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Norris: Computerübungen reichen nicht für Formel 1

Von Gerhard Kuntschik
Lando Norris

Lando Norris

Er gilt als eine der positiven Überraschungen dieser Formel-1-Saison: Lando Norris überzeugt als Rookie in der Topklasse.

Der jüngste F1-Pilot, der im November erst 20 Jahre alt wird, zeigt im McLaren-Renault nicht nur Talent (sechs Mal Punkte in 14 Rennen), sondern auch erstaunliche Reife, wie er auch im Interview beweist.

Und das «Kind der Computergeneration» gibt zu: Nur mit Computerübungen und Simulator lässt sich die Formel 1 doch nicht erlernen.

Wie sieht Deine bisherige persönliche Bilanz aus? War der Einstieg in die Formel 1 schwieriger als gedacht – oder einfacher oder wie erwartet?

Sicher nicht leichter als erwartet! Die größte Ungewissheit war, wie ich im Vergleich mit den etablierten Fahrern abschneiden würde. Ich wusste nicht, wie ich in Qualifying und Rennen dastehen würde. Es war eigentlich so schwierig wie angenommen, aber ich habe meistens einen besseren Job gemacht, als ich mir selbst zugetraut hatte.

Siehst Du Dich als Berühmtheit, weil Du jetzt F1-Fahrer bist?

Mehr Menschen kennen mich jetzt, mehr folgen mir in den sozialen Medien, aber deswegen bin ich noch nicht berühmt. Seit ich in der Formel 1 bin, haben sich meine Follower aber vervielfacht.

Du lebst jetzt in Guildford nahe der McLaren-Zentrale. Wirst Du auf der Straße schon erkannt?

(Lacht) Ja, von meinem Friseur und dem Inhaber des Gemischtwarenladens um die Ecke! Ich flog nach Mailand (zum GP von Italien, Anm.) mit Easyjet (Billig-Airline, Anm.), und einige Passagiere erkannten mich und fragten, hey, fliegst du wirklich Easyjet? Ja, aber nicht wegen der orangen Bemalung wie bei McLaren, sondern weil es billiger war!

Welchen Berufsweg hättest Du eingeschlagen, wärst Du nicht Rennfahrer geworden?

Hmm, schwierig. Aber ich interessiere mich für Kunst und graphisches Design. Ich mag es, meine Helme selbst zu entwerfen. Oder Aufkleber fürs Visier und andere Dinge.

Gibt es in Deiner Familie Künstler?

Ja, die Schwester meines Vaters. Aber meine Eltern haben mit Kunst nichts zu tun. Ich mochte schon in der Schule die künstlerischen Fächer.

E-Sports werden immer populärer, kann man da einfach vom digitalen in den richtigen Sport wechseln?

E-Sport kann deine Fähigkeiten in manchen Bereichen verbessern, z. B. Genauigkeit, Geschicklichkeit, technischen Background. Du kannst dabei viel lernen, nicht aber die Kondition für starke Fliehkräfte. Im Simulator hast du das Lenkrad und die Pedale und ein paar Bedienknöpfe, aber im richtigen Auto hast du Gegen- oder Rückenwind, andere Einflüsse. Du kannst im Simulator viel üben, aber nicht äußere Einflüsse.

Wieviel Zeit verbringst Du im Simulator im Winter und während der Rennsaison?

Ich habe einen Simulator zuhause, aber der ist mehr für den persönlichen Spaß. Bei McLaren ist es normale Arbeit. Im Winter nützte ich mehr meinen eigenen, während der Saison den im Werk.

Bleibt da noch genügend Zeit fürs Training?

Sie muss da sein, denn ohne harte physische Vorbereitung kannst du nicht Formel 1 fahren. Vor allem, was die Stärkung der Nackenmuskulatur betrifft. Normal habe ich den Montag nach einem Rennen frei, da trainiere ich dann. Im Winter ist mehr Zeit fürs Training, da muss ich die Fitnessbasis für das ganze Rennjahr schaffen. Und dann denkst du, du bist bestens vorbereitet, und kommst nach Barcelona zum ersten Test und alles schmerzt! Der Körper muss sich dann schnell wieder an die Kräfte im Auto gewöhnen, genauso wie deine Reflexe.

Viele Fahrer wie z. B. Fernando Alonso, Dein Vorgänger, trainierten zwischen Rennen in Karts. Könnte E-Sport das Kartfahren ersetzen?

Kaum. Nichts ist besseres Training als reales Fahren. Kartfahren ist harte physische Arbeit, du fühlst deinen ganzen Körper. Das passiert am Computer nicht.

Kannst Du von Teamkollegen Carlos Sainz lernen? Tauscht Ihr Euch aus?

Ja, eine Menge. Wir sind beide sehr offen, helfen einander, das ist für beide von Vorteil - und auch für das Team. Natürlich kann ich mehr von ihm lernen als umgekehrt, weil Carlos viel Erfahrung hat. Aber manchmal bin ich schneller, und dann fragt er mich, was ich anders gemacht hätte. Wir lernen beide.

Was müsste bis zum Saisonende passieren, dass Du ein zufriedenes Resümee ziehen kannst?

Dass ich meine Chancen so gut wie möglich nützte. Jede Möglichkeit, in die letzte Quali-Phase zu kommen, jede Kurve optimal zu erwischen. Die unmittelbaren Konkurrenten in der Konstrukteurs-WM zu schlagen. Was mich ärgert, ist, wenn ich erkenne, ich hätte einen besseren Job machen können, aber ich machte ihn nicht. Und vergab dadurch bessere Resultate.

Traust Du Dir Rennsiege und sogar den WM-Titel in weiterer Zukunft zu?

Im Moment noch nicht, aber ich will die Erwartungen, die das Team in mich setzt, erfüllen. Ich hatte früher Zweifel, ob ich die Formel 1 schaffen könnte. Dann kam im Vorjahr die Chance, das erste Training am Freitag zu bestreiten, das war der direkte Vergleich mit Fernando (Alonso). Und da lief es ganz gut, ich war ziemlich schnell. Das gibt dir Selbstvertrauen, du denkst, ja, ich kann die Formel 1 schaffen.

Hast Du ein Vorbild?

Nein, was Autorennen betrifft. Ansonsten: Ja, Valentino Rossi. Ich traf ihn vor wenigen Wochen bei der MotoGP in Silverstone das erste Mal – aber nur für fünf Minuten. Ich war wirklich aufgeregt, ich habe viele seiner Rennen im TV verfolgt, ich wollte ihn einfach kennenlernen.

Willst Du Rossi zu einem F1-GP einladen?

Ich denke, er braucht keine Einladung, wenn er kommen will. Und ich bin noch nicht in der Position, so einfach Einladungen aussprechen zu können! Vielleicht in ein paar Jahren…

Du fuhrst im Winter 2016 in Neuseeland und später in der Formel 3 gegen Ferdinand Habsburg. Was hältst Du von ihm?

Wir kamen immer sehr gut aus, weil er ein toller, total netter Typ ist. Er konnte manchmal so schnell sein, dass er mich richtig frustrierte! Bei einem Test in Budapest war er so dominant, ich hätte ihn nie schlagen können. Aber es fehlt ihm die Konstanz. Er war immer sehr beliebt bei allen, kam mit jedem gut aus. Man kann viel Spaß mit ihm haben. Er ist einfach ein angenehmer Zeitgenosse. Wir nannten ihn immer Prinz - er ist ja einer.

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