Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Marc Surer: «Vettel hat gepatzt, Alonso kann siegen»

Von Mathias Brunner
​Marc Surer (65), GP-Experte der deutschen Sky, vor dem Renntag des Jahres: Grossen Preis von Monaco und Indy 500. Der Basler sagt, was in den beiden grossen Autorennen auf uns zukommt.
Marc, welche Bilanz ziehst du aus dem Abschlusstraining zum Monaco-GP?

Ich fand das Ergebnis ein wenig erstaunlich. Sebastian Vettel, der im freien Samstagtraining so überlegen war, brachte es im Qualifying nicht mehr auf die Reihe. Mit Ach und Krach erreichte er nochmals seine Zeit, aber da war keine Steigerung mehr zu erkennen. Kimi fand Zeit, Bottas fand Zeit, an der Piste lag es also nicht. Sebastian hat gepatzt.

War nun Räikkönen auf dem Weg zu seiner Pole so schnell oder Vettel so langsam?

Der übliche Abstand war zuvor eine gute halbe Sekunde Vorsprung von Vettel, diese halbe Sekunde war auf einmal weg. Kimi fuhr so schnell, wie die Piste es zuliess, Vettel brachte keine fehlerfreie Runde zusammen. Das erleben wir in Monte Carlo oft: Ein Fahrer hat den Speed für die Pole, aber aus verschiedenen Gründen kann er die ganzen Puzzle-Teilchen nicht korrekt zusammensetzen. Hier gibt es unzählige Möglichkeiten, dass eine fehlerfreie Runde verhagelt wird.

Wie erklärst du dir die grossen Probleme von Lewis Hamilton?

Ich stelle einfach fest: Das haben wir nun zum zweiten Mal erlebt, nach Sotschi. Und ich sehe – wenn es nicht nach Wunsch läuft, dann beginnt er, das Auto zu überfahren, er will also aus dem Wagen und den Reifen mehr herausholen, als in dieser Situation möglich ist. Er bleibt nicht cool. Was Bottas kann, muss Hamilton auch können. Und du erkennst – in seinem Renner war viel mehr Bewegung drin als in jenem von Valtteri. Dass er das hier nicht auf die Reihe bekommen hat, fand auch ich erstaunlich.

Es gibt noch einen Aspekt, den nur Mercedes kennt: Vielleicht gibt es eine technische Erklärung für die Probleme, ein Stossdämpfer, der nicht richtig arbeitet, oder eine Stelle, die nachgibt. Es ist oft vorgekommen, dass bei aller Akribie des Teams so etwas dann erst später im Werk bemerkt wurde, als der Wagen wieder zerlegt war. Da gehen es um Nuancen im Millimeterbereich, und schon fühlt sich der Rennwagen an der Hinterachse seltsam an, wie Lewis nun berichtet hat, dann fehlt das Vertrauen, und ohne Vertrauen fährst du in Monaco nicht schnell.

Was kann Hamilton im Rennen ausrichten?

Das Überholen ist ganz schwierig. Er muss also etwas anders machen als die Konkurrenz. Etwa bis eine Runde vor Schluss mit den gleichen Reifen fahren, darauf hoffen, dass er zwischendurch freie Fahrt hat, und dann noch rasch die andere Mischung verwenden. Wir haben ja noch immer die Regel, dass im Grand Prix beide Mischungen mindestens einmal verwendet werden müssen. Er kann natürlich auch genau das Umgekehrte machen: nach einer Runde hereinkommen. Aber ich glaube, die Pirelli halten so gut, dass der eine oder andere Rivale diesen Plan auch hegt. Die gazen Fahrer da hinten haben ja nichts zu verlieren. Eine Safety-Car-Phase hilft ihm nur, wenn er gleich zu Beginn Reifen wechselt.

Gibt der Start vor, was im Rennen passiert?

An der Spitze schon. Für Bottas sehe ich die Chance, an einem Ferrari vorbei zu kommen, aber wegen der kurzen Anfahrt zur ersten Kurve wird er nicht beide packen, selbst mit einem Superstart.

Ich habe gestern eine Story gemacht und angekündigt: Wenn es hart auf hart geht, werden sich Räikkönen und Vettel nicht ins Auto fahren. Ganz im Gegensatz zu den früheren Mercedes-Piloten Rosberg und Hamilton. Würdest du das unterzeichnen?

Ja. Bevor es knallt, wird Räikkönen nachgeben. Und Vettel wird auch nicht aufs Ganze gehen, weil es für ihn um 18 oder 25 Punkte für die WM geht. Lieber notfalls vom Gas gehen, lieber 18 Punkte als gar nichts. Vettel ist zu intelligent, um da etwas mit der Brechstange zu versuchen. Sebastian hat überdies alle Chancen – wir haben es hier ein paar Mal erlebt, dass ein Pilot von Startplatz 2 gleich in Führung geschossen ist.

Geschossen ist ein schönes Stichwort, lass uns zum Schluss noch von den pfeilschnellen IndyCars reden. Was kann Fernando Alonso beim Indy 500 ausrichten?

Zum Gewinnen braucht er eine gute Portion Glück. Ich sehe die ganzen Indy-Routiniers im Vorteil, Erfahrung spielt beim Indy 500 ein zentrale Rolle. Aber Alonso fährt für ein Team, das für kluge Strategie bekannt ist. Wenn er gegen Schluss des Rennens in der Nähe der Spitze liegt, dann hat er durchaus eine Chance, das 500 zu gewinnen.

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