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Tom Lüthi: «Auch vor Le Mans an den Titel gedacht»

Von Sharleena Wirsing
Mit seinem fulminanten Sieg in Le Mans katapultierte sich Tom Lüthi zurück in den WM-Kampf. Der Schweizer sprach im großen Interview mit SPEEDWEEK.com über seine Chancen.

Tom Lüthi liegt nach seinem überlegenen Sieg in Le Mans noch 21 Punkte hinter WM-Leader Johann Zarco und verdrängte Jonas Folger auf Platz 3. Der Schweizer zählt nach seinem Wechsel von Suter auf Kalex nun zu den heißen WM-Anwärtern der Saison 2015.

Übrigens: Le Mans ist die erfolgreichste Strecke für Tom Lüthi und der einzige Kurs, auf dem er in der 125-ccm-Klasse zwei Siege feierte: Er gewann seinen ersten Grand Prix auf seinem Weg zum WM-Titel 2005 in Le Mans und wiederholte den Sieg im Jahr darauf. Er siegte auch im Moto2-Rennen in Le Mans 2012 und nun 2015.

Im Interview mit SPEEDWEEK.com sprach der Moto2-Pilot aus dem Team Derendinger Interwetten über den Durchbruch mit der Kalex, den Sieg in Le Mans und seinen Teamkollegen Dominique Aegerter.

Tom, Gratulation zu deinem ersten Saisonsieg. Du bist nun zurück an der Spitze. Was brachte den endgültigen Durchbruch mit der Kalex? Der Aragón-Test oder der Grand Prix in Le Mans?

Danke. Es war wirklich ein cooles Rennen. Das hat mich riesig gefreut – endlich! Der letzte Schritt kam auf jeden Fall durch ein Zusammenspiel aus beidem, aber der große Sprung war der Test in Aragón. Wir konnten endlich mal zwei Tage bei Top-Bedingungen und Top-Wetter testen und große Veränderungen durchspielen. Auf diese Weise haben wir die richtige Richtung gefunden. Ich war nicht unglaublich schnell unterwegs, aber ich konnte ein richtig gutes Gefühl für das Motorrad aufbauen. Schon die zwei Tage vor dem Le Mans-GP habe ich gesagt: ‹Das war wichtig, ich kann die Bremse lösen, aber auch hart bremsen.› Genau das habe ich in Le Mans gebraucht und konnte es umsetzen.

Also hast du schon vor Le Mans mit einem starken Ergebnis gerechnet?

Ja, ich habe damit gerechnet, dass wir wirklich konkurrenzfähig werden und uns dieser Schritt näher an die Spitze bring. So ist es letztendlich auch gewesen.

Du musstest für diese Saison nicht nur die Umstellung von Suter auf Kalex, sondern auch von Öhlins auf WP bewältigen. Auch Folger, Lowes und Zarco sind mit den WP-Elementen erfolgreich. Bringt die Suspension von WP einen Vorteil?

Das kann ich nicht genau sagen, weil bei mir das Gesamtpaket neu war. Ich hatte nicht dasselbe Bike und habe nur Öhlins gegen WP getauscht. Deshalb ist ein Vergleich schwer. Aber was ich sagen kann, ist, dass die WP-Elemente funktionieren, ich fühle mich gut damit. Was noch interessanter ist, ist die Tatsache, dass in diesem Jahr alle Rennen von Fahrern mit WP-Elementen gewonnen wurden: Folger, Lowes, Zarco und ich. Ich bin kein Statistik-Typ, aber das ist interessant.

Im fünften Saisonrennen konntest du deinen ersten Sieg feiern. Nun bist du mittendrin im Titelkampf. Haben sich deine Ziele verändert?

Verändert haben sie sich nicht, aber es haben sich nun viele Möglichkeiten aufgetan, weil ich in der WM-Tabelle auf Platz 2 nach vorne gerutscht bin. Es ist klar, dass ich den Titelkampf jetzt ins Visier nehmen muss. Ich habe auch vorher noch an den Titel gedacht, denn die Saison – das ist jetzt immer noch so – ist noch sehr lang. Es sind noch viele Rennen zu fahren und viele Punkte zu holen. Aber der Sieg bringt uns weiter. Ich habe vor dem Wochenende noch mit meinem Cheftechniker Alfred Willeke darüber gesprochen: Wenn wir ganz vorne mitmischen wollen, müssen wir anfangen, Rennen zu gewinnen. Das haben wir geschafft. Nun sind wir auch bei den Punkten dran. Es ist nicht so, dass es vorher aussichtlos war, aber nun ist der Titelkampf wieder näher gerückt.

Wie viel Einfluss hatte der große Erfahrungsschatz deines langjährigen Crewchiefs Alfred Willeke bei der schwierigen Umstellung von Suter auf Kalex und von Öhlins auf WP?

Das ist sehr wichtig, wir zwei kennen uns sehr gut. Nun haben wir auch zusammen den Umstieg gut gemeistert. Es ist natürlich ein wichtiger Faktor, dass er weiß, was ich brauche und ich weiß, wie er arbeitet. Es war auf jeden Fall eine sehr gute Entscheidung, ihn in das neue Team mitzunehmen.

Dein Teamkollege Dominique Aegerter fährt ein völlig anderes Set-up als du und auch die Fahrstile unterscheiden sich stark. Könnte er seine Probleme trotzdem mit Hilfe deiner Daten verringern?

Das ist natürlich eine gute Frage. Die Daten sind bei uns offen, er kann sich alles anschauen und ich auch. Sie wissen auch, welches Set-up ich fahre. Natürlich ist es schon so, dass er einen komplett anderen Fahrstil hat als ich. Wir sind auf dem Motorrad sehr verschiedene Typen, das macht es nicht so einfach. Man kann nicht einfach das Set-up des Schnelleren reinschrauben und dann ist man genauso schnell. Das funktioniert im Rennsport nicht, man muss sich seinen eigenen Weg erarbeiten.

Aber vielleicht bekommt er durch meine Daten zumindest eine Richtung, in die er arbeiten kann. Wenn er die Grundrichtung einschlägt, könnte er dann an einem Set-up für sich arbeiten, aber ich weiß nicht, wie weit sie sind und wo sie stehen. Ich hoffe natürlich, dass sie den Weg finden. Wir verbringen viel Zeit miteinander und verstehen uns gut, daher würde ich es ihm gönnen, dass er wieder vorne dabei ist. Dann können auch zwei Schweizer auf dem Podest stehen. Das müssen wir dieses Jahr noch hinkriegen. [lacht]

Du steckst in der Punktetabelle zwischen Johann Zarco und Jonas Folger. Auch Weltmeister Tito Rabat kommt wieder in Schwung. Wer wird dein härtester Gegner sein?

Du hast die wichtigen Namen schon genannt. Zarco ist wirklich stark und zieht das momentan durch. Mit ihm ist ganz klar zu rechnen, denn er hat 21 Punkte Vorsprung, was nicht wenig ist. Der Jonas hat entweder Rennen gewonnen oder gar nichts erreicht, also fehlt ihm noch die Konstanz. Doch er ist sehr, sehr schnell. Dass Rabat kommt, wissen wir alle. Er hatte in der Anfangsphase etwas Pech, doch er wird sein Ding machen. Wichtig ist für mich, dass wir dabei sind und mitkämpfen können. Unser Fokus bleibt auf uns gerichtet. Wir arbeiten Schritt für Schritt weiter und versuchen, das die gesamte Saison durchzuziehen.

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