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Valentino Rossi: Wie lange tut er sich das noch an?

Von Günther Wiesinger
Valentino Rossi

Valentino Rossi

Valentino Rossi fuhr beim Jerez-GP vor acht Tagen vom zehnten Startplatz los. Ohne den Dreier-Crash vor ihm wäre er auf Platz 8 gelandet. Fraglich, ob er das noch drei Jahre lang mitmacht.

Valentino Rossi hat seinen Fahrervertrag bei Movistar-Yamaha im März vor dem Saisonauftakt in Katar bis Ende 2020 verlängert.

Das heißt: Der 39-jährige aus Tavullia hat noch 15 Grand Prix in diesem Jahr vor sich und je 19 oder 20 in den Jahren 2019 und 2020. Das macht bis zu 55 weitere GP-Rennen.

Eigentlich kein Problem für den rüstigen Rossi, der in diesem Jahr schon einen Podestplatz errungen, seinen fahrerischen Level in den letzten Jahren immer weiter verbessert und den neuen Ansprüchen angepasst hat.

Aber die Werks-Yamaha YZR-M1 hat Schwachstellen. Dazu kommt: Yamaha-Privatfahrer Johann Zarco demütigt Rossi seit einem Jahr in regelmäßigen Abständen.

Vor acht Tagen beim Jerez-GP brauste Zarco auf Platz 2, Rossi wurde Fünfter. «Und ohne die drei Stürze von Dovizioso, Lorenzo und Pedrosa wäre ich auf Platz 8 gelandet», ist sich der Haudegen bewusst. «Das ist unser aktueller Level.»

Motorsteuerung als Ursache?

Zwei Jahre lang war Rossi der Ansicht, das Yamaha-Chassis beanspruche die Reifen zu stark. Es gab etliche neue Chassis-Updates und manchmal Lichtblicke, aber keine dauerhafte Lösung des Problems.

Im Grunde bestand die nicht gerade zukunftsorientierte Lösung darin, auf das Chassis des Baujahrs 2016 zurückzukehren.

Außerdem kritisierte Rossi, Honda und Ducati hätten in den letzten zwei Jahren mehr Manpower und Geld in die Entwicklung der Motorsteuerung investiert und die besten Leute auf diesem Gebiet angeworben. Filippo Tosi von Magneti Marelli hat bei Repsol-Honda 2017 im Handumdrehen alle elektronischen Probleme gelöst.

Rossi hat neun WM-Titel gewonnen, der letzte Titelgewinn liegt aber bald zehn Jahre zurück – er geschah 2009. Insgesamt hat Rossi 115 GP-Siege auf dem Konto. Aber die Zeiten, als er elf Siege im Jahr (wie 2002) feierte, sind längst vorbei.

2010 fielen noch zwei GP-Erfolge ab, dann folgten die zwei mageren, sieglosen Ducati-Jahre. 2013 gelang dem Italiener nach der Rückkehr zu Yamaha ein GP-Triumph, 2014 waren es zwei, 2015 beim Titelfight gegen Lorenzo vier, 2015 nur zwei, 2017 nur einer – Ende Juni in Assen.

Der erfolgreichste Rennfahrer der Gegenwart, bei der Anzahl der GP-Siege nur vom legendären Giacomo «Ago nazionale» Agostini (122 GP-Siege, dazu 15 WM-Titel) übertroffen, hat Yamaha beim Spanien-GP am 6. Mai ungewöhnlich konkret und unmissverständlich die Leviten gelesen.

«Es sind keine guten Nachrichten, wenn man mit einem fünften Platz zufrieden ist», meinte Rossi nach Platz 5 in Jerez, wo er über Startplatz 10 nicht hinausgekommen war. «Doch wir müssen uns damit abfinden, dass wir mit unserer technischen Situation nichts Anderes erwarten können. Unsere Performance hängt auch von der Strecke ab. Auf manchen Pisten leiden wir mehr als auf anderen.»

«Für mich ist sehr klar, was mit dem Motorrad geschehen muss», ergänzte Rossi. «Natürlich, das wird Zeit benötigen. Yamaha muss sich anstrengen und sich einen Ruck geben. Wir müssen die Entwicklung beschleunigen und die Zeitspanne verkürzen, bis wir konkurrenzfähig werden. Sonst geht eine weitere Saison verloren. Ich hoffe, dass uns Yamaha den maximalen Support gibt, damit wir bald wieder weiter vorne landen.»

Rossi: «Die große Aufgabe fällt den Elektronikern zu. 75 Prozent liegt an der ECU. Für die Lösung dieses Elektronikproblems brauchen wir Zeit. Es ist so, als würdest du an der Spitze des Eisbergs arbeiten, aber unter dem Wasser verbergen sich die wahren Probleme. Schade, denn unser Bike ist in diesem Jahr oft konkurrenzfähig. Ich kann nur hoffen, dass Yamaha 100 Prozent gibt, um die Probleme so rasch als möglich zu lösen. Aber wir haben bei der ECU ein Problem, das man nicht im Handumdrehen beseitigen kann. Das sind schlechte Neuigkeiten. Es geht in erster Linie um die Arbeit an der 'black box'. Wenn das nicht bald in Angriff genommen wird, werden die Rennen verstreichen, es werden Monate vergehen – und die Meisterschaft wird uns aus den Fingern gleiten. Denn wir werden mit demselben Problem dasitzen wie jetzt.»

Schmeisst Rossi den Krempel hin?

Yamaha muss diese nicht gerade diplomatischen Töne nach zwei Jahren voll mittelmäßigen Ergebnissen ernst nehmen. Denn Rossi hat sichtbar keine Lust, ewig völlig im Schatten von Marc Márquez und Ducati zu stehen und dieses gnadenlose Schauspiel drei weitere Jahre zu erdulden. Das erlaubt sein Ehrgeiz nicht.

Niemand weiß, ob Vale in seinem Vertrag eine Ausstiegsklausel eingebaut hat.

Aber wir reisen in dieser Woche zum GP von Frankreich in Le Mans. Und dort hat Casey Stoner im Mai 2012 seinen Rücktritt per Saisonende erklärt. Er war damals erst 26 Jahre alt. Rossi ist 39.
Und Kevin Schwantz, 500-ccm-Weltmeister 1993, hat beim Mugello-GP 1995 mitten in der Saison den Krempel für immer hingeschmissen.

Valentino Rossi hat schon oft für Überraschungen gesorgt. Er liebäugelte in der Vergangenheit mit der Formel 1, mit der Rallye-WM und mit der Superbike-WM. Aber am Schluss blieb er bei seiner großen Leidenschaft und motivierte sich immer wieder neu, indem er die jungen Generation in Schach hielt. Er war 2014, 2015 und 2016 noch Vizeweltmeister. 2017 reichte es nur zum fünften WM-Rang. Aktuell ist er WM-Sechster.

Das darf kein Dauerzustand für einen Ausnahmekönner seines Kalibers werden, der Widersacher wie Biaggi, Gibernau, Lorenzo, Stoner und 2015 auch Márquez in Schach gehalten hat.

Rossi ist motiviert, er gibt sich kämpferisch, aber die Erfolge von Johann Zarco nagen an seinem Selbstbewusstsein. Hat der aufmüpfige Franzose den besseren Fahrstil für die aktuelle Yamaha? Geht er sanfter mit den Reifen um? Sind seine Techniker pfiffiger? Fragen über Fragen – und keine Antworten.

Yamaha muss bis zum Sommer wieder ein Sieger-Motorrad hinstellen. Maverick Viñales hat seit Le Mans 2017 nicht gewonnen, Rossi seit Assen 2017.

Sonst werden wir Rossi womöglich nicht bis zum Saisonende 2020 im Sattel der M1-Yamaha erleben.

Valentino Rossi lässt keinen kalt

Das Wort unmöglich habe ich schon vor bald 40 Jahren aus meinen Wortschatz gestrichen, als Sheene das Suzuki-500-Werksteam freiwillig verließ und auf eine private Yamaha umstieg. Als «Mike the Bike» Hailwood mit mehr als 40 Jahren auf die Tourist Trophy zurückkehrte. Und als Honda zuerst eine 22.000/min drehende 500-ccm-Viertakt-Rakete mit ovalen Kolben baute und nach deren Scheitern eine 500-ccm-Dreiylinder konstruierte, obwohl alle Gegner von Suzuki über Yamaha bis zu Kawasaki und Cagiva mit Vierzylinder-Maschinen antraten.

Deshalb würde ich es Valentino Rossi nicht verübeln, wenn er sich nach der Saison 2018 oder 2019 zurückziehen würde. Er könnte nahtlos eine Rolle als MotoGP-Teambesitzer übernehmen. Yamaha verliert mit Tech3 ohnedies sein einziges MotoGP-Kundenteam nach dem Jahr 2018 an KTM.

Und mit Jorge Lorenzo wäre sogar noch ein Siegfahrer für 2019 verfügbar, der auf der Yamaha drei MotoGP-WM-Titel (2010, 2012, 2015) und 40 MotoGP-Siege errungen hat.

Aber wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen.

Und ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass Rossi «seine M1» in den Händen des alten Rivalen Lorenzo sehen will.

Auch wenn es die Rossi-Hater nicht gern hören: Ich wünsche mir, dass die #46 in der MotoGP-WM zumindest bis Ende 2020 um die Wette fährt.

Klar, der Yamaha-Star hat manchmal über die Stränge geschlagen. Aber alle Superstars sind Egoisten, das ist bei Ski-Star Marcel Hirscher nicht anders oder bei Ronaldo und Messi.

Der Unterhaltungswert ist bei Rossi ungleich größer als bei seinen Mitbewerbern. Rossi lässt keinen Motorradsportfreund kalt. Keiner hat so viele Fans.

Deshalb hoffe ich, dass Movistar-Yamaha endlich wieder auf die Erfolgsspur zurückfindet. Ich möchte Rossi (das gilt auch für Dovizioso und Lorenzo) nicht ewig nach fünften und achten Plätzen leiden und Marc Márquez schon im September als neuen Weltmeister sehen.

Lieber wäre mir: Neun verschiedene Sieger auf vier verschiedenen Fabrikaten wie 2016.

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