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Alles Gute, Rainer Braun: Reporter-Legende ist 80

Von Rob La Salle
​Rainer Braun ist eine Institution im deutschen Motorsport: als Kommentator, Moderator, Autor und in jungen Jahren als Rennfahrer. Ein Rückblick auf ein bewegtes Leben – mit Augenzwinkern.

Am 14. November 1940 erblickt Rainer Braun in Freudenstadt das Licht der Welt. Er wächst in Wiesbaden auf und steckt schon als Kind voller Energie. Damit bringt er nicht nur seine Mutter Irma regelmäßig zur Verzweiflung. Leidtragender ist unter anderem sein jüngerer Bruder Hans. Mit dem Kinderwagen driftet Rainer im Park um die Kurven – nicht immer unfallfrei. Als bei den Nachbarskindern Unmengen Teer in den Haaren klebt, fällt der Verdacht schnell auf den kleinen Rainer. Der lächelt nur verschmitzt.

In der Schule geht es nahtlos weiter. Besonders dem Sportunterricht kann er nichts abgewinnen. Lieber lässt er sich den Blinddarm rausnehmen, als bei Völkerball und Turnübungen zu schwitzen. Aus dem Musikunterricht wird er ausgeschlossen. Mit «Du wirst einmal bei der Müllabfuhr enden», findet sein Deutschlehrer deutliche Worte und liegt damit zum Glück falsch.

Motorisiert ist Braun bereits während der Schulzeit unterwegs, zunächst auf zwei Rädern. Erst frisiert er nach und nach die geliebten Mopeds und Motorroller seiner Mutter, dann steigt er wenig später auf vier Räder um.

Eine etwas zu ambitionierte Spritztour im familieneigenen Lloyd LP 400 bleibt nicht unentdeckt – endet sie doch auf einer Kuhweide.

Rainer Braun ist zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt, hat den Schalk im Nacken und Benzin im Blut. Zusammen mit seinen Freunden macht er die hessische Landeshauptstadt unsicher, am liebsten auf der Straße hoch zum Neroberg. Seine Kumpels und er kennen die Strecke aus dem Effeff. Es sind die ersten Zeitenjagden und nicht selten stoppt die Rennleitung, Verzeihung: die Polizei die stadtbekannte Clique.

Braun kennt nur ein Gas: Vollgas

Autofahren ist früh eine besondere Leidenschaft von Rainer Braun – vor allem mit Vollgas. So wandelt er stets am Rande des Führerscheinentzugs, verliert ihn aber nie.

Als Aushilfskraft einer Weinhandlung fährt er Volkswagen Bulli. Bald wird klar: Auch mit diesem Auto kann man quer durch die Kurven fahren. Bei einem sehr wilden Drift verrutscht die Ladung. Der Wagen kippt um und schlittert in die Wiesbadener Kuckucksuhr – die berühmteste Sehenswürdigkeit der Stadt.

Wer glaubt, dass dieser Vorfall für Braun eine Lehre ist, der irrt. Schauplatz Kreisverkehr: Hier bringen Braun und seine Freunde den Verkehr regelmäßig zum Erliegen. Runde um Runde versperren sie im Synchrondrift die Zufahrt. Erst wenn die Öllampen anspringen, ist Schluss mit lustig.

Brauns erstes eigenes Auto ist ein Volkswagen Käfer. Das Kennzeichen WI-VW 1 schnappt er dem örtlichen Volkswagen- und Porsche-Händler Rossel buchstäblich vor der Nase weg – ein Flirt mit der Zulassungsdame macht es möglich. In der Folge zeigt sich auch Brauns unternehmerisches Geschick. Nachdem Rossel ihn über lange Zeit bekniet hat, nimmt Braun das «Abtretungsangebot» über 500 D-Mark an und bessert seine Kasse auf.

Klappstuhl und Feldtelefon bei der Premiere

Während Braun die Ausbildung als Werkzeugmacher bei Opel in Rüsselsheim absolviert und die Prüfungen nur mithilfe der tatkräftigen Unterstützung von Helfern besteht, entdeckt er den Motorsport für sich. Mit Freunden wie Hans Wehner, Sigi von Kahlen, Michel Weber oder Hans-Peter Seufert fährt er zu den Rennen, steigt aber zunächst nicht selbst hinters Steuer.

Stattdessen betätigt er sich journalistisch und beliefert Tageszeitungen mit Rennberichten. Seinen allerersten Job als Kommentator übernimmt Braun 1963 beim Rheinland-Pfalz-Bergpreis. Es folgt der Einsatz beim berühmten Bergrennen am Rossfeld. Die Arbeitsbedingungen sind gewöhnungsbedürftig: ein Klappstuhl und ein Feldtelefon im Zielbereich unter freiem Himmel.

Vom Sprecher zum Rennfahrer

Der Durchbruch gelingt ihm mit dem Start der Formel V: 4. Juli 1965. Premiere auf dem Norisring. Rainer Braun ist Streckensprecher. Eigentlich. Plötzlich kommt Rennleiter Huschke von Hanstein auf ihn zu und sagt: «Braun, ich habe da eine Überraschung; jetzt müssen Sie zeigen, ob es für ihre frechen Kommentare und Texte auch einen soliden Hintergrund gibt.»

Ehe sich Braun versieht, sitzt er in einem der 45 PS starken Rennwagen, die mit einem 1,2-Liter-Motor aus dem Volkswagen Käfer angetrieben werden. Das Rennoutfit ist einzigartig: Sakko, Hemd, Schlips und Sandalen. Helm und Brille leiht sich Braun kurzerhand von Rennfahrer Jochen Neerpasch. Es ist der erste Einsatz in einem echten Autorennen für den 25-Jährigen. Rund 250 weitere werden folgen. Der Vollständigkeit halber: Braun wird Fünfter von elf Teilnehmern. Und hat Blut geleckt.

Lauda, Rindt, Marko und viele mehr

Für Braun ist es der Beginn einer langen, wilden und aufregenden Zeit in der Formel V. Als Gelegenheitspilot, der auch einige Siege feiert, als Journalist und als Kommentator ist er hautnah dabei, wie sich die Formel-V-Bewegung immer weiter ausbreitet. Der Verband «Formel V Europa», aus dem am 11. Juli 1966 Volkswagen Motorsport entsteht, wird gegründet.

Chef ist Anton Konrad, später Pressechef bei Volkswagen. Die Formel V ist eine Talentschmiede und prägt eine ganze Rennfahrergeneration. Braun trifft auf Ausnahmetalente wie Niki Lauda, Dr. Helmut Marko, Jochen Rindt und später auch Keke Rosberg, Jochen Mass oder Stefan Bellof, schließt dank seiner offenen und herzlichen Art viele Freundschaften und baut sein Netzwerk sukzessive aus.

Hochzeit und Nachwuchs

Seine Frau Brita lernt Braun im Jahr 1965 in Niendorf an der Ostsee kennen. Am 21. Oktober 1967 heiratet das Paar. Anderthalb Jahre später kommt das erste und einzige Kind zur Welt: Tochter Maren. Eigentlich soll sie ein Junge werden und Marco heißen, so zumindest die Vorstellung des Vaters. Braun, der 1969 auch Gründungsmitglied der Auto Zeitung in Köln und beim Aufbau des Verlags stark eingebunden ist, wird über die Geburt per Telefon in der Redaktion informiert.

«Herzlichen Glückwunsch, Sie haben eine Tochter», lautet die freudige Nachricht aus dem Krankenhaus. Der frischgebackene Vater ist zunächst sprachlos. Ein seltener Umstand bei Rainer Braun. Heute ist er überglücklich, eine Tochter zu haben. «Ein Sohn wäre auch gut, aber die Tochter ist noch besser», sagt Braun lachend, der mittlerweile auch eine Enkelin hat.

Familie Braun on tour

In den 1970er-Jahren reist die Familie Braun zumeist als Dreigestirn zu den Rennen. Brita ist ab 1973 Beisitzerin bei allen Streckenreportagen und führt in Ermangelung von Zeitmessungen oder TV-Bildern die Rundentabellen für ihren Mann. Maren wächst im Fahrerlager auf und greift schon bald zum Fernglas, um in der Sprecherkabine Positionsveränderungen an Vater Rainer zu übermitteln.

So legt sie bereits früh die Grundlagen für ihre spätere Karriere als Moderatorin im Motorsport. Rainer Braun legt seinen Fokus in dieser Zeit auf die journalistische Karriere. Berufsrennfahrer wollte er ohnehin nie werden, auch wenn es immer wieder im rechten Fuß juckt und er 1975 sogar den Titel im internationalen Renault-5-Pokal gewinnt.

Die Geburt des Markenpokals

Über die Formel V findet Braun auch den Anschluss zu Volkswagen, wo er zunächst eng mit Konrad und dann mit dessen Nachfolger als Chef von Volkswagen Motorsport zusammenarbeitet, Klaus-Peter Rosorius. Bis zum Ende der Formel V und der Formel Super V im Jahr 1982 bleibt Braun den Serien eng verbunden – und damit auch Volkswagen Motorsport in Hannover. Doch das Engagement soll über den Formelsport hinausgehen. Mitte der 1970er-Jahre reift bei Volkswagen der Wunsch, neben der Formel V mit ihren Monoposti die Identifikation des Endverbrauchers mit der Marke und den Serienmodellen zu stärken.
 
Gesagt. Getan.

1976 geht der VW-Junior-Cup mit dem Scirocco an den Start und Braun ist wieder mittendrin. Als Sprecher. Und als Gast-Rennfahrer. Im Juni 1976 kommt der alte Schelm auf dem Hockenheimring wieder voll auf seine Kosten. Mit Meisterschaftsanwärter Wolfgang Schütz macht er gemeinsame Sache und verabredet sich zum «Schieben» – eine beliebte, aber strikt verbotene Zusammenarbeit, bei der ein Fahrer den anderen anschiebt, damit beide als Gespann schneller sind. Im Ziel haben sie über zehn Sekunden Vorsprung auf den Drittplatzierten. Der Trick fliegt nicht auf, da sie Klebeband an den Stoßstangen angebracht haben, das drohende Schleifspuren verhindert.

Auf Scirocco folgen Golf und Polo

Nach dem VW-Junior-Cup folgen Markenpokale mit dem Golf und dem Polo. Braun agiert immer wieder auch als Förderer und Mentor von Nachwuchstalenten, stellt Kontakte zu Sponsoren her und verfolgt die Karrieren bis in die Toprennserien. Das erfolgreiche Engagement von Volkswagen Motorsport als Motorenlieferant in der Formel 3 begleitet Braun ab 1982 an vorderster Front und sieht Talente kommen, wachsen und aufsteigen. Und es gibt auch immer wieder etwas zu feiern. 1986 moderiert Braun die Gala zum 20-jährigen Bestehen von Volkswagen Motorsport und 30 Jahre später, im September 2016, ist er auch bei der Veranstaltung zum 50. Geburtstag der Motorsport-Abteilung dabei.

Braun in der Formel 1

Im Jahr 1998 feiert Braun sein Debüt als Kommentator in der Formel 1 an der Seite von Christian Danner. Er vertritt Heiko Wasser, der aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen ist. Die größte Herausforderung für den Debütanten ist der Austragungsort: Japan. Braun reist ungern in fremde Länder, hat Flugangst. Beruflich wie privat ist er darauf bedacht, nur wirklich notwendige Flüge anzutreten. Die Reise nach Suzuka ist eine solche.

Bettina Leidiger, seinerzeit Produktionsleiterin Motorsport beim übertragenden Sender RTL, fungiert während des Flugs als Reisebegleiterin und hält auch mal Händchen. Alles geht gut. Die Arbeit vor Ort ist dann ein Klacks. Aufkommende Bedenken, vor Millionenpublikum über Michael Schumacher & Co. zu berichten, wischt Brauns langjähriger Wegbegleiter Danner gekonnt beiseite: «Rainer, du erzählst einfach, was du siehst, und ich mache das ganze technische und politische Drumherum.» Alles läuft glatt, aber es bleibt Brauns einziger Auftritt in der Formel 1.

Bis heute im Einsatz

Lange stand der Motorsport im Leben von Rainer Braun an erster Stelle. Auch wenn es heute eher der heimische Garten im Bergischen Land ist, gibt er noch immer liebend gerne die Geschichten aus alten Zeiten zum Besten, unter anderem in seinen Büchern und den Podcasts von «Alte Schule – die goldene Ära des Automobils». Anekdoten aus einer Zeit, als der Motorsport noch ein total verrücktes Paralleluniversum war.

Als Kommentator ist Braun bis heute im Einsatz. Aufgrund der Corona-Pandemie derzeit zwar nur von daheim, aber wer seinen Kommentaren bei den Übertragungen der Tourenwagen Classic lauscht, wird schnell in seinen Bann gezogen und in die Zeit der «alten» DTM zurückversetzt, die Braun in den 1990er-Jahren mitgeprägt hat.

Rainer Braun hat schon immer für den Motorsport gelebt und in sechs Jahrzehnten eine Menge erlebt. Er ist Motorsport-Enthusiast, der in seiner Rolle als emotionaler und professioneller Berichterstatter stets aufgegangen ist. Sein schier unerschöpfliches Fachwissen, gepaart mit unzähligen Anekdoten und der bunten, lebendigen Berichterstattung machen ihn einzigartig.

Alles Gute zum 80. Geburtstag, Rainer Braun!

Mit freundlicher Genehmigung von Volkswagen Motorsport

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