Valentino Rossi sucht das Glück

Vor 50 Jahren: GP-Debüt von Niki Lauda in Österreich

Von Gerhard Kuntschik
Die Agonie, die Jochen Rindts Tod in Monza in der österreichischen Renngemeinde hervorgerufen hatte, wich im Herbst 1970 bald diesen Fragen: Finden wir einen Nachfolger und falls ja – wer soll das sein?

Am 5. September wird sich Jochen Rindts Todestag zum 51. Mal jähren. Immer um diese Zeit wurden die Erinnerungen an den charismatischen Rennfahrer wieder hellwach, auch beim zweiten Formel-1-Weltmeister aus Österreich, bei Niki Lauda, der am 20. Mai 2019 verstarb.

Lauda erzählte mir vor Jahren, wie er vom tödlichen Unfall Jochen Rindts gehört hatte. «Ich fuhr in Zolder in der Formel 3. Am Samstag kam plötzlich ein Typ vorbei, den ich nicht kannte, und sagte: ‘Der Rindt ist tot.’ Ich glaubte es nicht, hielt ihn für einen Blödmann, der sich wichtigmachen wollte. Es liess mir aber keine Ruhe, ich versuchte bei der Fahrt ins Hotel einen Radiosender zu finden, der Nachrichten brachte. Dann musste ich es glauben.»

Nach einem wochenlangen Schockzustand der österreichischen Renngemeinde begannen sich die Fans zu fragen: Gibt es einen Nachfolger für Jochen? Es waren immer die drei selben Namen, die auftauchten.

Der Wiener Dieter Quester, ein etablierter Formel-2- und Tourenwagenpilot, der älteste des Nachfolger-Trios (damals schon 31); der Grazer Helmut Marko (damals 27 und schon promovierter Jurist), dessen stärkste Auftritte in der stark besetzten Sportwagen-WM auffielen und weniger in den Formelklassen – und der eine persönliche Nähe zum Grazer Kumpel Rindt hatte; und schließlich der Jungspund Niki Lauda (21), der bis dahin mehr durch Crashes als durch Siege ins Blickfeld gerückt war. Jeder wusste von den Bemühungen der Anderen um ein Cockpit ganz oben.

Im Winter 1970/1971 war das Tauziehen um heimische Sponsoren voll im Gang. «Jeder gegen jeden, mit allen Tricks», konstatierte einer der wenigen Insider dieser Tage, der Journalist Helmut Zwickl.

Erstes Ziel war ein gutes Formel-2-Cockpit: Quester und Lauda gerieten einander bei March in die Quere, Quester als alter BMW-Mann kam mit Hilfe von Sponsor Günther Hennerici, dem Wohnwagenkönig, zum Zug. Marko setzte auf Lola.Mit dem dritten Gesamtrang (31 Punkte, ein Laufsieg in Jarama) hinter Ronnie Peterson und Carlos Reutemann war Quester eigentlich der prädestiniertere Rindt-Nachfolger; Lauda im March-Ford war mit acht Punkten Zehnter, Marko im Lola-Ford gar nur 20. (ein Zähler).

Lauda hatte da schon gewaltig mit Krediten mangels Sponsoren gepokert. Marko beteuert bis heute, dass er ni“ etwas fürs Rennfahren bezahlt hätte.

Aber dann kam der Juni und Le Mans, und mit einem Schlag war der Marathonmann Marko, der beim Triumph nach 5335 Kilometern im Martini Porsche 917 zwei Drittel der Distanz abgespult hatte (ein Drittel Gijs van Lennep), ein Star.

Damit war der Kampf ums Formel-1-Debüt beim Heimrennen am 15. August 1971 auf dem Österreichring (heute Red Bull Ring) in vollem Gang.

344 Tage nach Rindts Unfall debütierten zwei Nachfolger in der Topklasse.

Marko hatte das Scheingefecht um einen Platz bei John Surtees beendet, als sich nach dem folgenschweren 11. Juli – Pedro Rodríguez verunglückte auf dem Norisring tödlich im Ferrari 512 von Herbert Müller – die Chance bei BRM auftat.

Lauda konnte die Erste Österreichische Sparkasse und eine Jeansfirma (Levis) überreden, 2000 Pfund für das March-Cockpit freizugeben.

Markos BRM-Einsatz soll sich auf 3000 Pfund belaufen haben, die eine Werbeagentur aufbrachte. Aus der Steiermark kamen läppische 12.000 Schilling Zuschuss für den neuen Lokalmatador.

Und Quester blieb übrig, sein GP-Debüt – eine einmalige Sache, wie sich herausstellen sollte – passierte erst drei Jahre später, mit John Surtees und ebenfalls auf dem Österreichring.

Als die 22 Piloten am 15. August in den Großen Preis von Österreich starteten, war die WM de facto wegen des großen Vorsprungs von Jackie Stewart schon entschieden. Jo Siffert feierte seinen zweiten und letzten Sieg im BRM, Marko wurde im alten P153 Elfter mit zwei Runden Rückstand (die anderen BRM-Piloten Siffert, Peter Gethin und Howden Ganley fuhren den neuen P160).

Lauda kam aus der letzten Startreihe (er hatte seinen besten Motor im Training an Teamkollegen Peterson abtreten müssen, der Ersatz war ein schlechter Witz) nur 20 Runden weit, dann kollabierte das alte Triebwerk.

In Monza dann schied Marko nach drei Runden aus, wieder gewann BRM – im Fotofinish durch Peter Gethin. Lauda kam als 13. ins Ziel.

In den abschließenden Überseerennen war Lauda nicht dabei, Marko wurde in Mosport Zwölfter und konnte in Watkins Glen (13.) erstmals den P160 fahren.

Für 1972 sicherten sich beide ihre Cockpits: Lauda weiter bei March mit einem Kombiprogramm mit Formel 2 an der Seite seines Teamkollegen Peterson, Marko bei BRM.

Der Rest ist Geschichte: Der Grazer kam nur bis Clermont-Ferrand, als der Stein im Visier seine so vielversprechende Karriere als Fahrer beendete, mit einem Vorvertrag bei Ferrari in Griffweite. Lauda wurde 171 Grands Prix alt und gewann drei Titel.

Man kann auch sagen, Marko holte als graue Eminenz bei Red Bull Racing vier WM-Titel (2010–2013), und Lauda tat dies als Vorstands-Chef des Formel-1-Rennstalls von Mercedes noch sechs Mal (2014–2019) – 2019 freilich posthum, wie Jochen Rindt.

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