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Ferrari von Vettel und Räikkönen: Wo ist Sündenbock?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel in seinem Ferrari

Sebastian Vettel in seinem Ferrari

Der Druck auf Ferrari steigt, denn am Silverstone-GP-Wochenende war wieder Williams zweite Kraft hinter Mercedes, nicht mehr Ferrari. In Italien werden Gründe für die Stagnation gesucht.

Seit dem Grossen Preis von Kanada fährt Williams – zum Ende der Saison 2014 die Nummer 2 hinter Mercedes – wieder auf Augenhöhe mit Ferrari. Hinter dem bisherigen und kommenden Markenweltmeister Mercedes-Benz (371 Punkte) folgen Ferrari mit 211 Zählern und Williams-Mercedes mit 151 Punkten. In der Form von England muss damit gerechnet werden, dass das englische Traditionsteam den berühmtesten Rennstall der Welt noch einholen wird. Dazu müsste Williams im Schnitt nur einen Hauch mehr als sechs Punkte pro Rennen gutmachen, über den Zeitraum der letzten zehn WM-Läufe in diesem Jahr. Das liegt durchaus drin.

In Italien wird gemutmasst, wo die Gründe für die Stagnation herrühren könnten. Der zum Kanada-GP hin verbesserte Motor habe nicht entscheidend geholfen, um auf das Niveau der Mercedes-Aggregate zu gelangen. Die aerodynamischen Verbesserungen seien nicht durchs Band Volltreffer. So wie am Mercedes oder bei Williams. Und überhaupt versuche Ferrari oft viel zu viel auf einmal, statt bei der Entwicklung Schritt um Schritt zu gehen.

Es wird auch vermutet, das grösste Problem sei eine Altlast – jene Zugstreben-Vorderradaufhängung, die auf dem Mist des inzwischen entlassenen Designers Nicholas Tombazis gewachsen sei. Ist dieser Vorwurf berechtigt?

Nicholas Tombazis als Sündenbock?

Als technische Grundlage: Schub- oder Zugstreben übertragen die Radbewegungen auf die Feder-/Dämpfer-Einheiten, diese Bewegung der am Querlenker angebrachten Streben wird via Kipphebel übertragen.

Die vom damaligen Brabham-Designer Gordon Murray Ende der 70er Jahre eingeführte Zugstreben-Lösung (englisch: pull rod) hatte vor allem einen Vorteil – weil die Strebe weiter unten angebracht ist und auch die Feder-/Dämpfer-Einheit näher am Boden eingebaut werden kann, sinkt der Schwerpunkt des Autos.

Vor Ferrari 2012 hatte sich Minardi 2001 als zuvor letztes Team für eine solche Vorderradaufhängung entschieden. Als Ferrari beim Modell F2012 zur Zugstrebe zurückkehrte, nannte der frühere Ferrari-Technikchef Pat Fry auch Gewichtsersparnis als Vorteil.

Dritter Vorteil, gewiss einträglicher als das Gewicht: Eine Zugstrebe lässt sich aerodynamisch günstiger platzieren – sie verläuft am Ferrari fast waagerecht, während die von der Konkurrenz verwendeten Schubstreben viel steiler im Wind stehen.

Die Frage hat jedoch bis heute Brisanz: Wiegen diese Vorteile denn wirklich die Nachteile auf?

Es fällt jedenfalls auf, dass kein einziger Gegner der Ferrari-Lösung gefolgt ist. Ganz anders als bei der Hinterradaufhängung, als Red Bull Racing-Technikchef Adrian Newey nach fast 30 Jahren Schubstreben (push rod) an der Hinterachse mit dem Modell RB5 auf einmal zu Zugstreben wechselte – und die Gegner nach und nach mitzogen.

Das grösste Problem der Zugstrebe von Ferrari: eingeschränkte Möglichkeiten der Feinabstimmung und verringertes Fahrgefühl. Fernando Alonso konnte 2014 damit leben, Kimi Räikkönen nicht. Anders formuliert: es ist mit einer Schubstrebenlösung einfacher, ein gutes Handling in langsamen und schnellen Kurven auszutüfteln als mit dem pull rod.

Aber im Winter gelang Ferrari mit der heiklen Zugstrebenlösung ein Durchbruch. Kimi Räikkönen kommt mit dem Handling des 2015er Autos gut klar, Alonso-Nachfolger Sebastian Vettel ebenfalls.

Und Ferrari-Technikchef James Allison sagte im vergangenen Winter, auf die verschiedenen Aufhängungsprinzipien angesprochen: «Jedes Jahr machst du dir Gedanken darüber, in welchen Bereichen du den Wagen verbessern willst. Solche grundsätzlichen Entscheidungen müssen recht vorsichtig gefällt werden. Denn wenn du dich entschliesst, an einem gewissen Teil des Wagens zu arbeiten, dann fehlen die Ressourcen vielleicht, um einen anderen Teil zu verbessern. Du musst also sehr weise wählen, wo du arbeiten willst und was diese Veränderung auf der Stoppuhr bringen kann. Zug- oder Schubstreben an der Vorderradaufhängungen haben beide ihre Vor- und Nachteile. Zugstreben sind schwieriger, was den Leichtbau und die Steifigkeit angeht. Dafür bieten sie aerodynamische Vorteile. Wir hatten 2014 nicht den Eindruck, dass das Zugstrebenprinzip ein wahres Problem des letztjährigen Ferrari gewesen ist. Also fanden wir, wir arbeiten lieber an anderen Bereichen.»

Vielleicht liegt das grundsätzliche Problem aber auch ganz woanders.

Marc Surer: «Es liegt an den Reifen»

Sky-Formel-1-Experte Marc Surer sagt im Gespräch mit SPEEDWEEK.com: «Es fällt mir auf, dass Ferrari immer dann weniger konkurrenzfähig ist, wenn die harten Reifen verwendet werden. Das haben wir in Barcelona gesehen und nun wieder in Silverstone – mit diesen Walzen fährt Ferrari unter ihrem eigentlichen Niveau. Mit weicheren Reifen ist Ferrari tendenziell stärker. In Spanien hiess es: vielleicht habe Ferrari in Sachen Entwicklung verwachst, die neuen Teile funktionierten wohl nicht. Aber beim nächsten Rennen war Ferrari bei der Musik. Also steht für mich der starke Zusammenhang zwischen Darbietung von Ferrari und Reifentyp fest.»

«Ferrari bringt besonders bei etwas kühleren Bedingungen diese Reifen nicht oder nur schleppend zum Funktionieren. In Österreich ist zwar mit anderen Reifenmischungen gefahren worden, aber da war es am Sonntag für den Geschmack des Ferrari einfach zu kühl. Ferrari hat bei harten Reifen nur dann einen Vorteil, wenn die Temperaturen hoch sind und diese Walzen an anderen Autos zu überhitzen beginnen. Der Ferrari geht mit den Reifen verhältnismässig behutsam um und hat dann einen Vorteile – siehe Sieg in Malaysia.»

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