Valentino Rossi sucht das Glück

Formel 1 in Montreal: Beliebter als Monte Carlo

Kolumne von Elmar Brümmer
Abendstimmung gestern an der Place Jacques Cartier von Montreal

Abendstimmung gestern an der Place Jacques Cartier von Montreal

Warum kommen Fernando Alonso, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Nico Rosberg & Co. so gerne nach Kanada?

Ja, der Titel mag etwas merkwürdig vorkommen, aber wir stehen dazu: Montreal gibt uns mehr als Monte Carlo. Das hat der doppelte Formel-1-Städte-Test innerhalb von zwei Wochen bestätigt. Auch wenn für alle, die die Glamourbilder von der Côte d’Azur anhimmeln, das merkwürdig erscheinen mag.

Denn Montreal wirkt bei Tag wie ein Wohnzimmer am Morgen nach einer wilden Party. Nichts anderes ist es auch, zumindest wenn die Formel 1 in der Stadt ist. Pech nur, dass die diesmal die Temperaturen beinahe arktisch sind.

Aber umso inniger umarmen sich die riesige kanadische Fan-Gemeinde und die Formel 1. Zwei, die ohne einander nicht können, obwohl der angestrebte neue Zehn-Jahres-Vertrag noch nicht verlängert ist. (Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit.)

Den Locals gilt der Grand Prix als offizieller Sommeranfang. 75 Millionen Dollar spülen die Touristen während des Rennens in die Stadt. Der größte Gewinner sind wohl die örtlichen Verkehrsbetriebe, die am Wochenende weit über 300.000 Karten für die U-Bahn-Fahrt auf die Ile de Notre-Dame mitten im Sankt-Lorenz-Strom verkaufen. Dort werden nachmittags die PS-Helden bejubelt, später in der City feiern sich alle wieder selbst.

Ein Kreisverkehr der Ausgelassenheit.

Wenn man auf die Überreste der Weltausstellung von 1967 und der Olympischen Spiele von 1976 blickt, zu denen auch das Ruderbecken gehört, an welchem das Fahrerlager aufgeschlagen wird, versteht man den Nachholbedarf in Sachen Lebensfreude – und die etwas triste Kulisse des «Circuit Gilles Villeneuve».

Montreal ist nicht nur von bitterer Kälte im Winter gestraft (was sich im schrundigen Strassennetz bemerkbar macht), die Stadt ist auch bitterarm. Das verleiht der City und der Rennstrecke einen abbröckelnden Charme, komplimentiert durch die lange Geschichte samt Altstadt.

Die überperfektionierte Formel 1 fühlt sich genau von jener Nachlässigkeit, die gern als Lässigkeit interpretiert wird, angezogen. Als Anspruch Montreals gilt es, das Paris Nordamerikas zu sein.

«Bonne chance!» spottet der Paris.

«Stimmt genau», hält der Montreal-Besucher fest, mit dem Zusatz: «Ohne die Arroganz der Pariser.»

In der Innenstadt und in den Kneipenviertel ist zu spüren, was die Einheimischen «Buzz» nennen. Ein Vibrieren der Lebensfreude, weit angenehmer als die kreischenden Motoren, die für die viele Besucher zwar der Anlass, aber nicht die Hauptsache ihres Aufenthaltes sind.

Das Image der Formel 1, sexy zu sein, wirkt magisch. Aber eigentlich ist es die Nähe zwischen Sport und Stadt, die den eigenwilligen Zauber ausmacht.

Das eigentliche Ziel der meisten Piloten liegt heute fern der Zielflagge, es ist die sagenumwobene Party des bekennenden Formel-1-Süchtigen Guy Laliberté. Der befehligt die Artisten des Traumtheaters «Cirque du Soleil».

Und ein bisschen Sonne können alle gebrauchen an diesem Wochenende.

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