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Ayrton Senna: Google und Emerson Fittipaldi ehren ihn

Von Emerson Fittipaldi
Die Suchmaschine Google ehrt den unvergessenen Ayrton Senna – mit einem der so genannten Doodle. Senna wäre heute 54 Jahre alt geworden.

Als Google Doodle (deutsche für Gekritzel) wird die Veränderung des Google-Scuhmaschinenlogos bezeichnet. Seit 1998 wird das Logo zu besonderen Anlässen, wie Geburtstagen, Wahlen oder verschiedenen Jahrestagen, verändert. Meistens sind die Buchstaben noch zu erkennen. Zusätzlich sind diese Logos statt mit der Google-Homepage mit einer Suchanfrage mit dem entsprechenden Thema als Suchtitel verlinkt. Heute wird diese Ehre dem vielleicht grössten aller Formel-1-Fahrer zuteil – Ayrton Senna wäre am 21. März 54 Jahre alt geworden.

Aus diesem Anlass wiederholen wir hier eine Kolumne seines Landsmannes Emerson Fittipaldi.

Emerson Fittipaldi über Ayrton Senna

Bald jährt sich der Todestag von Ayrton Senna zum 20. Mal. Ich denke jedes Mal an Ayrton wenn ich nach Interlagos fahre, nicht zuletzt, weil es in Interlagos war, als ich ihn das erste Mal traf, 1976, als er gerade einmal 16 war. Ich testete dort mein Copersucar Formel-1-Auto und er und sein Vater Milton schauten mir dabei zu.

Ayrton fuhr an diesem Tag mit seinem Kart auf der Kart-Strecke in Interlagos, direkt neben dem Formel-1-Kurs, und wie üblich gewann er. Er hatte unlängst alles im brasilianischen Kartsport gewonnen, und deshalb hatte ich alles über ihn gehört. Seinen Vater kannte ich ebenfalls. Milton war ein erfolgreicher Mann, dem in und um Sao Paulo herum mehrere Fabriken gehörten.

Milton kam zu mir und bat mich um einen Ratschlag, und ich antwortete sofort: «Nimm Kontakt zu Ralph Firman auf», sagte ich. Ich meinte nicht Ralph Firman junior, der 2003 insgesamt 15 Grand Prix für Jordan absolvierte. Nein, ich meinte seinen Vater, Ralph Firman senior, der 1973 Van Diemen gründete – der legendäre und erfolgreiche Hersteller von Formel Ford Autos, mit Hauptsitz in der Nähe des Snetterton Circuit in Norfolk, und der mein Mechaniker war, als Jim Russell mich eingeladen hatte, im Rahmen der Guards Trophy in Brands Hatch sein Lotus 59 Formel-3-Auto zu fahren – es war mein erstes Formel-3-Event. Im ersten Rennen holte ich nichts, doch den zweiten Lauf konnte ich gewinnen und wurde im dritten Lauf Dritter: Insgesamt kein schlechtes Formel-3-Debüt.

Deshalb kannte ich Ralph ziemlich gut, und ich habe ihn sehr geschätzt, und ich war mir zudem sicher, dass er für Milton und Ayrton der richtige Mann sei, um den nächsten Schritt machen zu können. Genauer gesagt: den überaus wichtigen Schritt von Brasilien nach Europa. Der riesige Sprung also, den ich sieben Jahre zuvor etwas zögerlich vorgemacht hatte. Im Endeffekt war es ein guter Ratschlag: Milton kontaktierte Ralph, sie machten einen Deal, und Ayrton fuhr einige Jahre erfolgreich in Van Diemens Autos. 1981 gewann er die Britischen Formel Ford 1600 Meisterschaften in einem Van Diemen RF81.

Werbung im Fahrerlager

Ich wusste aber bereits, dass Ayrton etwas Besonderes war. Und das lange bevor er Formel-Ford-Champion wurde. Und manchmal meinte ich, einen Weg finden zu müssen, der ihm weiterhilft. 1980 bekam ich meine Chance. Damals fuhr ich auf dem Österreichring ein Formel-1-Rennen, während Ayrton im Rahmenprogramm im Formel Ford 2000 Rennen unterwegs war. Inzwischen war er 20, aber immer noch sehr schüchtern. Ich befand mich in meinem letzten Formel-1-Jahr und fuhr einen mir und meinem Bruder Wilson gehörenden Fittipaldi Boliden.

Im Laufe des Rennwochenendes bin ich mit Ayrton von einem zum anderen Ende der Pitlane gegangen und habe ihn jedem Teamchef vorgestellt. «Dieser junge Mann wird Weltmeister; vielleicht wird er sogar mehrmals Weltmeister», habe ich allen erzählt. Vielleicht dachten sie ich sei verrückt – oder aber, was wahrscheinlicher ist, sie dachten, ich mache subjektive Werbung für einen brasilianischen Landsmann. Ich wusste aber bereits, dass ich die Wahrheit sagte, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Leute fragen mich oft, was ich glaube, wer der größte Rennfahrer aller Zeiten war, und sie denken sofort, dass meine Antwort Ayrton sein müsste. Es ist extrem schwierig – vielleicht sogar unmöglich – Fahrer verschiedener Epochen zu vergleichen. Deshalb mache ich das wirklich nicht gerne.

Fittipaldis Helden

Meine Helden sind Jungs wie Tazio Nuvolari, der sogenannte «fliegende Mantuaner» der 20er und 30er Jahre, den Ferdinand Porsche einmal als den «größten Fahrer der Vergangenheit, Gegenwart und der Zukunft» beschrieb. Der so eindrucksvoll für Bugatti, Alfa Romeo, Maserati und letztendlich Auto Union fuhr. Oder Achille Varzi, Nuvolari’s guter Freund, der mehr als 30 Rennen für die gleichen Marken während der gleichen Zeit gewann. Rudolph Caracciola, der die Europäische Fahrer-Meisterschaft (dem Vorläufer der Formel-1-Weltmeisterschaft) für Mercedes-Benz 1935, 1937 und 1938 gewann. Bernd Rosemeyer, der in den 30er Jahren für Auto Union auf dem berüchtigten Nürburgring nahezu unschlagbar war. Einmal gewann er dort mit Höchstgeschwindigkeit trotz dichten Nebels. Juan Manuel Fangio, der in den 50er Jahren bei nur 51 Starts 24 Grand Prix und fünfmal den Formel-1-Titel gewann. Jim Clark, der zwischen 1962 und 1968 für Lotus zwei WM-Titel und 25 Grand Prix gewann. Jackie Stewart, dreifacher Weltmeister, mit 27 Siegen bei 99 Starts, den ich als den Rivalen meiner F1-Karriere nennen würde, den ich am meisten schätze. Michael Schumacher, der 91 Rennen und sieben WM-Titel gewann – ein Meisterwerk, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht von Sebastian Vettel überboten werden wird. Dem derzeitigen Megastar, der nun auch zu dieser Liste der Größten gehört, die ich gerne für Sie zusammengestellt habe.

Zweifellos gehört Ayrton auf diese Liste. Und, vielleicht weil er Brasilianer war wie ich und vielleicht weil er mein Freund war, freue ich mich, ihn den, ja, in meinen Augen, Größten aller Zeiten zu bezeichnen.

Er war unglaublich gut. Er ist berühmt für seinen unfassbaren, angeborenen Speed, aber seine außerordentliche Arbeitsethik wird oft unterbewertet. Er trainierte gewissenhaft, weshalb er immer sehr fit war. Er studierte die Daten mit seinen Ingenieuren mit äußerster Akribie, und er dachte dauernd über sein Handwerk nach. Klar, ihm wurde von Gott ein außergewöhnliches Können geschenkt. Aber er wusste, dass das alleine nicht genügen würde. Also hat er an seinem Talent gearbeitet, schliff und perfektionierte es. Deshalb benutze ich für sein Fahren eher das Wort «Handwerk» als «Fähigkeit» oder «Kunst».

Ja, er war fähig, ja, sein Fahren war kunstvoll. Aber der Grund, warum er so unglaublich erfolgreich war, war, weil er innerhalb und außerhalb des Cockpits ein Handwerker war, der im Bestreben, der Beste zu sein, keinen Stein auf dem anderen ließ. Er hat gelitten um seinen Erfolg einzufahren, daran gibt es keinen Zweifel.

Sennas beste erste Runde aller Zeiten

Was sein größtes Rennen war? Das kann ich nicht sagen, aber das, was mir sofort ins Gedächtnis springt, ist der Europa-Grand-Prix in Donington 1993. Er qualifizierte sich mit seinem unterlegenen McLaren MP4-8 mit einem Cosworth-Motor auf Platz vier, hinter Michael Schumachers Benetton B193 und den überlegenen Williams FW15Cs von Alain Prost und Damon Hill, die in der ersten Startreihe standen. Aber am Renntag, bei sintflutartigem Regen, war Ayrton unantastbar.

Ich habe das Rennen zuhause in Miami im TV gesehen, und ich war völlig hypnotisiert von Ayrtons erster Runde. Er hatte einen schlechten Start und fiel auf Platz fünf zurück, aber was ich in den nächsten 45 Sekunden auf dem Bildschirm sah, war pure Genialität. Da gibt es kein anderes Wort für.

Falls Sie es noch nie gesehen haben, tippen Sie ‘Ayrton Senna’s greatest lap in F1’ bei YouTube ein und seien Sie bereit, wirklich erstaunt zu sein. Er fand Grip an Stellen, wo niemand anderes auch nur daran dachte, dort zu suchen und schoss an Karl Wendlinger, der ihn beim Start überholt hatte, Schumacher, Hill und Prost vorbei. Einer nach dem anderen, und am Ende der Runde führte er das Feld mit einem komfortablen Vorsprung an.

Am nächsten Tag telefonierte ich mit ihm. «Ayrton, das war einfach unglaublich. Du wirst in deinem Leben nie wieder solch eine Runde fahren», sagte ich ihm. In meinem Ohr höre ich immer noch seine Reaktion, ein verlegenes, aber glückliches Kichern.

Ein Jahr später war er fort. Am 1. Mai 1994, dem Tag, als er beim Grand Prix in Imola in Führung liegend starb, testete ich in Michigan mein Penske-Mercedes IndyCar. Ich hatte gerade einen Stint mit vollem Tank begonnen, bestehend aus 28 Runden auf diesem wundervollen Kurs, wo durchschnittliche Runden in diesen fantastischen Einsitzern mit 230 km/h plus X die Norm waren. Ich war fokussiert, aufgekratzt, am Limit, glücklich.

Und dann hörte ich plötzlich meinen Teamchef im Funk: «Emmo, komm rein», sagte er.

Das war eine ungewöhnliche Anweisung, speziell während eines solchen Stints, also fragte ich: «Warum, stimmt etwas mit dem Auto nicht?»

«Nein, nein, nein, komm jetzt bitte rein», antwortete er.

Also kam ich rein, fuhr die Pitlane runter, stoppte das Auto vor der Penske Garage und fragte: «was ist los, Jungs?“.

«Deine Frau ist am Telefon und will mit dir sprechen», sagte mein Teamchef.

Ich hatte ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Ich vermutete, dass etwas Schlimmes mit unseren Kindern passiert sein musste – mir fiel kein anderer Grund ein, warum meine Crew einen Anruf meiner Frau als so wichtig behandelt wurde. Also sprang ich aus dem Auto und sprintete zur Garage, wo einer der Jungs das Telefon hielt.

«Was ist los? Ist etwas mit einem der Kinder?», fragte ich meine Frau.

«Nein», sagte sie, «es geht um Ayrton. Er ist heute in Imola gestorben.»

Mir fehlten die Worte. Ich habe auch jetzt keine Worte, überhaupt keine.

Tiefster Schmerz

Aber ich werde nun, knapp 20 Jahre später, versuchen auszudrücken, was ich fühlte. Ich fühlte tiefsten Schmerz, die größtmögliche Traurigkeit. Ok, ich wusste, dass Rennfahren gefährlich war, natürlich tat ich das. Aber vor dem armen Roland Ratzenberger, der in Imola einen Tag zuvor gestorben war, hatte die Formel 1 seit Elio de Angelis, der 1986 bei Tests in Paul Ricard starb, keinen Todesfall mehr erlebt. Und niemand war während eines Rennens gestorben seit Riccardo Paletti bei einem Startunfall in Montreal 1982 ums Leben gekommen war.

Daneben waren die Chassis der 1990er Formel-1-Autos aus einer superharten Karbonfaser-Konstruktion, die uns vielleicht in einer trügerischen Sicherheit wog. Wir haben erwartet, dass die Fahrer sogar nach großen Unfällen ganz lässig aus dem Wrack klettern, und normalerweise taten sie das auch genauso wie heute. Aber, wie ich sagte, ist Rennfahren gefährlich. Tief in unseren Herzen wussten und wissen wir es immer noch. Sogar ein Fahrer von Ayrtons Brillanz war und wird immer wehrlos sein, bei solch einem verrückten Unfall wie in der Tamburello Kurve in Imola 1994 nicht verletzt zu werden.

Ich schaute zur Penske Crew, stand in kleinlauter Trauer in der Garage in Michigan und sagte: «Ich kann nicht weitermachen Jungs, tut mir leid. Nicht jetzt. Nicht heute.»

Sie verstanden, Ayrton hatte erst ein Jahr zuvor ein Penske-Mercedes IndyCar getestet. Die Jungs, die vor mir standen, kannten Ayrton also, denn sie waren auch bei seinem Test dabei. Das half mir. Ich fühlte mich einsam aber nicht alleine. Andere um mich herum teilten meine Trauer, auch wenn ihr Verlust nicht so schmerzvoll war wie meiner. Ich musste den Tod eines Mannes, den ich, wie ich sagte, liebte und bewunderte, bewältigen.

Ich rief Roger Penske an. «Ich muss nach Hause, Roger», sagte ich.

«Das verstehe ich, Emmo», antwortete er, und ich flog noch am Abend zurück nach Miami. Auf dem Rückflug fühlte ich mich wie betäubt.

Die Erinnerungen an Ayrtons Begräbnis, das ein paar Tage später in Sao Paulo stattfand und dem drei Tage Staatstrauer folgten, werden immer bleiben. Drei Millionen trauernde Brasilianer säumten die Straßen, durch die sein Trauerzug führte – viele von ihnen weinten. Mir wurde gesagt, es ist immer noch die größte Versammlung von Trauernden in der modernen Welt.

«Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen»

Ich hatte die Ehre, einer von Ayrtons Sargträgern zu sein. Neben Jackie Stewart, Alain Prost, Gerhard Berger, Damon Hill und Rubens Barrichello. Wir begruben ihn auf dem Morumbi Friedhof in Sao Paulo, und auf seinem Grabstein steht die Legende: «Nada pode me separar do amor de Deus» («Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen»).

Ich war seit jenem Tag nicht mehr in der Lage, sein Grab zu besuchen.

Ich liebte Ayrton, ich bewunderte ihn, und ich war auch stolz auf ihn. Stolz, dass Brasilien einen solchen Champion hervorbrachte. 1969 kam ich von Brasilien nach England, war recht schnell erfolgreich und gewann WM-Titel 1972 (mit Lotus) und 1974 (mit McLaren).

Ich trat 1980 zurück, und mein Titel «Brasilianischer Champion» wurde umgehend von Nelson Piquet übernommen, der 1981 und 1983 mit Brabham sowie 1987 mit Williams den Titel gewann.

Und kaum begann Nelsons Stern zu sinken, betrat der Größte von uns die Formel-1-Bühne. Ayrton gewann all seine WM-Titel 1988, 1990 und 1991 mit McLaren, und sein Name und seine Aura werden immer Synonym für die wunderbaren rot-weißen Maschinen sein.

Das Ergebnis – das Erbe – ist die Wahrnehmung einer brasilianischen Formel-1-Kultur, die, wie ich hoffe, niemals sterben wird. Wir drei haben acht WM-Titel in gerade einmal 20 Jahren gewonnen, was eine beeindruckende Bilanz ist. Mein Bruder Wilson und unser Freund Carlos Pace, der 1977 starb und nach dem der Kurs in Interlagos benannt wurde, sollten für ihre früheren Verdienste ebenfalls geehrt werden. Genauso wie auch Rubens Barrichello und Felipe Massa, die jeweils elf Grand Prix gewonnen haben. Und in Felipes Fall kommen vielleicht noch welche hinzu. Ich hoffe es.

Aber, wie ich sagte, ist Ayrton der Größte von uns – und, fast 20 Jahre nachdem er uns genommen wurde, wird er in Brasilien mit einer unglaublichen Hingabe geliebt. Und, am Renntag an diesem Wochenende, wenn ich nach Interlagos komme, wenn ich dem Publikum zuwinke, werde ich nicht nur für mich, sondern auch für Ayrton winken, der 1991 und 1993 in Interlagos gewonnen hat. Beide Male mit McLaren. Zwei der stolzesten Tage meines Lebens.

Ich fühle Ayrtons Anwesenheit jeden Tag. Ich bete oft für ihn. Eines Tages, das weiß ich, werden wir uns wiedersehen.

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