Valentino Rossi sucht das Glück

Coronakrise: Motorsport im Juli wäre ein Wunder

Von Günther Wiesinger
​Noch steht der Kanada-GP vom 14. Juni in Montreal als erstes F1-Rennen 2020 im Programm. Angesichts der dramatischen Verbreitung von SARS-CoV-2 wird immer klarer: Motorsport im Juli wäre ein Wunder.

Es kann weiterhin niemand abschätzen, wann die namhaften Motorsport-Serien wirklich weitergeführt werden und wie die Konzepte dann aussehen. In der Formel 1 sind diese WM-Läufe verschoben – Australien, Bahrain, Vietnam, China, die Niederlande, Spanien und Aserbaidschan, Monaco hat seinen Grand Prix gleich ganz abgesagt.

Formel-1-CEO Chase Carey spricht kühn von einem «WM-Programm aus 15 bis 18 Rennen». Der frühere Formel-1-Fahrer und heutige GP-Experte Marc Surer meint hingegen: «Geplant waren 22 Rennen. Wenn wir Ende 2020 elf haben sollten, so dürfen wir uns glücklich schätzen. Dann würde die Saison auch offiziell als WM gelten, denn dazu müssen wir gemäss Reglement mindestens acht Läufe haben.»

Angesichts der beängstigenden Coronavirus-Fallzahlen fällt es jedem Italiener inzwischen schwer, sich kurzfristige oder mittelfristige Gedanken über die Zukunft des Motorsports zu machen. Als Ducati-Sportdirektor trägt Paolo Ciabatti die Verantwortung für 110 Beschäftigte bei Ducati Corse in Borgo Panigale und für mehr als zwei Dutzend Mitarbeiter, die nur für die Tests und Rennen (MotoGP und SBK) unter Vertrag stehen.

«Motorsport im Juli wäre ein Wunder», stellte Ciabatti im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest. Inzwischen meldet Italien 110.574 infizierte und 13.155 Todesopfer, allein gestern kamen 727 Tote dazu. Aber die Zuwachsraten schwächen sich ab, sie gehen sogar endlich leicht zurück, die strengen Massnahmen (dritte Woche Hausarrest, kompletter Lockdown) beginnen zu wirken.

Dazu kommt humanitäre Hilfe aus allen erdenklichen Ländern, aus Russland, China, Südamerika, sogar aus Albanien.

Die Sterberate liegt in Italien bei 11 Prozent, in Deutschland bei 1 Prozent. Doch auch die deutschen Fachärzte wundern sich wie alle Kollegen in der Welt über die Widerstandskraft dieses Viruses. Sie schätzten zu Beginn der Epidemie, bei jedem Schwererkrankten maximal zehn Tage ein Beatmungsgerät zu benötigen. Jetzt ist klar: Es dauert drei Wochen. Und deshalb steigt der Bedarf an Beatmungsgeräten weltweit dramatisch an.

Inzwischen wird in unzähligen Krisenstäben rund um die Welt beratschlagt, wie die Welt nach der Virus-Katarstrophe aussehen wird, wie stark die Wirtschaft leiden wird.

Die deutsche Fußball-Bundesliga möchte im Mai wieder starten, voraussichtlich ohne Zuschauer, vielleicht nur virtuell, keiner weiss es.

Alle Pläne müssen täglich angepasst und über den Haufen geworfen werden. Sieben von zehn Formel-1-Rennställen kommen aus England, wo Fachleute davor warnen – das marode Gesundheitssystem werde dem Druck kaum standhalten.

Die britische Regierung hat bei zahlreichen Firmen insgesamt 10.000 Beatmungsgeräte bestellt. Im ganzen Land gibt es heute lediglich 8000, und Experten gehen davon aus – wenn die Zahl der Kranken in Grossbritannien weiter so schnell steigt, werden mindestens 30.000 Geräte benötigt. Fachleute warnen vor Szenarien wie in Italien und Spanien.

In Spanien sollen vier MotoGP-Rennen und ein Formel-1-WM-Lauf stattfinden. Aber Spanien beklagt bereits 9053 Tote, mehr als doppelt so viele wie China, dazu mehr als 102.000 erkrankte Menschen.

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti: «Ich bin überzeugt, es werden alle möglichen Szenarien überlegt, damit wir loslegen können, sobald es sicher genug ist. Dann müssen wir alle Lösungen akzeptieren, die Sinn ergeben und eine Meisterschaft mit den wahren Werten ermöglicht. Zum heutigen Zeitpunkt können wir als Werk oder Team wenig dazu sagen. Es muss uns aber bewusst sein: Wir können erst wieder starten, wenn die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten gewährleistet ist. Solange die Sicherheit nicht gewährleistet ist, macht es keinen Sinn, über den Zeitpunkt des Neustarts im Motorsport zu diskutieren. Wenn es so weit ist, werden wir jeden Vorschlag und jede Idee, die von der Dorna kommen, abwägen. Sie werden uns die bestmöglichen Lösungen auftischen, denn sie haben viel Erfahrung, und sie ziehen die Teams und Hersteller immer zu Rate. Deshalb rechne ich mit sinnvollen Lösungen für die Meisterschaft. Ich rechne mit guten Ideen, die sie mit uns teilen werden. Wir werden einem Neustart zustimmen, sobald es sicher genug ist.»

Die diskutierten Ideen sind weitreichend. Ciabatti kennt sie alle.
Rennen ohne Zuschauer werden nicht nur in der MotoGP, sondern auch in der Formel 1 erwogen. Im März war eine Weile geplant, den Bahrain-GP ohne Fans auszutragen, dann aber wurde das Rennen in der Wüste Sakhir ohnehin abgesagt. Wie schlimm wäre ein Grand Prix ohne Zuschauer?

Paolo Ciabatti: «Es wäre übel, weil wir daran gewöhnt sind, die Rennen als grosse, glückliche Party für eine riesige Anzahl Menschen zu betrachten. Aber die Umstände haben sich dramatisch verändert. Es wird also voraussichtlich nicht sehr weise sein, die Tribünen mit Fans vollzustopfen. Ich weiss nicht einmal, ob man dann nicht auch die Anzahl der Leute im Paddock begrenzen soll. Denn trotz aller Vorsichtsmassnahmen, kannst du den Sicherheitsabstand von 1 bis 1,5 Metern nicht immer einhalten. Und ich wiederhole: Rennen im Juni oder Juli sind meiner Meinung nach nicht realistisch.»

Droht uns eine Rennsaison 2020 nur in Europa, wegen der ganzen Reiseverbote?

Ciabatti seufzt: «Du stellst mir eine Frage, und wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Antwort darauf. Wichtig ist jetzt: Können wir starten? Wann können wir starten? Und wie viele Rennen können wir noch abwickeln? Wo diese Rennen stattfinden, das ist eine andere Geschichte. Es ist klar, dass wir im November nicht mehr an vielen Schauplätzen in Europa antreten können, weil es zu kühl wird. Aber wenn wir Anfang August loslegen können, dann stehen jetzt noch zwölf Grands Prix auf dem Plan, von Brünn bis Valencia, in vier Monaten. Wenn wir aus irgendwelchen Gründen nicht nach Thailand, Japan, Australien, Malaysia, Austin oder Argentinien fliegen können, aus welchen Gründen auch immer, dann müssen wir uns nach anderen Rennstrecken umschauen, die verfügbar sind. Aber Vorhersagen sind gegenwärtig schwierig, ehrlich. Nicht weil ich deinen Fragen ausweichen will, sondern weil wir uns in einer sehr außergewöhnlichen Situation befinden, deren Ende und Auswirkungen wir noch nicht abschätzen können.»

«Wir müssen Notfallpläne erstellen, damit wir startklar sind, sobald die Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen in Europa wieder gelockert werden. Sobald wir grünes Licht am Horizont sehen, werden wir uns marschbereit machen. Wir müssen uns auf jedes Szenario vorbereiten. Die Mindestanzahl von 13 Grand Prix, die im Vertrag zwischen Dorna und FIM festgelegt sind, können wir bereits vergessen. Wir brauchen nicht 13 Rennen, um einen würdigen Weltmeister zu küren. Wir haben es mit aussergewöhnlichen Umständen zu tun. Deshalb wird man Ausnahmen machen müssen, auch vom Weltverband her. Acht, neun oder zehn Rennen reichen sicher aus, um es Weltmeisterschaft zu nennen.»

Der gegenwärtige Formel-1-Kalender 2020

14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
05. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
02. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
06. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Ohne neuen Termin
Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ

Abgesagt
Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC

Das ursprüngliche WM-Programm

15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
5. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
19. April: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
3. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
7. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
5. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
2. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
6. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Der aktuelle Motorrad-GP-Kalender 2020

08. März: Doha/Q (ohne MotoGP)
17. Mai: Le Mans/F
31. Mai: Mugello/I
07. Juni: Barcelona/E
21. Juni: Sachsenring/D
28. Juni: Assen/NL
12. Juli: KymiRing/SF
09. August: Brünn/CZ
16. August: Red Bull Ring/A
30. August: Silverstone/GB
13. September: Misano/I
27. September: Aragón/E
04. Oktober: Buriram/TH
18. Oktober: Motegi/J
25. Oktober: Phillip Island/AUS
01. November: Sepang/MAL
15. November: Texas/USA
22. November: Las Termas/AR
29. November: Valencia/E

Ohne Datum: Jerez/E

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