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Sachsenring-GP: Teams wegen Steueraffäre verärgert

Von Günther Wiesinger
Der Sachsenring-GP macht den Teams Kopfzerbrechen

Der Sachsenring-GP macht den Teams Kopfzerbrechen

Im Zusammenhang mit dem Motorrad-GP von Deutschland bahnt sich Unheil an. Das Finanzamt Zwickau will etliche GP-Teams zur Kasse bitten. Die betroffenen Teams wollen bis zum Äußersten gehen.

Ein handfester Skandal bahnt sich in steuerlicher Hinsicht im Zusammenhang mit dem Motorrad-GP auf dem Sachsenring an. Das Finanzamt Zwickau will die GP-Teams für ihre Auftritte in Sachsen rückwirkend bis 2010 gehörig zur Kasse bitten. Manche MotoGP-Teams müssten bis zu 1 Million Euro Steuern nachzahlen. Die Teamvereinigung IRTA hat deshalb einen deutschen Rechtsanwalt eingeschaltet. Die Teams fürchten, dass bei Nichtbezahlung der angeblichen Steuerschulden beim Grand Prix im Juli ihr Material wie Trucks, Auflieger oder Rennmaschinen und Hospitalitys beschlagnahmt werden könnte.

«Viele Teams kommen sowieso nicht gerne zum deutschen WM-Lauf, weil die Infrastruktur dort nicht auf dem neuesten Stand ist. Wenn wir jetzt noch für fast zehn Jahre Steuern nachzahlen müssen, bleiben wir lieber daheim», drohten einzelne Teambesitzer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Einige Teambesitzer sprechen erbost von einer Vendetta und von einem Racheakt einer übereifrigen Finanzbeamtin, die die vermeintlich reichen Teams im Nachhinein zur Kasse bitten will.

Offenbar wird in erster Linie nach Teams gejagt, die ihr Domizil in Steueroasen wie Andorra, Monte Carlo, San Marino, Luxemburg oder in die Schweiz verlegt haben.

Die Geschichte zieht sich schon seit einigen Jahren hin. 2017 hat das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn als oberste deutsche Steuerbehörde bei der Teamvereinigung IRTA angefragt, wie viel Geld an die Teams für die deutschen Grand Prix 2016 und 2017 ausbezahlt wurde. Diese Informationen wurden auf Anraten der Rechtsanwälte und Steuerberater geliefert. In Bonn wurde dann offenbar entschieden, dass nicht die Teams für den Auftritt in Deutschland Steuern zahlen müssen, sondern die «Performer», also die Fahrer. Diese Erkenntnis bestand bei der IRTA schon aus einem ähnloich gelagerten Fall in England aus dem Jahr 2002, damals ging es um Valentino Rossi.

Doch im Dezember 2018 und Januar 2019 flatterten bei den Teams Schreiben aus Zwickau ins Haus, in denen erwähnt wurde, die Rennställe hätten seit 2010 für die entsprechenden Steuern Rücklagen bilden müssen. Offenbar wurde das Jahreseinkommen der Teams geschätzt, durch die Anzahl der jährlichen Grand Prix geteilt und der entsprechende Anteil für den Deutschland-GP eingefordert. Von dieser Summe soll eine Einkommensteuer in der Höhe von 15 Prozent bezahlt werden.

«Plötzlich hieß es, wir hätten von 2010 bis heute die Steuern für den deutschen WM-Lauf zurücklegen sollen», wundert sich ein Teamchef. Aber bis 2017 hat das niemand gefordert.

WM-Promoter Dorna bangt jetzt um die Rechtssicherheit für den deutschen Grand Prix. Da 2021 bis zu 21 MotoGP-Events statt 19 stattfinden werden (Finnland, Indonesien, Mexiko oder Brasilien könnten neu dazu kommen), müssen dann ohnedies manche Grand Prix gestrichen oder in ein Rotationsprinzip gezwängt werden.

Die meisten GP-Teams bekamen im Winter vom Finanzamt Zwickau eine Frist von 28 Tagen zur Anerkennung der Steuerschuld. Nur innerhalb dieser vier Wochen war eine Einsprache möglich, davon machte nur ein Team Gebrauch. Damit sollte das Urteil aus Zwickau Rechtsgültigkeit erlangt haben.

Etliche ausländische Teams haben jetzt Angst, deutschen Boden zu betreten oder ihre Lkw durch Deutschland fahren zu lassen. «Mir kommt vor, wir werden da aus Zwickau mit Schrotflinten beschossen», wunderte sich ein Teamchef.

Die Dorna hat sich bereits beim ADAC erkundigt, ob sich eine vernünftige Lösung des bedrohlichen Konflikts finden lassen könnte. Dieser Disput kann voraussichtlich nur auf politischer Ebene oder vor Gericht gelöst werden. Schließlich geht es um mehr als 20 oder 30 Millionen Umwegrentabilität, die jedes Jahr durch den Grand Prix nach Sachsen gespült werden.

Die deutschen Teams wie PrüstelGP, Intact, Max Racing Team (Peter Öttl) und Kiefer Racing sind nicht betroffen, weil sie ohnedies an ihren deutschen Teamstandorten ihre Steuererklärungen einreichen müssen.

«Ich bin 2017 angeschrieben worden und habe den Behörden mitgeteilt, dass wir unserem Fahrer keine Gage bezahlen», erzählte Teambesitzer Peter Öttl. «Danach habe ich nichts mehr gehört. Wenn ich mit dem Team Gewinn mache, muss meine Firma sowieso in Deutschland Steuern bezahlen.»

Speed-up-Teambesitzer Luca Boscoscuro zählt zu jenen Teamchefs, die sich wegen der Zukunft den Kopf zerbrechen. «Wenn das deutsche Beispiel Schule macht, werden uns auch die Behörden in anderen europäischen Ländern belästigen», befürchtet der Ex-Rennfahrer. «Wir müssen mit unseren Trucks immer wieder durch Deutschland fahren, zum Beispiel auf dem Weg nach Assen. Oder nach Brünn. Naja, dort können wir über Österreich ausweichen.»

Bisher ungeschoren blieb das Red Bull KTM-MotoGP-Team. «Wir sind bisher nicht betroffen. Wir sind erst seit 2017 dabei», hielt Teammanager Mike Leitner fest.

Am vergangenen Freitag um 12.30 Uhr fand im Konferenzraum des Losail Circuit bei Doha die jährliche Generalversammlung der Teamvereinigung IRTA statt; danach kochte das Thema hoch. Einigen Teamverantwortlichen platzte richtiggehend der Kragen. «Wenn uns die Deutschen nicht wollen, bleiben wir lieber daheim», war zu hören.

«Wenn wir auf dem Sachsenring nicht mehr erwünscht sind, sollten wir den Grand Prix absagen oder ihm einfach fernbleiben», sprach Ángel-Nieto-Team-Sportdirektor Gino Borsoi seinen Kollegen aus der Seele. «Alle Teams halten in dieser Causa zusammen. Denn es sind alle Rennställe betroffen, egal ob Moto3, Moto2 oder MotoGP, egal ob Werksteam oder Privatteam.»

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