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KTM in Moto3: Von Motocross-Motor inspiriert

Von Philipp Grünberger
Trotz gleichem Hubraum und ähnlicher technischer Spezifikation: Was unterscheidet das KTM-Moto3-Triebwerk vom 250er-Motocross-Motor? Rennsporttechniker Kurt Trieb erklärt.

Mit der Einführung der Moto3-Kategorie endete gleichzeitig die Zweitakt-Ära im GP-Sport. Die letzten Qualmwerfer (500er und 250er waren bereits abgelöst) wurden durch Einzylinder-Viertakter mit 250 ccm Hubraum ersetzt. Durchaus ähnliche Triebwerke waren im Motocross in der MX2-Klasse bereits üblich. Wie bei den Offroadern hat KTM es auch in der Moto3-Klasse geschafft, sich in der Spitze zu etablieren.

Als der Motorrad-Weltverband FIM das Regelwerk für Moto3-Viertakter vorlegte, dämmerte allen Technikern bald, dass existierende 250er-MX-Motoren dafür nicht die beste Lösung sein würden. Nach den ersten Jahren, nach zwei Fahrer- und einem Hersteller-WM-Titel, legte KTM nun offen, dass die Moto3-Historie für der Hersteller aus Österreich dennoch mit einem Offroad-Antrieb begann.

Der Einfachheit halber adaptierten KTM-Ingenieure einen 350er-MX-Einzylindermotor und steckten diesen in eines der früheren 125er-GP-Fahrwerke. Zur Erläuterung: Für die MX1-Klasse konstruierte KTM neben einem 450er-Fullbore-Einzylinder auch eine schlanke 350er-Einzylinder-Version, um Leichtbau, Power und agiles Handling in besonders ausgewogener Form zu kombinieren – was auch hervorragend klappt, wie die zahlreichen WM-Titel von Tony Cairoli unter Beweis stellen. Mit besagtem Moto3-Prototypen absolvierte der Österreicher Michael Ranseder als Testfahrer erste Funktionstests im spanischen Cartagena.

Fahrer bemängelten Vibrationen

«Zwischen dem Moto3- und dem MX-Einzylinder-Triebwerk liegen Welten», erläutert KTM-Konstrukteur Kurt Trieb, der den Moto3-Motor mit der Bezeichnung M32 (Moto3 2012) entwickelt hat. «Bei den Tests 2010 konnten wir grundsätzliche Dinge ausprobieren – hinsichtlich Kraftentfaltung, Benzinverbrauch, Gewichtsverteilung und so weiter; wir konnten uns so Grundlagenwissen aneignen. Aufschlussreich war auch, dass die Fahrer in erster Linie Motorvibrationen bemängelten. Tatsächlich waren die Vibrationen so stark, dass sie sogar anzweifelten, überhaupt ein Rennen damit fertigfahren zu können!»

So wurde klar, dass für die Moto3-Rennmaschine ein neues Motordesign entwickelt werden musste – und damit auch ein von Grund auf neu konzipiertes Fahrwerk. «Wichtig ist dabei das Packaging», fügt Trieb hinzu. «Der Motor mit allen Anbauteilen muss perfekt ins Fahrwerk passen. Und umgekehrt das Chassis zum Motor. Das hört sich vielleicht simpel an, erfordert aber eine Menge Arbeit und es gibt jede Menge zu bedenken.»

Der Moto3-Triebling baut deutlich höher als das Antriebsherz der KTM 250 SX-F. Grund: Beim Motocross zählt Bodenfreiheit mit zu den wichtigsten Anforderungen, vor allem nach Sprüngen. Im Straßensport ist Bodenfreiheit kein Thema. Rumpelpisten mit veritablen Sprunghügeln wie in Cadwell Park sind bisher den Briten vorbehalten.

Unterschiede im Einlasstrakt

Kurt Trieb: «Ein wichtiger Unterschied beider Motoren ist der steil nach oben führende Einlasstrakt beim Moto3-Exemplar. In der gewählten Einbaulage führt der Einlass so geradewegs zur Airbox, die bei der KTM RC250 GP gleich hinter dem Lenkkopf platziert ist. Dadurch wird dem Motor viel Ansaugluft zugeführt, was sich positiv auf das Leistungsvermögen auswirkt.»

«Für die Gesamtkonstruktion ist die Schwerpunktlage mit Blick auf das Fahrverhalten wichtig. Ebenso die Positionierung des Benzintanks, der vertikal aufragt und tief nach unten reicht. Somit ist der Tank etwas hinter sowie nahe am Motor positioniert. Auch die Kupplung ist vergleichsweise tief positioniert. Auf den ersten Blick mag unser Triebwerk lang und hoch aussehen, eingebaut jedoch schmiegt es sich optimal in das Gesamtfahrzeug, zusammen mit allen Komponenten.»

Moto3- und MX2-Fahrer haben unterschiedliche Wünsche und Ansprüche. Der nutzbare Drehzahlbereich liegt beim Moto3-Renner zwischen 9000 und 14.000 Touren. Pro Runde wird die Höchstleistung vom Fahrer zu etwa 70 % abgefordert, d.h. zu etwa drei Vierteln wird Vollgas gegeben, etwa ein Viertel der Runde ist Bremsen oder Dosieren im Teillastbereich gefordert. Im Motocross fällt der Vollastanteil unter vollends gespanntem Gaskabel erheblich geringer aus.

Die Anforderungen hinsichtlich Drehzahlen und damit auch geforderter Zuverlässigkeit fallen also sehr unterschiedlich aus, weshalb sich Moto3- und MX-Motoren konstruktiv deutlich unterscheiden. Kurt Trieb erläutert: «Das Moto3-Triebwerk verlangt nach einem gänzlich anderen Schmiersystem. Die Ölmenge ist größer, 0,8 Liter im Vergleich zu 0,3 Liter beim MX2-Motor, dazu kommen eine tiefere Ölwanne sowie ein Öl-Wasser-Wärmetauscher. Getriebe und Kupplung kämmen nicht im Motoröl, sondern werden gezielt mit Schmierstoff versorgt. Das Gehäuse baut insgesamt höher, die Motorkonstruktion ist jedoch optimiert, um mit Blick auf perfekte Gewichtsverteilung ins Chassis integriert zu werden.»

Beim Motocross-Bike stellt sich das Packaging sichtlich anders dar: Die Airbox ist unter dem Sitz platziert und der Tank findet ein Stück davor seinen Platz. Entsprechend muss der Einlasskanal am Zylinderkopf dazu passend positioniert sein. Die konstruktive Gestaltung des Motors, speziell im Zylinderkopfbereich, unterliegt wiederum den Anforderungen des Gesamtfahrzeugs.

Der Grund für die großvolumige, weit vorne platzierte Airbox beim Moto3-Renner liegt im durchschnittlich hohen Vollgasanteil. Dafür ist entsprechend viel Luftdurchsatz notwendig, während bei MX-Rennen das Gas viel häufiger zugedreht wird, weil in der Regel in kurzer Abfolge Kurven und Sprünge zu absolvieren sind.

Motocross-Motor dreht höher

Das M32-Triebwerk leistete 2012 im ersten WM-Jahr 54 PS, der in der MX-WM siegreiche 250 SX-F-Motor 46 PS. Das technische Reglement in der Moto3 schreibt ein Drehzahllimit von maximal 14.000 Touren vor, dazu ein einheitliches Elektronik-Steuergerät. In der MX2-WM gibt es solche Vorschriften nicht, deswegen kann der MX-Motor bis 15.000/min drehen. In der Moto3 ist die maximale Bohrung vorgegeben, in der MX-WM nicht. Deshalb konnte die Bohrung größer gewählt werden, wodurch der Motor sich überquadratischer präsentiert.

Bereits in der ersten Saison wurde deutlich, dass der Moto3-Einzylinder von KTM mit reichlich Spitzenleistung glänzt. Gleichzeitig strebten die Techniker jedoch nach einer Lösung, das Leistungsband breiter zu gestalten. Kurt Trieb: «Um das zu erreichen, wurde auch über eine reduzierte Bohrung nachgedacht. Aber wir haben es schließlich geschafft, ein breites Drehzahlband mit der maximal zulässigen Bohrung zu erzielen, um gute Fahrbarkeit bei gleichzeitiger Drehfreudigkeit zu gewährleisten.»

Das Innenleben entscheidet

Der Hubraum beider Triebwerke ist identisch und auch bei einigen Daten gibt es nur wenige Unterschiede. Hub und Bohrung der RC250 R betragen 81 x 48,5 mm, bei der 250 SX-F sind es 78 x 52,3 mm. Mit freiem Auge muss man nach dem Abnehmen der Zylinderköpfe schon genau hinschauen, um die unterschiedlichen Kolbendurchmesser wahrzunehmen. Dennoch gibt es beim Kolbengewicht kaum Abweichungen, beide sind in etwa gleich schwer.

Dafür weist Kurt Trieb auf Unterschiede bei der Kurbelwellenlagerung hin: «Das Moto3-Triebwerk ist anders gelagert als der SX-Motor und dazu mit einer Ausgleichswelle ausgestattet. Damit haben wir dem Wunsch vieler Fahrer nach möglichst vibrationsfreiem Fahren entsprochen.»

Bei der Motorarchitektur und den Innereien gibt es jedoch auch konstruktive Gemeinsamkeiten: Beide 250er-Einzylinder verfügen über vertikal geteilte Gehäusehälften, separate Zylinder, Rollen-Schlepphebel beim Ventiltrieb sowie über ähnlich konstruierte Kolben und Pleuel. Kein Wunder, «da jede Motorkonstruktion auf dem über Jahre gesammelten Erfahrungsschatz aufbaut», wie Trieb abschließend feststellt.

Die Technik des KTM-Moto3-Triebwerks:

• maximale Motordrehzahl 14.000 Touren
• maximale Zylinderbohrung 81 mm
• einheitliche Motorelektronik (ECU)
• Motorlaufleistung auf 2000 km ausgelegt (vor erster Revision)
• Sechsganggetriebe (Haltbarkeit ausgelegt auf eine Saison)
• Motortyp: flüssigkeitsgekühlter Viertakt DOHC Einzylinder
• Bohrung: 81 mm
• Hub: 48,5 mm
• Hubraum: 249,5 cm3
• Einlasstrakt mit zwei Einspritzdüsen
• eine Balancer-Ausgleichswelle
• Antihopping-Kupplung
• Ventile aus Titan und in radialer Anordnung

KTM in der Moto3-WM 2012/ 2013

24 Siege in 34 Rennen
21 Siege in Folge
2 Fahrer-WM-Titel
2 Konstrukteurs-WM-Titel

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