Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

WM-Ausschluss: Das peinlichste GP-Team der Welt

Von Mathias Brunner
​​Welches Formel-1-Team hat am meisten Fans? Natürlich Ferrari. Wie heisst das beste Team der Gegenwart? Mercedes-Benz. Aber wissen Sie, welche Truppe von der FIA aus der WM geworfen wurde?

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre war die Formel 1 eine kunterbunte Spielwiese der Guten, Mittelprächtigen, Skurrilen und einfach nur Peinlichen. Heute haben wir zehn Rennställe mit zwanzig Autos. Viel zu wenig. In der Saison 1991 freuten wir uns über 18 (achtzehn!) Rennställe mit 36 Piloten im Einsatz, 1992 waren es noch 16 Teams und eines davon musste gleich zwei Mal vom Automobil-Weltverband aus der Meisterschaft komplimentiert werden – Andrea Moda, das peinlichste GP-Team der Welt.

Die Farbe war Programm: 1992 trat «Andrea Moda Formula» des italienischen Unternehmers Andrea Sassetti ganz in Schwarz an. Wer sich die Autos ein wenig näher betrachtete, sah ebenfalls schwarz.

1992 mühten sich mit den jämmerlichen Rennwagen Alex Caffi, Roberto Moreno, Perry McCarthy und Enrico Bertaggia ab. Nur der Brasilianer Moreno schaffte in Monaco das Wunder, sich für ein Rennen zu qualifizieren, schied aber bald aus, weil sein altersschwacher Motor nach elf Runden sein Leben aushauchte.

Das Formel-1-Abenteuer von Sassetti endete mit einer Verhaftung wegen Steuerbetrugs, Urkundenfälschung und mit dem Skandal, dass der damalige Autoverband FISA (heute FIA) das Team gleich zwei Mal von der WM ausschliessen musste.

Ein Rekord, den wir bislang in keiner Bestenliste gefunden haben.

Als Sassetti im September 1991 das Coloni-Team übernahm, war er von Fachwissen im Motorsport gänzlich unbelastet. Perry McCarthy beschrieb den Wagen später als «das schlechteste Auto, das ich je bewegt habe». Alex Caffi bezeichnete den Chef als «durchgeknallt». Kein Wunder, denn McCarthy wurde in Spanien beispielsweise bei knochentrockener Bahn mit Regenreifen auf die Reise geschickt!

Der Engländer schrieb in seiner (sehr lesenswerten) Autobiographie: «Sassetti wurde von Enzo Coloni übers Ohr gehauen, was eine gewisse Ironie hat. Das Material bestand aus alten Chassis, einem rostigen Motor, einem verlotterten Lastwagen und einigen Werkzeugkisten. Ich glaube, er hat für den ganzen Krempel zwei Millionen Dollar bezahlt.»

Schon der Beginn war abenteuerlich: Da im Vorfeld des WM-Beginns 1992 in Südafrika über dem neuen Team ziemlich viele Fragezeichen schwebten, schloss die FISA Andrea Moda Formula zunächst mal von der Teilnahme an der Weltmeisterschaft aus. In den folgenden Wochen kam es zu einer Einigung zwischen Sassetti und der Sportaufsicht: Nach Entrichtung einer Sicherheitsgebühr wurde Andrea Moda Formula zur Weltmeisterschaft zugelassen. Bedingung war der Aufbau eines neuen Autos, worauf das Team in Südafrika und Mexiko auf der Rennbahn fehlte, weil da nur der alte Rennwagen auf den Aspahlt gestellt wurde.

Das Design des (hüstel-hüstel) neuen Wagens basierte auf jener Studie, die Designer Nick Wirth für ein potenzielles BMW-Formel-1-Projekt gebaut hatte. Als Sassetti damit antrat, war es schon ein paar Jahre alt, aber na wenn schon!

In den folgenden Monaten meldete sich Andrea Moda zu neun Grossen Preisen, qualifizierte sich aber nur in Monaco, dank eines Husarenritts von Roberto Moreno, der bis heute auf seine Verdienstmedaille wartet.

Perry McCarthy: «Eigentlich hätte ohnehin Bertaggia fahren sollen, aber der wurde noch vor der Saison gefeuert. Er hatte sich öffentlich darüber beklagt, dass der versprochene neue Wagen nie kam. Später in der Saison hatte er genug Geld zusammengekratzt, um doch zu fahren, aber nun wurde dem Team kein Fahrerwechsel erlaubt, also mussten sie mit mir vorliebnehmen. Daraufhin wurde mein Auto eigentlich nur noch als rollendes Ersatzteillager für Moreno verwendet.»

In Spanien kam Perry nur wenige Meter weit, dann starb bei der Ausfahrt aus der Boxengasse der Motor ab. Training beendet.
McCarthy: «Es gab keinen Windabweiser, einen Sitz für mich gab es auch nicht, ich wurde wie eine Puppe hin- und hergeworfen. In Belgien blockierte die Lenkung, und ich zog mir einen Muskelriss in der Schulter zu, weil ich mit aller Macht am Lenkrad riss, um nicht geradeaus in die Leitschienen zu fahren. Ich kam an die Box und sagte: ‘Die Lenkung verzieht sich.’ Die Antwort des Teams: ‘Oh, das wissen wir.’ Wie sich herausstellte, hatten sie diese Lenkung zuvor im Wagen von Roberto ausprobiert, erkannt, dass sie nicht funktioniert, und dann wurde sie einfach in mein Auto eingebaut. An diesem Punkt hatte ich genug und ging.»

Von März bis September 1992 kam es neben sportlichen Misserfolgen zu Aufsehen erregenden Zwischenfällen, wie unerklärliche Verluste von Triebwerken, Prügeleien unter den Teammitgliedern und der Verhaftung des Chefs.

Daraufhin schloss die FISA Andrea Moda Formula im September 1992 zum zweiten Mal von der Weltmeisterschaft aus, die schwarzen Lastwagen wurden gar nicht mehr ins Fahrerlager von Monza eingelassen.

Die Entscheidung der Sporthoheit beruhte auf Artikel 166 des Reglements. Danach kann ein Team von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen werden, wenn es dem Standard der Formel 1 nicht genügt oder den Sport in Misskredit bringt.

Die jammervolle Darbietung von Andrea Moda Formula war der Grund, wieso der Autoverband eine hohe Nenngebühr einführte – um künftig solche Vagabunden vom Sport fernzuhalten.

Sassetti verschwand in der Versenkung, betrieb später in Italien Restaurants und Nachtklubs, dazu war er an Bau-Unternehmen beteiligt. 2015 machte er erneut Schlagzeilen: Wegen betrügerischen Bankrotts erhielt er eine Haftstrafe von sechs Monaten.

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