Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Bahrain: Mercedes–Hamilton top, Renault geht Zeit aus

Von Mathias Brunner
Andere Fahrer, aber der grundsätzliche Eindruck bleibt: Die Mercedes-Teams sind gut im Testplan, die Renault-Rennställe nicht. Ferrari liegt irgendwo dazwischen.

Kennen Sie den? Was ist der Unterschied zwischen Formel-1-Testbetrieb in Barcelona und Bahrain? Auf der Tribüne von Barcelona kennt jeder Fan jeden Fahrer. Vor der Tribüne von Bahrain kennt jeder Fahrer jeden Fan ...

Erstmals beim 2014er Bahrain-Test durften heute die Fans zugucken, für umgerechnet 10 Euro Eintritt. Wir würden jetzt nicht sagen, dass der Umsatz gewaltig gewesen ist. Mein Kollege Tobias Grüner von «auto motor und sport» zählte 177 Fans. Da sind wohl die meisten als Sitzschalen verkleidet gekommen, denn unsere Zählung fällt für die Organisatoren noch jämmerlicher aus. Dabei gab es viel zu sehen.

Der kraftvollste Eindruck von heute: Das halbe Fahrerfeld ist ausgewechselt worden, aber in Sachen Motoren hat sich überhaupt nichts geändert – wieder werden vier der schnellsten fünf Autos von Mercedes-Turbos betrieben, mit einem Ferrari-befeuerten Renner (heute nicht der Werkswagen, sondern Gutiérrez im Sauber) als Störfaktor. Das sind längst keine Test-Anomalien oder Zufälle mehr, das ist ein handfester Trend, dem Sie vertrauen dürfen.

Renault-Partner weiter in Sorge

Erneut bewegen sich die Topteams Red Bull Racing und Lotus eher im Trab als im Galopp, wenn wir Rundenausbeute und Zeiten der Mercedes-Renner als Massstab heranziehen.

Keiner bei Renault bestätigt es, aber im Fahrerlager von Bahrain macht die Runde: Die Franzosen betreiben ihren Antriebseinheiten im Schongang, mit mindestens 100 PS weniger als die Konkurrenz, um nicht noch grössere Probleme zu haben. Der leitende Ingenieur Rémi Taffin hatte nur zugegeben, dass man noch «weit vom Limit entfernt ist». Mehr dazu lesen Sie  HIER

Doch Renault-Motorenchef Rob White beteuert: «Ich sehe keinen Grund, wieso wir den heutigen Rückstand nicht aufholen sollten.»

Viel Zeit bleibt den Franzosen nicht: am 28. Februar müssen die drei Motorenhersteller ihre Triebwerksspezifikation beim Autoverband FIA deponiert haben. Dann kann nur noch nachgebessert werden, «aus Gründen der Standfestigkeit, Sicherheit oder Kostenersparnis», wie das Reglement präzisiert. Von Leistung steht da nichts. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass einem Hersteller – unter Information der anderen Motorenproduzenten – erlaubt wird, an Leistung nachzulegen. Das war vor Jahren schon bei Honda so und später auch bei Renault.

Ex-Renault-Chefingenieur Pat Symonds hat seine eigene Theorie, wieso sich die Franzosen derzeit so schwertun: «Als in der Formel 1 die Entwicklung der V8-Motoren eingefroren wurde, ist bei Renault Sport die Belegschaft verringert worden. Das rächt sich nun bei der Entwicklung der neuen Antriebseinheiten in Sachen Ressourcen. Auf der anderen Seite weiss ich genau, welch helle Köpfe dort beschäftigt werden. Die packen das schon.»

Die Frage ist nur, wann ...

An einem Teil der Lotus-Probleme mit Pastor Maldonado war Renault freilich heute unschuldig: das Getriebe machte Mucken. Kein Auto blieb heute öfter stehen als der Lotus.

Möglicherweise ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Hinterbänkler Caterham erneut am meisten Runden mit einem Renault-Motor drehte. Der grüne Renner ist gewiss nicht der Hübscheste, doch scheint er die Probleme Vibrationen und Hitze-Entwicklung am besten zu verdauen. Während GP-Rookie Marcus Eriksson noch fleissig Runden drehte, wurde Daniel Ricciardos RBR-Renner eine Fussballspiellänge vor der karierten Flagge bereits zerlegt – Feierabend für den Australier.

Für Eriksson war das wichtig: damit hat er in Formel-1-würdigem Tempo die erforderlichen 300 Kilometer zur Erlangung der Superlizenz abgespult!

Mercedes wieder bärenstark

Lewis Hamilton (Mercedes) hat mit seiner eindrucksvollen Bestzeit klargemacht, wo die Silberpfeile stehen: ganz vorne. Zumal der Brite die bisher beste Zeit der Bahrain-Tests nicht einmal mit der weichsten Reifenmischung gefahren hat. Die wäre nochmals sieben Zehntelsekunden wert.

Sorgenfrei ist aber an diesem Tag auch Lewis nicht: Hydraulikschaden.

Christian Horner, Teamchef von Red Bull Racing: «Der Eindruck stimmt schon, dass Mercedes derzeit am stärksten ist. Aber die Saison ist lang.»

Mercedes hat nun fast genau drei Mal so viele Testrunden zurückgelegt wie Red Bull Racing ...

Bei Williams spulte Valtteri Bottas am Morgen 55 Boxenstopps herunter, am Nachmittag übernahm Felipe Massa, um an der Abstimmung zu arbeiten und Reifenversuche zu fahren.

Jenson Button widmete sich im McLaren einer Rennsimulation. Nur der Weltmeister von 2009 konnte einigermassen mit seinem früheren Stallgefährten Lewis Hamilton mithalten.

Nur Sergio Pérez hatte an diesem Tag aus dem Mercedes-Lager grössere Probleme: im Force India streikte die Batterie.

Auch Ferrari mit Problemen

Bei Ferrari kam Kimi Räikkönen kaum zu Fahren, weil es Probleme mit der Datenaufzeichnung, Getriebeprobleme, Schwierigkeiten mit der Steuer-Elektronik gab und der Sitz des Finnen noch immer nicht optimal ist.

Im Ferrari-befeuerten Max Chilton gingen die Warmleuchten an: Anomalie der Antriebseinheit. Der Brite erhielt den Befehl, den Motor auszuschalten. Seither haben wir den Marussia-Renner nicht mehr auf der Bahn gesehen – eine neue Antriebseinheit muss eingebaut werden.

Die Testverhältnisse werden immer realistischer: weil sich der Wind fast ganz gelegt hat, kletterte die Temperatur heute auf 24 Grad (Luft) und annähernd 40 auf dem Asphalt. Rückschlüsse für den kommenden Bahrain-GP vom 6. April lässt das nur bedingt zu – zum 10. Jubiläum des ersten WM-Laufs im Mittleren Osten wird der Grand Prix als Nachtrennen ausgetragen.

Bahrain-Test, Tag 3

1. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W05, 1:34,263 (67)
2. Jenson Button (GB), McLaren MP4/29-Mercedes?, 1:34,976 (103)
3. Felipe Massa (BR), Williams FW36-Mercedes?, 1:37,066 (60)
4. Esteban Gutiérrez (MEX), Sauber C33-Ferrari?, 1:37,180 (95)
5. Sergio Pérez (MEX), Force India VJM07-Mercedes, 1:37,367 (57)
6. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari F14 T, 1:37,467 (44)
7. Daniil Kvyat (RU), Toro Rosso STR9-Renault?, 1:38,974 (57)
8. Pastor Maldonado (YV), Lotus E22-Renault?, 1:39,642 (26)
9. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB10-Renault, 1:40,781 (28)
10. Marcus Ericsson (S), Caterham CT05-Renault, 1:42,130 (98)
11. Max Chilton (GB), Marussia MR03-Ferrari, 1:46,672 (4)
12. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW36-Mercedes?, ohne Zeit (55) *
* Nur Boxenstopps geübt

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