Mit seinem Teamkollegen Mark Webber besuchte er anschließend den Grossen Preis von Großbritannien in Silverstone, wo er natürlich auch beim Porsche Mobil 1 Supercup vorbeischaute. Der erfolgreichste Ferien- und Familienausflug fiel auf den 13. Juli – am ersten Geburtstag von Sohn Paul gelang Timo Bernhard der Gesamtsieg beim 41. Homburger ADAC Bergrennen auf einem Porsche 911 Cup (Typ 991). Das Auto fährt normalerweise Earl Bamber (NZ) im Porsche Carrera Cup Deutschland für das von Vater Rüdiger Bernhard geführte Team 75. Vom 21. bis 23. Juli testete Timo zusammen mit den LMP1-Kollegen Brendon Hartley und Marc Lieb im französischen Paul Ricard. Es folgte noch ein Abstecher zum Einsatz des eigenen Team 75 Bernhard auf dem Red Bull Ring in Österreich, dann ging es mit Ehefrau Katharina und dem kleinen Paul in die Ferien. Wo macht einer der weltbesten Rennfahrer Urlaub? Bodenständig im Salzburger Land.

Romain Dumas widmete sich seinem Rallye-Team, sobald die Aufregung von Le Mans nachgelassen hatte. Er plante Grosses: Zwei Wochen nach dem 24-Stunden-Rennen trat er mit seinem eigenen Team zum berühmten Bergrennen auf den Pikes Peak im US-Bundesstaat Colorado an. 9:05.801 Minuten benötigte er für das «Rennen zu den Wolken» und wurde Gesamtsieger. Auf dem Weg vom Start auf 2865 Meter bis zum Gipfel auf 4301 Meter hatte er auf 20 Kilometern alle 156 Kurven gemeistert. Während Dumas einen 600 Kilogramm leichten Prototypen (Norma M20 RD Limited) fuhr, holte Vincent Beltoise für Dumas’ Team einen Klassensieg auf Porsche. Der junge Franzose aus dem Porsche Carrera Cup gewann auf einem 911 GT3 RS. Drei Wochen später, am 20. Juli, sass auch Romain Dumas wieder im Porsche-Cockpit. Mit seinem 911 der Gruppe 4 von 1977 und Beifahrer Denis Giraudet holte er den Gesamtsieg bei der Rallye de la Drôme in Frankreich. Auch die zwei Wochen Ferien der Familie Dumas hatten Tempo: An der Côte d’Azur lag der Schwerpunkt auf Wassersport. Mit dabei sein Sohn Gabin, der im vergangenen Jahr ausgerechnet am 9.11. geboren wurde.

Brendon Hartley, mit 24 Jahren der jüngste der LMP1-Werksfahrer, genoss im Sommer praxisorientierte Lektionen in Sachen Porsche-Rennhistorie. Beim Goodwood Festival of Speed auf dem Gelände von Lord March im englischen West Sussex fuhr er den RS Spyder und die beiden Le-Mans-Siegerautos Porsche 962 und den GT1 von 1998. «Es war eine Ehre, diese Autos bewegen zu dürfen», sagt er, «und den GT1 durfte ich bei den Silverstone Classics auch noch auf der Rennstrecke fahren.» Zurück in die Zukunftsplanung brachten ihn drei Testtage mit dem 919 Hybrid Ende Juli in Paul Ricard und weitere fünf Arbeitstage in Weissach, wo bereits der 2015er LMP1-Rennwagen entwickelt wird. «Dort hatte ich außerdem das große Glück, einen 918 Spyder auf dem Prüfgelände fahren zu dürfen», sagt er mit leuchtenden Augen. «Ich wusste, dass das Auto toll ist, aber es ist noch besser!» Auf der Porsche-Teststrecke in Leipzig beeindruckte er seinerseits Kunden mit seinen Fähigkeiten als Instruktor und Taxifahrer im Cup-Porsche. Viele Stunden Fitnesstraining haben ihn weiter gestählt. Und der Höhepunkt seiner sommerlichen Reisen führte ihn in die Tiefe: In einer Woche Karibik-Urlaub legte Brendon Hartley die Tauchprüfung ab.

Neel Jani verbrachte die meiste Zeit dort, wo er das Leben «immer noch am Schönsten» findet: in der Schweiz. «Ich habe ein Schalt-Go-Kart mit sechs Gängen und eine Outdoor-Bahn ganz in der Nähe – das ist ein gutes Training und macht Spaß.» Moto2-Fahrer Dominique Aegerter ist gelegentlich mit von der Partie. Dienstlich war Jani zusammen mit Marc Lieb als Instruktor bei einer Fahrveranstaltung mit dem 918 Spyder in Monza, privat besuchte er seine früheren Teamkollegen anlässlich des deutschen Formel-1-Grand-Prix in Hockenheim. Ruhiger ging es auf Mallorca zu, wo er einige Ferientage mit seiner Frau Lauren genoss. «Ich war zum ersten Mal dort, die Insel ist ideal für Rad- und für Bootstouren.“ Heimlicher Reiseanlass war allerdings die Besichtigung der inseleigenen Rennstrecke. Danach fuhr er zum intensiven Training nach Seefeld in Österreich. «Bergsteigen», findet Jani, «ist das zweitschönste Ausdauertraining nach Skilanglauf.» Es folgten Termine in Weissach und vor dem Test auf dem Eurospeedway in der Lausitz noch ein Besuch bei der «Show Time Interlaken». „Ein toller Porsche-Event», fand Jani, «über 1500 Autos und eines schöner als das andere.»

Marc Lieb stieg bei seinem ersten Porsche-Einsatz nach dem Rennen in Le Mans in einen guten Bekannten: Beim Goodwood Festival of Speed steuerte er jenen 918 Spyder, mit dem er im September 2013 die Rekordrunde auf der Nürburgring-Nordschleife in unter sieben Minuten gefahren war. Ebenfalls als 918-Spyder-Experte war er gemeinsam mit Neel Jani bei der Fahrveranstaltung in Monza engagiert. Wenige Tage später trat Lieb bei der Ennstal Classic auf. Dort saß er am Steuer des bis dato letzten Le-Mans-Siegerautos von Porsche, dem GT1 von 1998. «Unter all den historischen Fahrzeugen war der relativ junge GT1 ein Exot und eine Attraktion», sagt Lieb. Mit den Testfahrten im 919 Hybrid vom 21. bis 23. Juli in Paul Ricard richtete sich der Blick wieder in die Zukunft: Zusammen mit seinen Kollegen Timo Bernhard und Brendon Hartley evaluierte Marc Lieb erste Weiterentwicklungen für die verbleibenden fünf Läufe der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC. Danach brach auch für die Famile Lieb die Ferienzeit an: Auftanken in den Alpen in Saalbach Hinterglemm, wandern und Fahrrad fahren zusammen mit seiner Frau Alexandra und den Söhnen Benedict und Jonathan.

Mark Webber schlüpfte nach Le Mans erst einmal in die Chauffeurrolle und brachte Tennis-Star und Markenbotschafterin Maria Sharapova im Porsche 918 Spyder sicher zur Wimbledon-Party. Anschließend feierte er beim Großen Preis von Österreich das gelungene Formel-1-Comeback des Red Bull Rings mit. Von der Steiermark aus ging es heim nach England – für Porsche nach Goodwood zum Festival of Speed und nach Silverstone zum GP2-Rennen, bei dem sein Protegé, der Neuseeländer Mitch Evans, ganz oben auf dem Podest stand. Ende Juli reiste er für drei Wochen in die USA. «Ich war zum ersten Mal in Colorado», sagt Webber, „und ich habe mich sofort in Land und Leute verliebt. Die Landschaften rauben einem den Atem. Alles ist weit und frei, die Menschen sind locker. Man kann dort viele Dinge tun, die in dichter besiedelten Gegenden einfach nicht möglich sind.» Zum Beispiel eines der härtesten Mountainbike-Rennen in der Nähe von Aspen fahren. Start auf 3000 Meter, Ziel auf 4300 Meter. Die 100 Meilen von Leadville zu bezwingen, stand schon lange auf Webbers Wunschzettel. Er genießt die größeren Zeitfenster, die ihm jetzt zur Verfügung stehen. «Aber im August konnte ich es kaum noch abwarten, wieder zu testen. Die WM ist noch lang, und wir wollen noch einiges erreichen.»

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