Valentino Rossi sucht das Glück

Luca Boscoscuro: «Qualität wichtiger als Quantität»

Von Günther Wiesinger
Speed Up-Teambesitzer Luca Boscoscuro erklärt, warum er nicht mehr acht Bikes im Moto2-WM-Feld haben will wie 2013. Er tritt 2022 nur mit Romano Fenati und Fermin Aldeguer an.

Speed Up-Teambesitzer Luca Boscoscuro hat 2020 und 2021 in der Moto2-Weltmeisterschaft vier statt zwei Motorräder eingesetzt. In seinem Werksteam fuhren im Vorjahr und 2021 Fabio Di Giannantonio und Jorge Navarro, dazu wurde in beiden Jahren das  das Moto2-Team von Jorge «Aspar» Martinez beliefert. Das 2021 mit Aron Canet (Rookie of he Year 2020) und Moto3-Weltmeister Albert Arenas fuhr.

Obweohl sich in den letzten Jahren Suter, KTM und jetzt auch NTS aus der Moto2-WM zurückgezogen habe, strebt Luca «Boscos» Boscoscuro nicht nach immer mehr Bikes in Kundenteams. «Ich will nicht möglichst viele Fahrer im Feld haben», betonte der Moto2-Motorradhersteller im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Für mich ist wichtig, dass das Projekt eines Kundenteams erfolgversprechend ist und dass dort Fahrer unter Vertrag sind, zu denen man Vertrauen haben kann und die vorne mitfahren können. Es ist für mich kein Problem, wenn ich 2022 nur zwei Fahrer im Startfeld habe.»

Die Marke Speed Up wurde im März 2021 auf Boscoscuro umgetauft, der begriff Speed Up blieb als Name für das Werksteam, das 2021 mit Jorge Navarro und Yari Montella in die WM ging, und den erfolglosen Nachwuchsfahrer durch den erst 16-jährigen Fermin Aldeguer ersetzt, der in der MotoE für Aspar antrat und in der Moto2-EM den Titel für das Boscoscuro-Junior-Team vor seinem Teamkollegen Alonso Lopez gewann. Aldeguer bildet 2022 neu auch von Anfang das Moto2-WM-Team bei Speed Up.

Der italienische Hersteller hielt 2018 oft noch mit KTM mit, denn damals war Fabio Quartararo das Speed Up-Aushängeschild, er siegte in Catalunya und in Motegi. In Japan wurde er jedoch disqualifiziert, weil der Luftdruck im Hinterreifen nach dem Rennen um 0,05 bar zu gering war.

Als Nischenhersteller fand Boscoscuro in der Vergangenheit immer wieder talentierte Moto2-Fahrer, auch seine Bikes waren immer konkurrenzfähig, dabei verfügt Speed-up nur über drei Chassis-Designer. 2018 leistete sich Speed-up als einziger Hersteller kein Testteam, als die erste Saison mit den Triumph-Motoren vorbereitet wurde. Trotzdem wurde der erste Prototyp mit dem Triumph-765-ccm-Dreizylinder-Motor ein Volltreffer. Boscoscuro: «Wir haben 2018 mit dem neuen Bike keinen einzigen privaten Test gemacht. NULL!»

Der ehemalige 250-ccm-Europameister Boscoscuro lieferte damals auch eine einleuchtende Begründung für seinen Verzicht auf ein Testteam. «Erstens findest du keinen wirklich schnellen Testfahrer. Und wenn sie zu langsam sind, liefern sie nur falsche Informationen. Wir haben lieber in Ruhe entwickelt und das 2019-Motorrad erst beim ersten offiziellen IRTA-Test im November in Jerez auf die Strecke gebracht. Dann hatte ich auch gleich meine zwei Stammfahrer für 2019 im Sattel und konnte mit brauchbarem Feedback rechnen.»

«Boscos» hat nach seiner Rennfahrerkarriere von 2005 für Aprilia und Gilera gearbeitet und sich nach dem Rückzug von Aprilia aus der Moto2-WM (die Italiener stoppten das Projekt im Winter vor der Saison 2010) kurzfristig für die Entwicklung von Eigenbau-Maschinen entschlossen.

Trotz überschaubarer Budgets hat Boscoscuro immer wieder talentierte Fahrer entdeckt und aufgebaut. «Iannone, Pol Espargaró und 2018 Fabio Quartararo sind für mich gefahren. Sie haben dann ihren Weg in der MotoGP gemacht. Ich gebe allen Fahrern Zwei-Jahres-Verträge für die Moto2. Aber bei einem MotoGP-Angebot können sie nach einem Jahr aussteigen, das habe ich auch Quartararo ermöglicht. Dabei hätte ihm eine zweite Moto2-Saison bei mir nicht geschadet… Und es freut mich ja, wenn ich sagen kann: 'Meine Schützlinge und ich, wir haben einen guten Job erledigt.'»

KTM zog sich nach 2019 aus der Moto2-WM zurück, die Österreicher rüsten in der letzten Saison neun Fahrer aus. Doch Boscoscuro wollte seinen Marktanteil in der WM nicht dramatisch vergrößern. «Man erinnert sich vielleicht, dass ich 2013 acht Fahrer eingesetzt habe. Aber inzwischen behaupte ich: Die Qualität ist wichtiger als die Quantität. Ich glaube auch nicht daran, dass man mit zusätzlichen Teams mehr Geld verdienen kann. Du willst jedes Team bestmöglich unterstützen, du investierst also viel, ich will ja für jeden Rennstall das Maximum leisten. Ich gratuliere Kalex, sie rüsten jedes Jahr mehr als 20 Fahrer aus und leisten erstklassige Arbeit. Aber wie gesagt: Ich will nur erstklassige Projekte. Klar, Kalex gewinnt fast immer. Aber auch die letzten im Feld sind oft auf Kalex unterwegs. Das wäre für mich nicht reizvoll.»

Den KTM-Rückzug aus der Moto2-WM bedauerte Boscoscuro. «Das war schlecht für mich. Denn wenn ich das KTM-Werksteam besiegt habe, hat das unsere Performance aufgewertet. Es sorgt für mehr Befriedigung, wenn ich so ein namhaftes Werk schlagen kann.»

Boscoscuro sparte 2019 nicht mit Kritik in Richtung KTM und WP Suspension. «Die Österreicher sind mit WP in die Moto2-WM eingestiegen. Ich habe ihr WP-Material von 2015 bis 2017 verwendet. Sie haben dadurch wertvolle Daten abgesaugt und viele Set-up-Informationen und zur Bike-Geometrie bekommen», ist Luca überzeugt. «Als mir dann bewusst geworden ist, was da läuft und als sie mit einem eigenen Motorrad in die Moto2-WM gekommen sind, bin ich 2018 zu Öhlins zurückgekehrt. Öhlins hat viele kostbare Informationen der Moto2-Teams. Aber bei ihnen muss ich nicht befürchten, dass sie ein eigenes Motorrad bauen…»

Für den bewährten Talent-Scout Boscoscuro wäre Brad Binder trotzdem 2019 ein verdienter Moto2-Weltmeister gewesen. Aber er verspielte den Titel mit Red Bull Ajo KTM knapp an Alex Márquez und Marc VDS. «Brad Binder war 2019 der weitaus beste Moto2-Fahrer im Feld», ist Luca überzeugt. «Der Südafrikaner gewann Rennen, obwohl sein Motorrad auf der Piste zu den unruhigsten im Feld gehörte. Das sah jeder, der draußen auf der Strecke zugeschaut hat.»

Die Moto2-Erfolgsbilanz von Speed Up/Boscoscuro

Die acht GP-Siege

2010

Mugello (Andrea Iannone)
Assen (Andrea Iannone)
Aragón (Andrea Iannone)

2012

Catalunya (Andrea Iannone)
Mugello (Andrea Iannone)

2014

Assen (Anthony West)

2015

Austin (Sam Lowes)

2018

Catalunya (Fabio Quartararo)

Konstrukteurs-WM

2010 Platz 3 mit 322 Punkten
2012 Platz 3 mit 194 Punkten
2013 Platz 3 mit 143 Punkten
2014 Platz 4 mit 121 Punkten
2015 Platz 2 mit 209 Punkten
2016 Platz 2 mit 136 Punkten
2017 Platz 4 mit 117 Punkten
2018 Platz 3 mit 142 Punkten
2019 Platz 3 mit 259 Punkten
2020 Platz 2 mit 118 Punkten
2021 Platz 2 mit 199 Punkten

Die Konstrukteurs-WM-Fights in der Moto2-WM:

2010: 1. Suter 322. 2. Moriwaki 309.
2011: 1. Suter 384. 2. Kalex 281.
2012: 1. Suter 382. 2. Kalex 320.
2013: 1. Kalex 392. 2. Suter 297.
2014: 1. Kalex 430. 2. Suter 284.
2015: 1. Kalex 445. 2. Speed Up 209.
2016: 1. Kalex 450. 2. Speed Up 136.
2017: 1. Kalex 427. 2. KTM 266.
2018: 1. Kalex 407. 2. KTM 345.
2019: 1. Kalex 442. 2. KTM 281.
2020: 1. Kalex 375. 2. Speed Up 118.
2021: 1. Kalex 450. 2. Boscoscuro 199. 

Alle Fahrer-Weltmeister in der Moto2

2010: Toni Elias, Moriwaki
2011: Stefan Bradl, Kalex
2012: Marc Márquez, Suter
2013: Pol Espargaró, Kalex
2014: Tito Rabat, Kalex
2015: Johann Zarco, Kalex
2016: Johann Zarco, Kalex
2017: Franco Morbidelli, Kalex
2018: Pecco Bagnaia, Kalex
2019: Alex Márquez, Kalex
2020: Enea Bastianini, Kalex
2021: Remy Gardner, Kalex

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