Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Fällt die Formel E unter den Begriff Motorsport?

Von Günther Wiesinger
Die Elektro-Mobilität spielt zwar heute noch keine überragende Rolle. Trotzdem drängen die Autohersteller in die Formel E. Wir liefern eine kritische Betrachtung der Situation.

Die Elektrifizierung der Mobilität schreitet unaufhaltsam voran. Auch das autonome Fahren wird eines Tages unser Leben bestimmen. In Bayern gibt es bereits Fahrversuche mit einem fahrerlosen Linienbus EZ10, der zwölf Passagieren Platz bietet.

Aber die Teststrecke in Bad Birnbach ist vorläufig nur 700 Meter lang, die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 15 km/h beschränkt. «Gespenstisch», urteilte ein Fahrgast.

Die automobile FIA Formel E-Meisterschaft ist längst auf diesen Zug aufgesprungen. In den nächsten zwei Jahren werden in dieser Serie auch Werke wie Mercedes, BMW, Porsche und Nissan mitmischen. Audi, Renault und Jaguar sind schon dabei.

In der ersten Saison (2014/2015) wurde mit Einheits-Autos mit ca. 270 PS gefahren, der Top-Speed wurde auf 225 km/h begrenzt; die Batterien wiegen auch heute noch 200 kg.

Bis heute wird mit Einheits-Batterien gefahren, sie sollen 2018/2019 im Rennbetrieb 200 kW (272 PS) liefern.

Aber momentan gewinnt sogar noch Mahindra Racing, hinter dem ein indischer Mischkonzern mit 190.000 Mitarbeitern steht.

Die Formel E erlebt ihre vierte Saison. Die Rennen dauern bis zu 60 Minuten, aber es muss ein Pflichtstopp absolviert werden, da steigen die Fahrer dann in das Ersatzauto mit aufgeladener Batterie um.

Auf dem Zweiradsektor wird für 2019 ein «moto-e World Cup» geplant, sechs Rennen sollen im Rahmen der europäischen MotoGP-Events stattfinden, WM-Promoter Dorna suchte einen Alleinausrüster, die Bikes werden identisch sein und ca. 130 PS leisten.

Die Batterien sollen mit erneuerbarer Energie im Fahrerlager aufgeladen werden.

Es wurden einige Prototypen von Firmen wie Energica Ego aus Italien, Lightening aus Amerika, Sarolea aus Frankreich sowie Meteor aus England getestet. Energica bekam den Zuschlag.

Aufmerksamen Beobachten fiel auf, dass kein anderer Hersteller in der Lage ist, die Ansprüche von Dorna und FIM zu erfüllen. Das US-Produkt hielt bei einer Demofahrt in Texas nur zwei Runden durch. Das Sarolea-Gefährt wurde im September in Aragón so heiß, dass jede Menge Strom aus der Steckdose gebraucht wurde, um die Batterie nach einer kurzen Probefahrt zu kühlen. Dass die Maschine 260 kg wog, soll auch nicht unerwähnt bleiben.

Kein Wunder: Auch die Batterie des E-Golf bringt 200 kg auf die Waage.

Im Motorradsport gab es schon mal eine Serie mit elektrisch betriebenen Gefährten; doch der «FIM eRoad Racing World Cup» wurde ein Reinfall.

Als der motorradbegeisterte Ducati-CEO Claudio Domenicali im September beim Misano-GP den neuen Superbike-Motor der Panigale V4 mit 1103 ccm und 210 PS präsentierte, bekam er glänzende Augen. «Als wir den V4-Motor erstmals aufheulen hörten, war das für uns ein so emotionales Erlebnis wie die Geburt eines Babys.» Danach ergänzte er: «Wir werden bei Ducati eines Tages auch Elektro-Motoren bauen. Aber bis es so weit sein wird, lasst uns Freude am Lebens haben und ein fantastisches Abenteuer wie dieses genießen.»

Formel E: Keiner bezahlt Eintritt

Und wie soll man die Vierrad-Formel E beurteilen?

Gerhard Berger sprach vielen PS-Enthusiasten aus dem Herzen, als er sagte: «Das ist für mich kein Motorsport.»

Die meisten heutigen Motorsport-Enhusiasten werden ihm zustimmen.

Aber die Formel E wird kaum aufzuhalten sein. Sie wird zwar nicht auf traditionellen Rennstrecken durchgeführt, weil dort kein Mensch zum Zuschauen kommt und niemand für die Darbietung der geräuschlosen Flüster-Boliden Eintritt bezahlen würde. Deshalb wurden die Rennen in die Innenstädte verlegt, bei freiem Eintritt. Die Zuschauer werden quasi zwangsbeglückt.

Die Hersteller müssen den Berichterstattern die Spesen für die Rennen in Hongkong und sonstwo bezahlen. Freiwillig berichtet niemand darüber, auch wenn einige abgetakelte Formel-1- und Tourenwagen-Rennfahrer dort heute Beschäftigung gefunden haben.

Ich weiß nicht, wie sich die Situation in 10 oder 20 Jahren präsentieren wird. Aber bisher ist die Elektrifizierung der Mobilität noch keine Erfolgsgeschichte.

Ich würde mich als durchschnittlich umweltbewusst bezeichnen.

Aber wenn ich eine wissenschaftliche Studie lese, die offenlegt, dass die Erzeugung einer Tesla-Batterie so viel fossile Energie verbraucht wie die Fortbewegung eines Fiat Punto auf 200.000 km mit Erdgas, wundert mich nicht, wenn die E-Mobile hierzulande keinen reißenden Absatz finden.

Und wo entsorge ich eines Tages die riesige Tesla-Batterie?

Wenn ich mir vor Augen halte, dass der 2300 kg schwere Porsche Panamera Hybrid nur 43 km elektrisch zurücklegen kann, der Aufpreis für die Energierückgewinnung aber exorbitant ist, darf man sich über die geringen Stückzahlen nicht wundern.

Bei Toyota und anderen Massenherstellern sind die Hybrid-Versionen immer noch so viel teurer als die Basismodelle, dass sich selbst umweltbewusste Interessenten diese Investition dreimal überlegen.

Am 1. Januar 2017 waren in Deutschland 34.022 E-Autos in Betrieb, dazu gehören auch Hybride und Plug-in-Hybride; nur bei 10.076 handelte es sich um reine E-Fahrzeuge. Das entspricht einem kümmerlichen Marktanteil von 0,7 Prozent. Die Ursacher: Die Stromverrechnung ist kompliziert, die Kosten in jeder Stadt unterschiedlich, die Stromtankstellen sind oft nicht 24 Stunden verfügbar, es existieren vier verschiedene Systeme zum Laden der Batterien, die meist nicht kompatibel sind.

Zum Vergleich: In Deutschland werden im Jahr rund 2 Mio Autos mit Benzin- oder Dieselmotor neu zugelassen.

China ist einen Schritt weiter: Dort werden im Jahr 370.000 Plug-in-Hybride und E-Autos neu in Verkehr gesetzt.

Die Grünen wollten den Verkauf von mit fossiler Energie betriebener Autos in Deutschland 2030 verbannen. In der geplatzten Jamaica-Koalition war von einem Kompromiss im Jahr 2045 die Rede.

Aber solange eine Firma wie BMW fast 10 Milliarden Gewinn im Jahr macht und Tesla sechs Millionen Verlust am Tag, solange werden die Hersteller ihr Hauptaugenmerk weiter auf Benziner und Diesel richten.

Tesla: Engpass bei den Batterien

Tesla wollte 2017 vom Mittelklasseauto Model 3 jede Woche bis zu 5000 Stück produzieren. Doch die Großserienfertigung ist gescheitert – es wurden in drei Monaten nur 260 Model 3-Autos gebaut. Tesla-Gründer Elon Musk musste erkennen, dass die Produktion von Elektrobatterien komplizierter sein kann als der Bau von Raketen. Der Engpass an Batterien lähmt die gesamte Produktion.

Auf jeden Fall haben sich die deutschen Hersteller mit dem Dieselskandal keinen Gefallen getan. Er führte zur Diskussion über städtische Fahrverbote. Bei einigen Autoherstellern wird das Motorsport-Engagement bald stärker unter Beschuss kommen.

Es wird in absehbarer Zeit zu einem Aderlass bei den Rennserien kommen.

Vielleicht müssen in der MotoGP-WM bald Motoren mit Energierückgewinnung eingesetzt werden wie in der Formel 1.
Aber diese Triebwerke wird sich kaum ein Motorradhersteller leisten können. Zur Erinnerung: In der Formel 1 kostet das Motorenpaket für zwei Fahrer bis zu 27 Millionen Euro im Jahr.

Ein MotoGP-Privatteam kann heute bei zwei Piloten mit 5 bis 6 Millionen Euro Jahresbudget betrieben werden.

Wenn die Hersteller auf die Vorzüge der E-Mobilität verweisen, führen sie oft den Durchbruch der E-Bikes im Fahrradbereich ins Treffen.

Aber nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Denn die E-Bikes verdrängen ja keine Fahrzeuge, die mit fossiler Energie fortbewegt werden, sondern herkömmliche Fahrräder, die mit Muskelkraft in Schwung gehalten wurden.

Formel 1 in Europa: Wie lange noch?

Werden die Elektrofahrzeuge den Motorsport im herkömmlichen Sinn massakrieren? Ja, wenn FIA und FIM nicht rechtzeitig gemeinsam mit den Herstellern zukunftsträchtige Konzepte auf den Tisch legen.

Der Motorsport entspricht zumindest in den Köpfen der meisten Politiker schon lange nicht mehr dem Zeitgeist.

Auf Skiern mit einem Gewehr auf der Schulter durch verschneite Wälder zu hetzen, ist hingegen populär. Auch wenn dann 40.000 Zuachauer mit dem Auto in irgendeinem Tiroler oder bayerischem Bergdorf einfallen.

Vielleicht wird der Motorsport zuerst in Mitteleuropa seine Daseinsberechtigung verlieren.

Womöglich werden wir eines Tages froh sein, dass Bernie Ecclestone die Formel 1 in exotische Länder wie Aserbaidschan, Russland, Bahrain, Abu Dhabi und nach Singapur exportiert hat.

Auch in Ländern wie China, Indonesien und Thailand kann der PS-Zauber noch ein paar Jahrzehnte überleben.

Pisten wie Hockenheimring, Nürburgring, Sachsenring und Oschersleben werden irgendwann das Zeitliche segnen. Der Lausitzring hat den Anfang gemacht.

Die Hersteller von VW, Audi, Mercedes bis zu Porsche und BMW, die zu lange auf den Diesel gesetzt haben, hängen sich jetzt ein grünes Mäntelchen um und liebäugeln mit der Formel E.

Das entspricht dem Zeitgeist.

In der Formel 1 wird mit unbeschreiblich komplizierten Antriebsquellen gefahren, die niemanden begeistern, aber fulminante Kosten verursachen.

«Im amerikanischen Motorsport ist man viel simpel geblieben. Er ist viel billiger, die Zuschauer sehen keinen Unterschied», sagt Peter Sauber. «In Indy fahren alle mit Dallara-Autos. Den Zuschauern ist das wurst; die Fahrzeuge sind ja unterschiedlich lackiert. Und in der Formel 2 sind die 4-Liter-V8-Saugmotoren kaum langsamer als in der Formel 1, aber diese Serie ist viel billiger, die Show ist ganz klar besser, weil alle gleich schnell sind.»

In der Formel 1 wäre eine drastische Abrüstung höchst ratsam. Red Bull Racing plädierte schon vor drei Jahren zur Rückkehr zu den 2,4-Liter-Saugmotoren. Wenn selbst Gigant Honda von der komplizierten Technik drei Jahre lang restlos überfordert ist, läuft einiges schief.

Die privaten Formel-1-Rennställe kämpfen seit Jahren ums nackte Überleben. Selbst ein Nachzügler-Team wie Sauber musste einst für 80 Millionen einen Windkanal bauen. Die Budgets haben mit bis zu 400 Millionen Euro irrwitzige Dimensionen erreicht, die Teams beschäftigen bis zu 1000 Mitarbeiter. Die Veranstalter machen weltweit Verluste, und wenn Liberty Media jetzt 3 oder 5 Prozent mehr Geld an die Teams ausschüttet, müssen diese gewaltigen Summen (Ferrari erhält ca. 260 Mio) bei den TV-Rechten (also noch mehr Pay-TV) und bei den Veranstaltern reingeholt werden.

Die Formel 1 wird nicht durch die Formel E gefährdet, sondern durch ihren selbstgemachten technischen Wahnwitz.

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