KTM bekräftigt MotoGP-Teilnahme 2025

Jahresrückblick 2020 (2): Lockdown und Schockstarre

Von Thoralf Abgarjan
Eli Tomac wird Supercross-Weltmeister

Eli Tomac wird Supercross-Weltmeister

Die Supercross WM wird Ende Mai in Salt Lake City fortgesetzt. Kawasaki-Werksfahrer Eli Tomac wird Supercross-Weltmeister, HRC-Star Ken Roczen entscheidet sich für eine Pause und Max Nagl brilliert in Tschechien.

Die Welt befindet sich Mitte März fest im Würgegriff der COVID-19-Pandemie. Besonders schlimm ist die Lage in Norditalien, wo am 5. April der Grand Prix Of Trentino stattfinden soll. Doch in Italien herrscht Ausnahmezustand. Sogar das Militär muss in der Lombardei helfen, die Särge der COVID-19-Opfer in die Krematorien zu bringen. Europa befindet sich im Lockdown. Hastig werden immer wieder neue Kalenderupdates für die WM veröffentlicht, die bereits wenig später Makulatur sind. Jean Michel Bayle und Ricky Johnson sind die ersten prominenten Fälle von Coronainfektionen in der internationalen Motocross-Szene.

Nur einige Briten glauben noch immer, dass ihnen das Virus nichts anhaben kann. Premier Boris Johnson verharmlost die Gefahren, infiziert sich aber selbst und muss in einer Intensivstation beatmet werden. Die nicht abgesagte Auftaktveranstaltung der offenen britischen Motocrossmeisterschaften in Exeter findet dennoch nicht statt. Nicht wegen COVID-19, sondern weil es regnet.

Wie es in den USA mit der Supercross-WM weitergeht, ist selbst im Mai noch unklar. Zu diesem Zeitpunkt sollten die US-Nationals längst begonnen haben. Es folgen Absagen über Absagen.

Der junge Franzose Brian Moreau will seine Träume in den USA verwirklichen und tritt zu seinem ersten Supercrossrennen in den USA an. In Tampa fand Mitte Februar der Auftakt der Ostküstenmeisterschaft statt. Moreau stürzt schon im freien Training, bricht sich den Halswirbel C7. Noch im März wird klar: Er wird querschnittsgelähmt bleiben.

US-Präsident Donald Trump erklärt Ende April, es werde am Ende in den USA höchstens 60.000 Corona-Tote geben. Heute wissen wir: Es sind mehr als 330.000 Todesopfer allein in den USA zu beklagen. Der Zickzackkurs in den USA schlägt sich auch in immer wieder neuen Kalenderupdates der Supercross-WM nieder. Kaum ist ein Kalender veröffentlicht, ist er bereits wieder durch die Realität eingeholt.

Mitte Mai legt WM-Serienvermarkter 'Infront Moto Racing' einen WM-Kalender vor, der schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung für Kopfschütteln sorgt: Während in Russland und in der Türkei die Coronainfektionsraten mit exponentiellem Wachstum in die Höhe schnellen, plant der Vermarkter Veranstaltungen in Regionen, die von der Bundesregierung ausdrücklich als Risikogebiete ausgewiesen sind. Sogar das Rennen in China steht Mitte Mai noch für den 13. September auf dem Plan.

Zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, ob und wann es mit Rennveranstaltungen weitergehen kann. Da keine Rennen stattfinden, etabliert SPEEDWEEK.com das «Interview der Woche», in dem prominente Persönlichkeiten aus der internationalen Motocross-Szene zu Wort kommen. Jeremy Seewer, Stefan Everts, Harry Everts, Max Nagl, Simon Längenfelder, Daniel Willemsen, Heinz Kinigadner, Willy Bauer, Jeremy Sydow, Henry Jacobi und weitere Persönlichkeiten aus dem Motocrosssport kommen ausführlich zu Wort. Wenn man dem ersten Corona-Jahr etwas Positives abgewinnen kann, so ist das ein Aspekt. So konnten Themen besprochen werden, zu denen in normalen Jahren im Tagesgeschäft schlicht die Zeit fehlt.

Ende Mai soll in den USA die Supercross-WM schließlich doch in einem Zuge in Salt Lake City fortgesetzt werden. 7 Rennen sind noch zu absolvieren. Zuschauer sind im Stadion natürlich nicht zugelassen. Die Rennen finden jeweils samstags und mittwochs statt, ein Konzept, das später auch in der WM Schule machen wird. Doch der Neustart der Supercross-WM ist nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd gefährdet. In Utah herrschen bürgerkriegsähnliche Verhältnisse. Es wird eine Ausgangssperre über Salt Lake City verhängt. Trotz der angespannten Lage kann das Rennen stattfinden. Eli Tomac ist nach der wochenlangen Rennpause topfit und siegt souverän vor Cooper Webb. Ken Roczen ist schnell auf der Strecke, kann aber das Tempo nicht über die Distanz halten. Er rettet Rang 3 über die Ziellinie. Hier deutet sich bereits an, dass der Deutsche mit körperlichen Problemen hadert. Beim dritten Rennen in Salt Lake City wird Ken Roczen auf Rang 10 von Eli Tomac und Cooper Webb zweimal überrundet. Roczen hat Mitte Juni den Anschluss an WM-Leader Tomac mit nun bereits 26 Punkten Rückstand verloren. Er kann sich jetzt nur noch nach hinten orientieren. Cooper Webb hat zu diesem Zeitpunkt lediglich 6 Punkte Rückstand zum Deutschen auf Rang 2. Bereits beim nächsten Rennen von Salt Lake City 4 kann Webb mit einem Sieg an Roczen vorbeigehen. Für Roczen rückt der Gewinn der Supercross-WM in unerreichbare Ferne. Er hat Atemprobleme, klagt über Asthma und leidet dazu noch an einer Gürtelrose. Trotzdem kann er WM-Lauf 15 gewinnen. Bereits vor dem Finale steht aber fest, dass Roczen dieses Jahr nicht mehr Champion werden kann. Nur Cooper Webb hat noch theoretische Chancen. Der KTM-Werksfahrer Webb gewinnt den 16. und vorletzten WM-Lauf. Husqvarna-Werksfahrer Zach Osborne holt beim Saisonfinale in Salt Lake City seinen ersten SX-Sieg in der 450er Klasse. Dass er am Ende mit dem Gewinn der US-Nationals zum Überflieger der Saison 2020 werden wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Eli Tomac wird Supercross-Weltmeister des Jahres 2020 vor Cooper Webb. Ken Roczen beendet die Saison auf Rang 3. Er erklärt, dass er nicht an den US-Nationals teilnehmen wird, um sich auf die nächste Supercross-WM des Jahres 2021 zu konzentrieren und vorzubereiten.

Killian Auberson nimmt in den USA als weiterer europäischer Starter an der Lites-Westküstenmeisterschaft teil. Doch der Schweizer stürzt Mitte Juni während des Trainings in Salt Lake City schwer und zeigt nach dem verheerenden Unfall von Brian Moreau erneut und in aller Härte die Schattenseiten des Sports auf. Auberson wird nach seinem Crash für den Rest seines Lebens ebenfalls querschnittsgelähmt bleiben.

Max Nagl schlägt 2020 ein völlig neues Kapitel seiner Karriere auf. Der erfolgreichste deutsche WM-Protagonist der jüngeren Vergangenheit verabschiedet sich in diesem Jahr endgültig aus der WM und wird sich auf die ADAC MX Masters konzentrieren, deren Fortsetzung Mitte des Jahres allerdings noch völlig ungeklärt ist. In Tschechien wird ein Hygienekonzept für Outdoor-Sportveranstaltungen mit Zuschauerpräsenz entwickelt. Besucher von Rennveranstaltungen können sich in beschränkter Zahl in bestimmten Sektoren aufhalten. So findet Ende Juni auf dem ehemaligen WM-Kurs in Dalecín die Eröffnungsrunde der offenen tschechischen Meisterschaften statt. Nagl dominiert und selbst das MX2-Werksteam reist nach Tschechien. Der spätere Weltmeister Tom Vialle gewinnt die Rennen der MX2-Klasse.

Wie es in der Weltmeisterschaft weitergeht, ist auch Ende Juni weiter unklar, obwohl es einen offiziellen Kalender gibt, der wieder einmal von der Realität überholt wird. Erst Anfang Juli sickert durch, dass es im belgischen Lommel ein Triple-Event nach US-Vorbild geben soll.


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