Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Stefan Johansson: Was Vettel und Ferrari auszeichnet

Von Mathias Brunner
​Der frühere Ferrari- und McLaren-Fahrer Stefan Johansson (60) spricht über die Erfolge von Sebastian Vettel mit Ferrari: «Sebastian tut das, was ich gepredigt hatte – und was andere sträflich vernachlässigen.»

In Italien hängt der Himmel voller Geigen. Stefan Johansson kennt als ehemaliger Werksfahrer von Ferrari die Begeisterungsfähigkeit der Tifosi. Und als früherer Ferrari-Pilot liegt ihm das Geschick des berühmtesten Rennstalls der Welt bis heute sehr am Herzen. Einmal Ferrari-Fahrer, immer Ferrari-Fahrer.

Klar freut sich der Schwede über die tollen Erfolge von Sebastian Vettel: Sieg in Australien, Rang 2 in China, erneut Sieg in Bahrain, das ergibt vor Russland die WM-Führung.

Johansson, der 1985 und 1986 Ferrari fuhr und WM-Fünfter werden konnte, meint in seinem Rennblog: «Im Testwinter hatte sich angedeutet, dass Ferrari erhebliche Fortschritte gelungen sind, und das hat sich nun bestätigt. Mercedes hingegen hat in Australien beispielsweise die Strategie nicht auf die Reihe bekommen und musste dafür bezahlen.»

«Mehr noch – Ferrari hat inzwischen bewiesen, dass der Erfolg keine Eintagsfliege ist. Besonders am Wagen von Vettel fällt mir auf: Das Reifen-Management ist vorzüglich.»

«Und das bringt mich zurück zu einem Punkt, den ich im vergangenen Jahr unterstreichen wollte. Damals hatte ich geschrieben: Ich wette darauf, dass es von Vorteil sein wird, wie sich Sebastian Vettel in die Testarbeit mit Pirelli reinhängt. Er war der einzige Top-Fahrer, der sich in dieser Weise engagiert hat. Ich war überzeugt davon, das wird sich für Vettel und damit für Ferrari auszahlen, und genau danach sieht es nun aus.»

«Es fällt mir schwer zu verstehen, wieso sich die anderen Piloten diese Gelegenheit entgehen liessen. Wenn es eine simple Abkürzung zur besseren Rundenzeit gibt, dann über die Reifen. Je mehr Verständnis du im Umgang mit den Pirelli-Walzen gewinnen kannst, desto besser. Es wird noch vorteilhafter, wenn du wie Vettel sogar Einfluss auf die Entwicklung hast.»

«Ich kann es nicht genug betonen: Das war einer der Gründe für die Dominanz von Michael Schumacher mit Ferrari. Michael fuhr Tag und Nacht mit den Bridgestone-Reifen herum, und am Ende kam ein japanisches Produkt heraus, das auf ihn massgeschneidert war. Viele andere Piloten hatten ihre liebe Mühe, die Walzen zum Arbeiten zu bringen, aber zu Schumi haben sie perfekt gepasst.»

«Klar hat jede Reifenfirma die eigene Philosophie, wie sie Rennreifen bauen. Aber wenn du als Pilot einen Einfluss nehmen kannst, dann kann das einen enormen Unterschied erzeugen. Mehr Erfahrung mit diesen Walzen, das bedeutet, dass du mit mehr Vertrauen in die Kurven stechen, ein ganz klein wenig härter fahren kannst als deine Rivalen. Die Unterschiede mögen gering sein, aber in der modernen Formel 1 machen Nuancen aus, ob ein Team gewinnt oder verliert. Ich finde das alles prima für Vettel und eine Schande für alle anderen, die da weniger zum Schuften gewillt waren.»

Johansson: Lob für Bottas, Zweifel an Räikkönen

«China hat bestätigt: Der Abstand zwischen Ferrari und Mercedes ist klein. Ich finde, da bahnt sich ein prima Zweikampf um den Titel an. Ich würde mir nur wünschen, dass sich Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas mehr einmischen.»

«Was Bottas betrifft, so hat er in Australien einen guten Job gemacht, in China leistete er sich einen Fehler. Das kann vorkommen. Ich erwarte, er wird von Mal zu Mal besser. Ich glaube nicht, dass er Lewis Hamilton den Meister zeigt, aber er wird ihm nahekommen.»

«Es ist etwas schwerer vorherzusagen, was mit Kimi passiert. In den letzten Jahren scheint er Mühe zu haben, alle Puzzleteilchen an den richtigen Ort zu legen. Er ist ohne jeden Zweifel schnell, aber wenn’s drauf ankommen, gibt es immer ein oder zwei Kleinigkeiten, die ihm in die Quere kommen. Einige Vorkommnisse sind reines Pech. Aber das passiert ihm öfter als Vettel.»

Zu Red Bull Racing sagt der 79fache GP-Teilnehmer Johansson: «Ich bin sicher, sie selber sind am meisten enttäuscht darüber, wie die WM bislang verlaufen ist. Alle haben vor dem Hintergrund des neuen Reglements mehr erwartet. Der Startschuss ist irgendwie verpasst worden. Sie haben weder den Speed noch den Abtrieb der Autos von Ferrari und Mercedes, jedenfalls nicht regelmässig. Und Renault ist nicht so weit von den anderen Motoren entfernt. Das Auto ist einfach noch nicht so weit. Aber die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Formel 1 ist schlicht verrückt, von daher würde es mich nicht im Geringsten erstaunen, wenn Red Bull mit den ganzen Verbesserungen zum Spanien-GP hin auf einmal vorne mitmischt.»

Dass hinter den besten drei Rennställen eine stattliche Lücke klafft, wundert Johansson überhaupt nicht: «Das war zu erwarten. Wer am meisten Ressourcen hat, der entwickelt auch am effizientesten. Klar wäre es möglich gewesen, dass einem Mittelfeldteam ein Glücksgriff gelingt. Aber ich dachte mir eigentlich schon, dass diese drei Teams vorne liegen würden. Und daran wird sich auch nichts ändern.»

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