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Pit Beirer: «Bei Abbruch Bikes nicht mehr antasten»

Von Günther Wiesinger
Rennen in Spielberg-2: Oliveira vor Dovizioso, Binder und Nakagami

Rennen in Spielberg-2: Oliveira vor Dovizioso, Binder und Nakagami

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer zieht Bilanz der ersten fünf Grand Prix. Und er plädiert für eine Gesetzesänderung. Bei Rennabbrüchen sollten Benzinmenge und Reifenwahl nicht mehr angetastet werden, wünscht er sich.

Red Bull KTM hat bei den letzten drei MotoGP-Rennen in Brünn und Spielberg zwei Siege abgeräumt, dazu die Pole-Position mit Pol Espargaró beim Steiermark-GP vor acht Tagen. Durch den Riesensprung, den die KTM RC16 im letzten halben Jahr gemacht hat, wurden die Kräfteverhältnisse in der MotoGP-WM über den Haufen geworfen.

Ducati ist in Spielberg nicht mehr unbesiegt, Honda hat in fünf Grand Prix noch keinen Podestplatz, Rookie Brad Binder freut sich über Rang 4 in der Fahrer-WM, KTM hat sich in der Konstrukteurs-WM an dritter Stelle festgesetzt – vor Suzuki und Honda.

Dabei könnte Red Bull KTM noch besser dastehen. Doch beim zweiten Jerez-GP hat Brad Binder seinen Markengefährten Miguel Oliveira und später sich selbst ins Out befördert, und beim GP von Österreich sind Pol Espargaró und Oliveira in Turn 4 im Kiesbett gelandet, sie hätten die Plätze 4 und 5 erstreiten können, den am Ende Binder erbte. Im SPEEDWEEK.com-Interview spricht Pit Beirer über die turbulenten letzten Wochen.

Pit, es gab zwar in Jerez-2 und Spielberg-1 zwei Szenen, die dir vieleicht ein paar graue Haare eingebracht haben. Aber KTM steht in der WM besser da als erwartet. Mit drei Podestplätzen nach fünf Rennen hast du nicht gerechnet. Stimmt diese Vermutung?

Ja, du hast die Situation genau auf den Punkt gebracht.

Klar, beim Österreich-GP vor zwei Wochen haben wir geführt, dann kam der Rennabbruch, da war alles sehr emotional. Aber nach diesen TV-Bildern waren wir zuerst einmal alle froh, dass den Fahrern in Turn 3 oben nichts passiert ist.

Ich habe immer betont: «Konzentrieren wir uns auf die Fakten! Wir haben bei den ersten vier Rennen die Plätze 6, 7, 1 und 4 erreicht.» Und da wollte ich gar nichts entschuldigen oder von Pech reden. Denn das hätten wir vor der Saison sofort als Traumergebnis unterschrieben.

Es hat sich eine Woche später bewahrheitet, dass es sinnvoll war, die Ruhe zu bewahren.

Ich möchte eigentlich im Rennsport nie über Glück und Pech reden. Aber das bisschen Pech, das wir vielleicht am ersten Spielberg-Wochenende gehabt haben, durch den Rennabbruch und den falschen Soft-Hinterreifen bei Pol beim zweiten Start, das hat sich durch etwas Glück beim Steiermark-GP ausgeglichen.

Am Ende des Tages gleichen sich Glück und Pech immer aus. Deshalb hat das alles gepasst.

Und wenn du vier statt zwei MotoGP-Fahrer im Feld hast, vergrößern sich die Chancen, dass sich zwei davon auf der Piste treffen. Anderseits hast du vier Eisen im Feuer.

Ja, man muss schon sagen, wir haben alles sehr, sehr motivierte und emotionale Burschen auf den Motorrädern sitzen. Und wenn du in die Top-Ten der MotoGP möchtest, dann musst du alles geben. Dann wird eine Kurve manchmal eng. Und wenn wie vor einer Wiche vier von uns unter den ersten Zehn sind, dann ist die Chance, dass man sich gegenseitig trifft, natürlich größer.

Was man im Rennstress dann oft vergisst: Die Fahrer haben ja wie Scheuklappen auf, sobald sie den Helm auf den Kopf streifen. und sie können sich bei den Zweikämpfen nicht aussuchen, ob das ein Markenkollege daherkommt oder wer anderer.

Wir haben nach dem Vorfall mit Pol und Miguel am 16. August gleich wieder umgeschaltet und uns vorgenommen: Wir konzentrieren uns aufs Rennen fahren, das ist viel gescheiter. und in der Zwischenzeit sind ja alle unsere vier Jungs schon einmal in dieser Saison belohnt worden.

Wir sind froh, dass unser MotoGP-Konzept jetzt auf einer breiten Basis steht, weil für alle vier unterschiedlichen Fahrer 2020 schon ein gewisser Erfolg machbar war.

Pol hat seine erste MotoGP-Pole und sein erstes Podium im Trockenen, die beiden jungen Burschen Binder und Oliveira haben ihren Sieg, und Iker hat als 20-jähriger Rookie und totales Küken zwei Top-Ten-Plätze hintereinander geholt.

Pol Espargaró hat nach dem Abbruch beim Österreich-GP hinter einen neuen Soft-Reifen nehmen müssen, er hatte keinen frischen medium mehr, weil nicht mit einem Abbruch gerechnet wurde. Aber einige Gegner sind mit dem gebrauchten Medium hinten auch nach dem Re-Start gut über die 20 Runden gekommen. Hat sich Pol falsch entschieden und dadurch die Siegchance verspielt?

Ja, ein Reifen, der gerade acht, neun Runden angefahren wurde, der vielleicht überhitze, dann wieder abkühlt und dann wieder aufgewärmt wird, der braucht halt wieder zwei, drei Runden, bis er wieder optimal funktioniert. Und ein neuer Hinterreifen ist im Prinzip ab der ersten Runde voll belastbar.

Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Wir glauben mittlerweile auch, dass wir mit einem gebrauchten Medium bei Pol einen Ticken schneller gewesen wären als mit dem neuen als mit dem neuen Soft.

Aber das ist auch eine Psychologie-Geschichte für den Fahrer, wenn er nach links und rechts schaut und sieht, die Gegner haben alle neue Reifen drauf. Pol hat halt an den neuen Soft-Reifen geglaubt. Du hast ja bei so einem «quick re-start procedure» keine Zeit, eine wohlüberlegte taktische Entscheidung zu treffen. Da müssen der Fahrer und der Crew-Chief in kürzester Zeit eine Wahl treffen. Und die lautete halt – neuer Soft-Reifen hinten.

Es gab auch Diskussionen, warum es ein 22-Liter-Tankinhalt gibt, aber bei einem re-Start jedes Team beliebig Sprit naschschütten darf. Dadurch konnten die Ducati bei Sielbetg-1 nach dem Re-start ihre volle Power nutzen. Bei der ursprünglichen 28-Runden Distanz ging das nicht.

Ja, wir werden jetzt vielleicht in der MSMA oder in der Grand Prix Commission eine interessante Diskussion anstoßen und die Frage klären, ob man bei Rennabbrüchen die Bikes sofort zurück an die Startlinie oder ins Parc Permé bringen sollte, und nachher muss jeder Teilnehmer mit den gleichen Reifen und der gleichen Benzinmenge losfahren.

Denn im Grunde arbeitet jedes Team zweieinhalb Tage lang an einer Rennstrategie mit einem gewissen Reifen-Compound mit der maximalen Benzinmenge. Aber durch den Re-start haust du alles über den Haufen. Mit dem Wissen, was man im ersten Teilrennen gelernt hat, wird alles umgebastelt und dann neu losgefahren.

Es wäre fairer, wenn niemand mehr sein Motorrad anrühren würde. Außer es fehlt ein Verkleidungsteil oder sonst was, das die Sicherheit beeinträchtigt.

Aber die Benzinmenge und Reifenwahl sollte man nach dem ersten Start nimmer antasten.

MotoGP-Ergebnisse Steiermark-GP:

1. Miguel Oliveira, KTM, 12 Runden, 16:56,015
2. Jack Miller, Ducati, +0,316
3. Pol Espargaro, KTM, + 0,540
4. Joan Mir, Suzuki, + 0,641
5. Andrea Dovizioso, Ducati, + 1,414
6. Alex Rins, Suzuki, + 1,450
7. Takaaki Nakagami, Honda, + 1,864
8. Brad Binder, KTM, + 4,150
9. Valentino Rossi, Yamaha, + 4,517
10. Iker Lecuona, KTM, + 5,068
11. Danilo Petrucci, Ducati, + 5,918
12. Aleix Espargaró, KTM, + 6,411
13. Fabio Quartararo, Yamaha, + 7,406
14. Johann Zarco, Ducati, 7,454
15. Franco Morbidelli, Yamaha, + 10,191
16. Alex Márquez, Honda, + 10,524
17. Cal Crutchlow, Honda, + 11,447
18. Stefan Bradl, Honda, + 11,943
19. Bradley Smith, Aprilia, + 12,732
20.
Michele Pirro, Ducati, + 14,349
21. Tito Rabat, Ducati, + 14,458

WM-Stand nach 5 von 14 Rennen:

1. Quartararo, 70 Punkte. 2. Dovizioso 67. 3. Miller 56. 4. Binder 49. 5. Vinales 48. 6. Nakagami 46. 7. Rossi 45. 8. Mir 44. 9. Oliveira 43. 10. Pol Espargaró 35. 11. Morbidelli 32. 12. Zarco 30. 13. Rins 29. 14. Petrucci 25. 15. Alex Márquez 15. 16. Aleix Espargaró 15. 17. Lecuona 13. 18. Bagnaia 9. 19. Smith 8. 20. Rabat 7. 21. Crutchlow 7. 22. Pirro 4.

Konstrukteurs-WM nach 5 von 14 Rennen:

1. Yamaha 88. 2. Ducati 87. 3. KTM 82. 4. Suzuki 57. 5. Honda 46. 6. Aprilia 20.

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