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Carlos Sainz schwindelig: Starterlaubnis zu riskant?

Von Joe Saward
Ist Carlos Sainz zu früh wieder in den Rennwagen gestiegen?

Ist Carlos Sainz zu früh wieder in den Rennwagen gestiegen?

​Der Madrilene Carlos Sainz erhielt trotz seines schweren Unfalls am Samstagmorgen in Sotschi die Startfreigabe für den Russland-GP. Nachher klagte er über Schwindelgefühle.

Ich fand es nach dem Russland-GP etwas beunruhigend zu hören, und das wohlgemerkt aus dem Munde des Rennfahrers selber: Carlos Sainz junior hat sich vor dem Russland-GP und auch in den frühen Stadien des Rennens auf dem Olympiagelände von Sotschi «ein wenig schwindelig» gefühlt.

Zur Erinnerung: Der Spanier war nach einem Fahrfehler links in eine Mauer geprallt, dabei wurden beide Bremskreisläufe des Wagens unterbrochen, und der Toro-Rosso-Renner rutsche geradeaus in die TecPro-Barrieren, ein Teil davon blieb auf dem Rennwagen liegen.

Sainz’ Körper musste eine Verzögerung von 46g ertragen, der Spanier war jedoch die ganze Zeit über bei Bewusstsein. Er wurde ins Krankenhaus geflogen, am Abend schon wieder entlassen, am Sonntagmorgen gaben dann die Ärzte am Rennplatz grünes Licht zum Start – Jean-Charles Piette als leitender medizinischer Delegierter der FIA, Rennarzt Ian Roberts sowie Sergy Papiyants als Chefarzt des Veranstalters.

Ich bin kein Arzt. Ich bin aber lange genug in der Formel 1, um alle möglichen Arten von Kopfverletzungen erlebt zu haben. Daher war ich ein wenig überrascht davon, dass Sainz am Sonntag die Startfreigabe erhielt.

Das Problem mit Gehirnerschütterungen: Sie sind weder einfach zu definieren noch zu diagnostizieren. Eine solche Verletzung kann durch einen Schlag kommen, aber auch durch heftiges Schütteln des Kopfes, das englische Wort «concussion» stammt nicht zufällig vom Lateinischen «concutere» ab, heftig schütteln.

Neurologen sagen: Eine Gehirnerschütterung ist die am weitesten verbreitete und am wenigsten gefährliche Hirnverletzung. Zu unterschätzen ist sie trotzdem nicht. Die Symptome können höchst unterschiedlich sein – Sehprobleme, Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, Verwirrung, Sprachstörungen, Tapsigkeit, Kopfschmerzen, Anfälligkeit auf Licht, Schwindel, sogar Gedächtnisverlust.

Ich erinnere mich an den Unfall von Martin Brundle im Abschlusstraining zum Monaco-GP 1984. Er rannte scheinbar okay zurück ins Fahrerlager und kletterte ins Auto. Dann fragte er Teamchef Ken Tyrrell, auf welcher Rennstrecke er eigentlich sei.

Und als Adrian Campos in Monaco mal einen schweren Unfall hatte, beugte sich der damalige Rennarzt Sid Watkins ins Auto und fragte: «Adrian, wo sind wir?» Campos gab zur Antwort: «In Madrid, wieso?» Er wurde nicht wieder ins Rennauto gelassen.

Weil jedoch die Symtome und zeitliche Abläufe komplett von Mensch zu Mensch verschieden sind, kann es dazu kommen, dass Menschen eine Gehirnerschütterung erlitten haben, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Was die Mediziner in jüngerer Vergangenheit besser erforschen, etwa in Form gross angelegter Studien in der National Football League und auch in der nordamerikanischen Hockeyliga: Was mit dem Hirn passiert, wenn es zu mehreren Gehirnerschütterungen in Folge kommt. Es gilt inzwischen als erwiesen, dass dies zu schwerwiegenden Verletzungen oder gar zum Tod führen kann.

Aus Sicht von Sainz ist das klar: Ein Racer will immer fahren. Aber normalerweise gehen die Ärzte nach einem grossen Unfall mit noch grösserer Vorsicht vor, weil sie Angst vor einer Gehirnerschütterung haben. Und wenn ich höre, was Sainz nach dem Rennen sagte, dann klingt mir das nicht so, als sei Carlos gänzlich unversehrt geblieben.

Der bekannte Rennmediziner Dr. Steve Olvey sagt: «Wir merken oft nicht, dass jemand eine Gehirnerschütterung erlitten hat, weil einige Symptome erst nach 24 oder 48 Stunden auftreten. Wir müssen daher sicherstellen, dass ein Sportler nicht zu früh zurückkehrt.»

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