Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Piero Ferrari: Superhirn aus England – nein, danke

Von Mathias Brunner
Piero Ferrari

Piero Ferrari

​Piero Ferrari, Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, lehnt ab, was Spitzenmanager Flavio Briatore seit Jahren predigt: Dass Ferrari Superhirne aus Grossbritannien zum Erfolg benötige.

Flavio Briatore ist nicht irgendwer. Er hat als Manager bei Benetton und Renault Michael Schumacher und Fernando Alonso zu Weltmeistern gemacht. Seine Worte haben noch immer Gewicht. Und so betont er in Sachen Ferrari seit längerem: «Es ist schwierig, in der Formel 1 zu gewinnen. Ferrari braucht keine neuen Chefs, das hatten sie schon zur Genüge. Sie müssen internationaler werden. Sie müssen endlich ein Technikzentrum in England aufmachen. Wenn du Champagner herstellen willst, ist es gescheiter, in Frankreich zu sein. Wenn du Schinken machen willst, brauchst du einen Sitz in Parma. Aber wenn die Formel 1 machst, dann musst du eben in England sein.»

«Sergio Marchionne ist enthusiastisch, das hat er bewiesen. Aber er glaubt, dass jeder besser arbeitet, nur weil der Präsident gesprochen hat. Marchionne ist kein Formel-1-Experte. Es ist schwierig, die Leute nach Italien zu holen. Maranello ist kein Wohnort, von dem die Engländer träumen. In der Formel 1 passieren keine Wunder. Es braucht Kreativität, Einfallsreichtum, begabte Menschen. In England liegen im Umkreis von 60 Kilometern neun Rennställe – Maranello ist davon weit entfernt und dafür bezahlen sie einen Preis.»

Mehrfach hat Ferrari versucht, mit einer Aussenstelle in England zu arbeiten. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne machte im Frühling klar: So einen Versuch wird es so schnell nicht wieder geben.

Mit Sirenengesängen hatte Ferrari versucht, den genialen Red-Bull-Designer Adrian Newey anzulocken. Aber Newey konnte von Red Bull überzeugt werden, im Grossraum Milton Keynes zu bleiben. Ob dem erfolgreichsten Formel-1-Techniker von Ferrari offeriert worden war, in England bleiben zu dürfen, wissen wir nicht. Denkbar wäre es, denn es gibt Präzedenzfälle. Eine Ferrari-Aussenstelle in Grossbritannien böte auch den Vorteil, auf viele weitere Techniker rückgreifen zu können, die gerne für Ferrari arbeiten möchten, die jedoch (aus familiären oder anderen Gründen) nicht nach Italien ziehen wollen. Genau so, wie es Flavio Briatore sagt.

Die Versuche in der Vergangenheit waren nicht immer von Erfolg gekrönt: McLaren-Designer John Barnard erhielt zwei Millionen Dollar Jahresgage (damals wurde kein Techniker besser bezahlt) und führte ab 1987 ein Design-Büro in England, das «Ferrari Guildford Technical Office», kurz Ferrari GTO. Dort heckte er unter anderem das erste halbautomatische Getriebe für Ferrari aus, wenn der Fahrer mit einer Wippe hinterm Lenkrad schaltet und nicht mehr mit dem klassischen Schaltknauf.

1972 war Ferrari so tief in eine Krise gerutscht, dass sogar in England ein Chassis in Auftrag gegeben wurde – der Ferrari 312B3. Das fanden viele Italiener nicht akzeptabel. Und damit sind wir beim heutigen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne.

Der Italo-Kanadier hielt zu Beginn des Jahres im Rahmen der «Detroit Motorshow» fest, und dies nicht nur in Bezug auf die Formel 1: «Ferrari, das ist Italien, und diese Exklusivität wird nicht angetastet. Ein Ferrari muss in Italien gebaut sein, alles andere wäre Gotteslästerung.»

Nun sagt Piero Ferrari (71), Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, gegenüber meinem italienischen Kollegen Leo Turrini im hervorragenden Blog «Profondo Rosso»: «Es ist nie leicht, eine Rennabteilung mit rund 1000 Fachkräften zu führen. Es gab organisatorische Probleme, aber jetzt sind wir auf dem richtigen Weg.»

«Mein grösster Fehler hiess John Barnard. Ich war es, der meinen Vater 1986 überredet hat, den Engländer zu engagieren. Ich glaubte, wir brauchen ein Superhirn aus dem Ausland. Aber Barnard hat sich nie in unsere Kultur einpassen können, es war ein unfassbarer Fehler, den ich bis heute bedaure. Also bin ich ganz bei Marchionne, wenn er sagt, dass wir selber auf die Siegerstrasse zurückkehren können. Eben ohne Einschuss von Genen, die mit unseren nicht vereinbar sind.»

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