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V12-Motor für Vettel – Hamilton: Sehnsucht unerfüllt

Von Mathias Brunner
Der V12-Motor von Ferrari für die Formel-1-Saison 1990

Der V12-Motor von Ferrari für die Formel-1-Saison 1990

​Die Formel-1-Champions Sebastian Vettel und Lewis Hamilton sprechen vielen Fans aus tiefster Seele: Sie wollen brüllende V12-Motoren statt Hybridtechnik. Aber diese Sehnsucht bleibt unerfüllt.

Sebastian Vettel war knapp sechs Jahre alt, als er zum ersten Mal den Hockenheimring erblickte. «Wir waren nur fürs freie Training da, das war 1993, und es schüttete wie aus Eimern. Wir stoffelten die Waldgerade hinunter, um zur ersten Schikane zu gelangen. Alle Autos waren erst auf ihrer Installationsrunde, fahren wollte bei dem Wetter eigentlich keiner, aber alleine schon bei geringem Tempo das Röhren der Motoren zu hören, der Boden zitterte, du hast die Autos mehr als gehört als gesehen, du hast sie gespürt und gerochen – das war unfassbar, so etwas vergisst du nie wieder.»

Lewis Hamilton hat ähnliche Sehnsucht nach den ohrenbetäubend lauten, hochdrehenden V12- und V10-Motoren. Vor wenigen Jahren hat er im Rahmen einer Medienrunde festgehalten: «Am liebsten hätte ich in der Formel 1 einen V12-Motor. Das wäre wirklich cool, aber das wird nicht passieren. Obwohl es wirklich super wäre, wenn man sich wieder die Ohren zuhalten müsste, wenn ein Formel-1-Auto vorbeirauscht.»

«Richtig laut müsste der Motor meiner Meinung nach sein, wie ein Düsenjet, ein bisschen so wie früher. Ich kann mich noch gut an meinen ersten GP-Besuch von 1996 in Belgien erinnern, als ich im Fahrerlager war und Michael Schumacher reinkam. Alles vibrierte! Wenn du damals an der Strecke warst, hat dich der Sound umgehauen. Heute ist das nicht mehr so, und nicht alle vermissen den Lärm, aber mir persönlich fehlt dieser Sound, ich mag es halt richtig laut.»

Sebastian Vettel ist Traditionalist. Er ist einer der besten Kenner im Formel-1-Feld für Rennhistorie, und er hat über seine Skepsis zur neuen Turbohybrid-Ära der Formel 1 nie ein Geheimnis gemacht. Als er in Sotschi seinen Ferrari zur Seite stellen musste, wegen eines Defekts an der kinetischen Energierückgewinnung, knurrte er in den Funk: «Bringt die verdammten V12 zurück!»

Später sagte der Ferrari-Star: «Diese Aggregate sind sehr komplex. Aus technischer Sicht ist das sicher sehr faszinierend, aber ich habe nun eben meine Meinung dazu. Und ich denke auch, dass es keine grossen Vorteile für den Rennsport und auch nicht für die Zuschauer bringt.»

Als die Formel 1 Anfang 2014 in die neue Turbo-Hybrid-Ära ging, sprach Sebastian Vettel vielen Fans aus dem Herzen: «Das hört sich an, als würde der Staubsauger nebenher laufen, aber nicht wie ein Rennauto auf der Strecke.» Die Akustik war für viele Fans eine komplette Enttäuschung, nicht wenige wandten sich vom Sport ab. Das neue Motorreglement war damals ein Kind des Gedankens, dass Formel-1-Triebwerke mehr Serienrelevanz haben sollen, hinter dem kleinvolumigen Turbomotor mit Mehrfach-Energierückgewinnung steckten FIA-Präsident Jean Todt und die Autohersteller.

Seit 2014 haben wir nun diese 1,6-Liter-V6-Aggregate, sie klingen inzwischen ein bisschen Formel-1-würdiger, aber gemessen am früheren Sauger ist das wie Fahrstuhl-Musikgesäusel gegen ein Hard-Rock-Konzert.

Ich habe es oft erlebt: Jedes Mal, wenn der Formel-1-Zweiplätzer auf die Bahn geht, recken sich sofort die Hälse der Fans und auch vieler Insider im Fahrerlager – SO muss ein Rennmotor klingen! Den besten Sound der modernen Formel 1 bietet ausgerechnet ein uraltes Auto – der Zweisitzer mit dem V10-Saugmotor im Heck. Wenn ich dann die Gesichter der Fans sehe, dann merke ich: Nicht nur Hamilton und Vettel vermissen diese Aggregate.

Klar träumen viele Fans von einer Rückkehr zu den herrlichen V8- und V10-Kreissägen. Aber FIA-Präsident Jean Todt würgt die Erwartungen vieler Formel-1-Freunde gnadenlos ab. Im Monatsmagazin «Auto», das die FIA selber herausgibt, hielt der Franzose am Trend der Industrie zu kleineren Motoren fest: «Grössere und lautere Motoren zurückzubringen, das würde von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Ich bin auch davon überzeugt: Würden wir sagen, lasst uns wieder Triebwerke verwenden, wie wir sie vor zehn Jahren gehabt haben, dann würden viele Autohersteller nicht mitziehen. Drei von vier Herstellern würden gehen.»

Und Renault-Teamchef Cyril Abiteboul deutet an, dass sich die Formel 1 noch viel weiter entfernen wird von den grandiosen V12-Saugmotoren: «Die Welt ändert sich schnell. Und die Formel 1 muss verflixt aufpassen, dass sie nicht auf der Strecke bleibt. Schaut euch doch die Greta Thunbergs dieser Welt an, schaut euch an, welche Fortschritte die Elektrik macht. Das sind Trends, die sich nicht umdrehen lassen.»

Gemäss Reglement wird im GP-Sport frühestens 2024 über eine neue Motorgeneration gesprochen, die dann 2025 oder 2026 kommen könnte. Abiteboul weiter: «Sieben Jahre entfernt, das klingt nach sehr viel. Aber wir müssen uns frühzeitig darüber Gedanken machen, wie die kommenden Motoren aussehen und was sie kosten sollen. Vermutlich bedeutet dies weniger Betonung auf einen Verbrennungsmotor und mehr Bedeutung der Elektrik. Wir müssen neue Energiequellen abwägen, wie etwa Brennstoffzellen – so wird die Zukunft der Formel 1 aussehen.»

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