Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Motorkrise: FIA und Teams ersticken am eigenen System

Von Mathias Brunner
Was machen die Formel-1-Motorhersteller?

Was machen die Formel-1-Motorhersteller?

​Beim Gipfeltreffen der Motorhersteller steht viel auf dem Spiel: Entwicklung der Motoren, Kostenfrage, Rettungsleine für die Red-Bull-Teams. Aber FIA und Teams ersticken am eigenen System.

Die Formel 1 steht vor einer Zerreissprobe. Inzwischen dürfte bei allen im teuersten Zirkus der Welt der Groschen gefallen sein, dass Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz es mit dem Ausstieg aus dem GP-Sport sehr ernst ist. Und Schwarzmaler befürchten: Renault könnte beim Kauf von Lotus in letzter Minute noch einen Rückzieher machen, dann stünde Lotus vor dem Nichts. Dem Sport könnten auf einen Schlag sechs Autos verloren gehen.

FIA, Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone und die Rennställe tragen alle eine Mitschuld an der Misere: Entweder sind die falschen Entscheidungen getroffen worden, oder man hat zu lange gezögert, um die Krise abzuwenden. Nun befinden sich die Hauptdarsteller in einer Zwickmühle – und ersticken am eigenen System.

Ausgangslage geprägt von Eigeninteressen

Die Ausgangslage ist überaus kompliziert und geprägt von Eigeninteressen.

Im Grunde haben wir ein Motorreglement, das der Formel 1 von den Herstellern aufgezwungen worden ist. Wäre es nach den Fans gegangen, hätten wir im Heck der Rennwagen noch immer die herrlich lauten V8-Saugmotoren. Aber nein, Renault und Mercedes drängten auf die Einführung von Hybridtechnik, Honda war nur mit einem neuen Reglement in den GP-Sport zu locken.

FIA-Chef Jean Todt fand eine Energie-effizientere Formel 1 prima, das passt zum grünen Mäntelchen, das der Franzose seinem Autoverband umhängen will. Was der Präsident dann verschlafen hat: Den Motorherstellern tiefe Preise für die Kunden aufzudrängen. Das ist einer der Hauptgründe wieso Caterham und Manor 2014 in die Zahlungsunfähigkeit schlitterten und sich Rennställe wie Sauber und Lotus am Rande des Ruins wiederfanden.

Reglement zu wenig durchdacht

Das Motorreglement mit einer stufenweise eingeschränkten Entwicklung ist aus Kostensicht richtig. Was die Regelmacher dabei zu wenig beachteten: Hat ein Hersteller – so wie heute Mercedes – die Nase vorn, ist es für die anderen Hersteller unheimlich schwierig, Boden gut zu machen.

Ferrari fand dann eine Lücke im Reglement, um das FIA-Gesetz zu umgehen. Die Folge: Es durfte 2015 innerhalb der Saison entwickelt werden. Nur so war es möglich, dass Ferrari auf Mercedes stattlich Boden gutmachen konnte, nur so war es möglich, dass Mercedes in Monza einen Versuchsmotor im Hinblick auf 2016 gebracht hat. So wie das Ferrari für Austin plant.

Im heutigen Reglement für 2016 ist nun verankert, dass es nach Ende Februar des kommenden Jahres keine Entwicklung im Laufe der Saison mehr geben wird. Ein 2016er Motor muss also bis Ende Februar fertig entwickelt sein, bis dann also müssen die 25 Entwicklungswertmarken (die so genannten Token) umgesetzt worden sein (2015 durften noch 32 Token eingesetzt werden).

Wieso Vorjahresmotoren der falsche Weg sind

Mit diesem Passus wäre es auch unmöglich für die Hersteller, den Rennställen Vorjahresmotoren zu einem günstigeren Preis abzugeben. Formel-1-Fans sehen das nicht ungerne: Denn Vorjahresmotoren würden den GP-Sport noch mehr zu einer Klassengesellschaft machen als sie es heute schon ist. Wie sollen private Teams wie Force India und Sauber den besten Rennställen ein Schnippchen schlagen, wenn sie schwächere V6 einsetzen müssen?

Die Formel 1 wäre nicht die Formel 1, könnte man sich nicht über die eigenen Gesetze hinwegsetzen.

Tatsächlich machen sich heute Donnerstag in Genf Ferrari, Honda und Renault dafür stark, dass auch 2016 innerhalb der Saison entwickelt werden darf. Sie hoffen damit, zu Leader Mercedes aufschliessen zu können.

Aus Sicht von Mercedes ist das natürlich wenig wünschenswert. Wieso soll man einen Vorsprung preisgeben, den man sich mit viel Gehirnschmalz und noch mehr Geld erarbeitet hat?

Reglement 2016 klar, aber alles steht in Frage

Aber Weltmeister Mercedes versucht auch, an das grössere Bild und ans Wohle des Sports zu denken. Innerhalb des Hauses wird auch argumentiert: Wird die Entwicklung gelockert, profitieren wir selber ja auch davon. Siehe Evo-Motor in Monza.

In Genf geht es nicht nur um die Aushebelung des Entwicklungsstopps, es geht auch darum, wie viel denn entwickelt würde. Ferrari, Renault und Honda wollen so viele Wertmarken einsetzen wie 2015, also 32. Es wird auch darum gerungen, welche Bereiche des Motors davon betroffen sein sollen.

Handikapformel wäre eine Bankrotterklärung

Es ist sogar von der Einführung einer Handikapregel für Saugmotoren die Rede. Womit ein Rennstall den günstigeren V8-Sauger einsetzen könnte. Aus Kostensicht ist das eine gute Idee, leider kommt sie zwei Jahre zu spät. An den Saugern ist seither nichts gemacht worden, niemand weiss, wie gerecht ein wie immer geartetes Handikap für Sauger mit abgespeckter

Energierückgewinnung aussehen soll, inzwischen haben wir Mitte Oktober, und das macht den Umbau von Rennwagen nicht einfacher. Ganz abgesehen davon, dass ein solcher Schritt zurück für die FIA das Eingeständnis wäre, grundlegend etwas falsch gemacht zu haben.

Jede Reglementsänderung ist nur dann möglich, wenn sämtliche zehn gegenwärtigen Formel-1-Rennställe zustimmen. Das ist brisant, denn das bedeutet: Wollen die Motorhersteller mehr Entwicklung, müssen alle Teams einverstanden sein. Auch jene beiden von Red Bull, die derzeit ohne Motoren dastehen.

Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?

Noch ist es völlig unklar, wie dieser gewaltige Gordische Knoten der Formel 1 zerschlagen werden soll.

Früher hätte Bernie Ecclestone zum Schwert gegriffen. Heute wirkt der 84-Jährige hilf- und machtlos. Seine Aussagen in Sotschi waren verwirrend. Einmal sprach der greise Brite davon, dass wir uns keine Sorgen machen müssten und wir 2016 ein volles Startfeld von 22 Autos hätten, kurz darauf musste der Baumeister der modernen Formel 1 zugeben, dass er niemanden zu etwas zwingen könne.

Nun wäre gesunder Menschenverstand gefragt. Und der müsste gebieten: Es gilt, Motoren für alle Teams zu finden, weil (Sympathien für Red Bull hin oder her) die Formel 1 mehr Teams braucht nicht weniger Rennställe mit dritten Autos. Die FIA müsste die Muskeln spielen lassen, um Kosten zu deckeln und Chancengleichheit sicherzustellen. Und einige Herren müssten über ihre Egos springen, um zum Wohle des Sports zu handeln.

Ob die Beteiligten dazu die Grösse und Weisheit haben, wird sich zeigen.

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