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Assen-GP: Warum jetzt am Sonntag gefahren wird

Kolumne von Günther Wiesinger
Alle Rennen in Assen traditionell am Samstag – das ist seit 2015 vorbei. Die Dutch-TT-Veranstalter rechnen deshalb mit mehr Zuschauern.

Es ist kaum zu glauben. Der traditionelle Samstag-Termin in Assen gehört der Vergangenheit an, seit 2015 wird die Dutch-TT am Sonntag ausgetragen. Das hat der TT-Vorstand fix entschieden.

Damit verlor Assen eine Ausnahmestellng im Kalender, man hat sich angepasst und tanzt nicht mehr aus der Reihe.

Das kommt einer Revolution gleich. Das ist so ähnlich, als würde man in Wimbledon plötzlich auf Sand Tennis spielen. Oder als würde man die Rallye Monte Carlo plötzlich im Sommer austragen.

Jetzt steht die Welt nicht mehr lange, hiess es vor zwei Jahren, als der Renntag der Dutch-TT in Assen/NL vom traditionellen letzten Samstag im Juni auf den Sonntag verlegt wurde.

Jahrelang sprachen die Fahrer immer vom ersten Freitag-Training, obwohl es am Donnerstag stattfand. Manche TV-Zuschauer schalteten versehentlich erst am Sonntag ein. Und manchmal kam ein Sponsor voller Vorfreude am Samstagabend in Assen an, um dann festzustellen: Der Grand Prix war schon vorbei.

Bei der Dutch-TT werden also sogar 80-jährige Traditionen auf den Kopf gestellt.

Assen: 2015 wurde die Tradition beerdigt

An diesem Wochenende wird die Dutch-TT in Assen also zum zweiten Mal von Freitag bis Sonntag stattfinden. Fahrer, Teammanager, Mechaniker, Journalisten und Fans wurden im Juni 2015 von dieser Absicht überrascht – und waren ein bisschen sprachlos.

Seit 1949 wurde in Assen immer am letzten Juni-Samstag um die Wette gefahren. Der Pfarrer in einer einst an der Strecke gelegenen Kirche habe anfangs den Samstag als Renntermin durchgesetzt, erzählt man sich, weil er am Sonntag die Messe zelebrieren musste – und sich am Samstag unbedingt die Rennen anschauen wollte.

Vor zwei Jahren haben die Assen-GP-Promoter Arjan Bos (Vorsitzender der Stichting Circuit van Drenthe) und Direktor Peter Oosterbaan auf sanften Druck von Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta beschlossen, den traditionellen Termin auf den Sonntag zu ändern.

Die Niederländer haben alle Für und Wider gewissenhaft geprüft und abgewogen. Danach hat der TT-Vorstand entschieden, den MotoGP-Event auf dem Sonntag zu verschieben. Der Veranstalter ging davon aus, dass die Vorteile überwiegen werden und der Zukunft der Dutch-TT mit diesem taktischen Manöver am meisten gedient ist. Tatsächlich erschienen 2016 am Sonntag mehr Zuschauer als in den Jahren zuvor am Samstag.

In den Niederlanden steht die Dutch-TT quasi unter Denkmalschutz.

Aber durch die Verschiebung des Rennens auf den Sonntag rechneten die TT-Veranstalter mit steigenden Zuschauerzahlen. Tatsächlich wurde der bedauerliche Abwärtstrend gestoppt.

So wie die Menschen heute ihre Freizeit gestalten, bestehen am Sonntag mehr Aussichten für den Besuch einer Motorsportveranstaltung als am Samstag. Am Sonntag haben die meisten Geschäfte zugesperrt. Und wenn man die Trainings am Freitag und Samstag durchführt, müssen die Besucher für den Trip nach Assen weniger Urlaubstage opfern. Die TT wird dadurch attraktiver für einen Mehr-Tages-Ausflug, der Verkauf von Weekend-Tickets sollte steigen, meinen die Veranstalter. In den letzten Jahren sanken die Zuschauerzahlen, die in den besten Zeiten bei fast 140.000 am Renntag lagen.

«Die Umstellung ist schon überraschend, weil in Assen aus Tradition bisher immer am Samstag gefahren wurde», stellte Moto2-Teambesitzer Stefan Kiefer fest. «Dass jetzt am Sonntag gefahren wird, kam etwas unerwartet. Aber für uns als Team macht es keinen grossen Unterschied, ob das Rennen am Samstag oder Sonntag stattfindet. Und für den Veranstalter macht es wahrscheinlich Sinn.»

Bruder und Teamteilhaber Jochen Kiefer erblickt sogar einen Vorteil: «Wir haben jetzt am Dienstag vor dem Rennen frei.»

Die TT-Promter brauchen mehr Einnahmen

Die Entscheidung für den Sonntag wurde von den Niederländern aus der Not geboren. Die Anzahl der Motorrad-GP rund um die Welt ist limitiert, und die Dutch-TT kann nur dauerhaft überleben, wenn die Besucherzahlen wieder steigen. Der TT-Vorstand rechnete mit fünf bis zehn Prozent mehr Besuchern in der Saison 2016, als auf der Traditionsrennstrecke erstmals am Sonntag WM-Punkte vergeben werden. Und die Hoffnungen haben sich bewahrheitet. Diese Zusatzeinnahmen werden nötig sein, um die ständig steigenden Dorna-Gebühren, andere operative Kosten und Investitionen bezahlen zu können, heißt es in Assen.

Die Verlegung der Rennen auf den letzten Sonntag im Juni passt auch besser zu den restlichen MotoGP-Rennen, die alle am Sonntag bestritten werden. «Wir werden mit der Tradition des letzten Juni-Wochenendes nicht brechen. Und wir betrachten die Verlegung vom Samstag auf den Sonntag als Fortführung einer Tradition – mit einer kleinen modernen und unerwarteten Wendung», schmunzeln die listigen Dutch-TT-Promoter, die ihren Grand Prix seit 1949 als Fixpunkt im Kalender wissen.

Keine andere Motorrad-GP-Rennstrecke hat so viel Tradition.
Als Bernie Ecclestone für die Saison 1992 nach der Entmachtung der FIM ein Jahr lang den GP-Kalender ausheckte, musste er den sturen Niederländern finanzielle Zugeständnisse machen. «Denn ein GP-Kalender ohne Assen ist wie eine Hochzeit ohne Braut», sagten die Dutch-TT-Promoter damals selbstsicher.

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