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Schweigen ist Gold, sogar wenn man spricht

Kolumne von Michael Scott
Spielberg-Sieger Jorge Lorenzo mit den neuesten Winglets

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Was ist ein «Group Technical Briefing»? Das ist eine Veranstaltung, bei der die sechs Motorrad-MotoGP-Werke von Honda bis KTM ihre größten Schweiger mit den Fragen der Journalisten konfrontieren.

Wer behauptet, dem Rennsport fehle der Humor? Die Dorna hat einen gewissen Umgang mit solchen Ansichten. Jedes Jahr in Brünn, nach der Sommerpause, führen sie eine sehr subtile humoristische Übung vor; eine Show für Liebhaber von verborgenem und unfreiwilligem Witz.

Es handelt sich um das «technische Gruppen-Briefing», zu dem jedes MotoGP-Werk einen Delegierten hinschickt, um sich möglichen Fragen der unklugen, optimistischen Presse zu stellen.

Als würde einer von diesen Technikern oder Manager willentlich technische MotoGP-Geheimnisse ausplaudern, vor allem, wenn er zwischen all seinen Rivalen sitzt.

Es gab eine Zeit, in der Renntechniker stolz auf ihre Innovationen und Ideen waren und folglich gern darüber sprachen. Vor allem in der Ära der alten Zweitakter, die oftmals besser auf den Input eines einzelnen Exzentrikers in einer Hütte reagierten als auf einen ganzen Raum voller Zeichentafeln und jungen Uni-Studenten. Ein Paradebeispiel eines Zweitakt-Zauberers war Helmuth Fath, ein anderer Ing. Jörg Möller oder Jan Thiel. Diese Zeiten liegen hinter uns.

Die japanischen Firmen sind seit langem berühmt für ihre Geheimniskrämerei, die sie oft über den Ruf der Pflicht hinaus verlängern. Das erreichen sie oft durch gespieltes Unverständnis. Nichts schlägt Neugier so gut nieder wie eine gut aufgebaute Sprachbarriere. In einer Fehlübersetzung kann so viel Information verloren gehen.

Aber Ducati hat das Ganze auf neue Höhen getrieben. Sie haben spezielle Leinwände, die ihre Motorräder vor Blicken in die Box schützen – es darf ja niemand etwas Wichtiges sehen, beispielsweise wie ein Rad abgenommen wird.

Deshalb ist die Konferenz der Dorna ein lächerliches Konzept. In der Ausführung ist es sogar noch lustiger; eine internationale Tagung, wo man vorgibt, Fragen zu beantworten, obwohl man eigentlich gar nichts sagt.

Der Delegierte von Yamaha, Kouji Tsuya, hat sentimentale Erinnerungen hervorgerufen, wobei er alte japanische Fehlinformationen verbreitete. Sein Befehl, Englisch zu sprechen (ich glaube, es war Englisch) wurde für den Anlass so personalisiert, dass es fast unmöglich war, ihn zu verstehen.

Ich habe mir die Mühe gemacht, die digitale Audio-Aufnahme wiederholt und sorgfältig zu analysieren, um seine Meinung zu der Tatsache herauszuhören, dass Yamaha seit über einem Jahr keinen Sieg mehr gefeiert hat. Er meint wohl: «Unser Motorrad ist nicht auf dem Level, dass es gewinnen kann.»

Ich bin mir sicher, dass diese Verwirrung bewusst gestiftet wurde und dass er viel besser kommunizieren kann, wenn es verlangt wird. Zum Beispiel, wenn es um Vertragsverhandlungen geht.

Die Geheimnisse von Yamaha waren in seinen Händen sicher.

Der MotoGP-Projektleiter von Suzuki, Shinichi Sahara, ist ein weiterer Kandidat, der normalerweise sehr wortgewandt ist und der untypisch sprachlos wurde, als ihm bedeutungsvolle Fragen gestellt wurden.

Der Technik-Chef von Honda, Takeo Yokoyama, hat die andere, moderne Seite von japanischer Zurückhaltung bewiesen. Eloquent und unerschrocken, einen gewissen Sinn für Humor zu zeigen, bewies er eine Methode, bei der er absolut gar nichts verriet. Dafür mit Style und einem modischen Haarschnitt. Das hatte denselben Effekt.

Romano Albesiano von Aprilia demonstrierte die Kunst der Umschreibung: Gleichzeitig redegewandt, aber geheimnisvoll. Sollte der Rennsport für ihn jemals seinen Reiz verlieren, erwartet ihn eine Karriere in der düsteren Welt der italienischen Politik.

KTM hat seinen Sitz in Österreich und ihr deutscher Technikdirektor, Sebastian Risse, war entsprechend direkter. Wenn auch stumpf. Ich habe ihn zum Motor mit der gegenläufig drehenden Kurbelwelle befragt.

Jeder weiß, dass Mika Kallio Anfang des Jahres damit gefahren ist und sie auch in Jerez getestet wurde, wie Pol Espargaró verraten hat. Das KTM-Werksteam ist längst damit unterwegs. Ohne zu zögern schaute er mir in die Augen und enthüllte, dass er keine Angaben bestätigen könne – weder zu Erfahrungen in der Vergangenheit, noch zu Plänen für die Zukunft.

Cool, danke dafür, Seb. Da frage ich mich, warum er überhaupt gekommen ist. Oder irgendeiner von uns.

Aber es war auch erfrischend ehrlich. Er sprach über den Brief und den Antrag auf die neuen und klar untauglichen Aerodynamik-Regeln. Dabei sagte er, wenn er den Delegierten Fotos von den aktuellen Bikes zeigen würde, «würden wir sagen, dass diese nicht innerhalb der Regeln wären». Diese scheinbar einengenden Regeln wurden aber schon letztes Jahr formuliert.

Das gilt gleichsam für Honda und Yamaha, mit ihren seitlichen V-Doppelflügeln bei der Ducati, die am selben Tag auch ihren neuesten «Aero Body» veröffentlicht hatten. Dieser hat doppelte «Box Kites» auf jeder Seite.

Aerodynamik? Trete hervor, ziegenbärtiger, führender Kopf von Ducati Corse, Gigi Dall’Igna, Zauberer der Flügel, Doktor des Abtriebs.

Dall’Igna ärgert sich immer mehr über die Einschränkungen. Seine erste müde Antwort zu den Fragen war: «Ich glaube, wir haben zu viel über Aerodynamik gesprochen. Es ist schwierig, mehr zu sagen.»

?Na gut, Gigi, du hast mit diesem ganzen Winglets-Thema angefangen.

Tatsächlich war es schwierig, ihm nicht zuzustimmen, während er gegen die sich ständig ändernden Regeln wetterte. Aber seine Annahme, dass Michele Pirros schrecklicher High-Speed-Unfall in Mugello «mit gescheiter Aerodynamik nicht passiert wäre», war mehr als nur ein wenig an den Haaren herbeigezogen.

Pirro wurde im Freitag-Training im Juni mit mehr als 300 km/h abgeworfen, weil nach ein argen Wackler seine Bremsbeläge verstreut wurden; und nach der Vollgaskuppe verdrehte sich bei der Landung sein Vorderrad.

Es gibt einen Vorteil in Dall’Ignas Annahme: Der Wackler wäre vielleicht nicht passiert, wenn die Vorderseite richtig vom Wind angeblasen und dank der Flügel niedergedrückt worden wäre.

Aber da das Team seinen Testfahrer mit der Verkleidungsoption losgeschickt hatte, bei der nicht einmal die eingeschränkten Flügel von 2018 angebaut waren, wirkt das alles ein wenig lächerlich.

Auf jeden Fall unterliegt Dall’Igna dem Irrtum, dass es im Rennsport um Technik und wertvolle empirische Forschung Recherche geht. Falsch. Es geht oft in erster Linie nur um die Komödie.

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