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2020: Die Saison, die alles auf den Kopf gestellt hat

Kolumne von Michael Scott
Die MotoGP-Sieger 2020: Maverick Viñales, Franco Morbidelli, Joan Mir, Alex Rins, Fabio Quartararo (erste Reihe) sowie Brad Binder, Andrea Dovizioso, Miguel Oliveira und Danilo Petrucci (dahinter)

Die MotoGP-Sieger 2020: Maverick Viñales, Franco Morbidelli, Joan Mir, Alex Rins, Fabio Quartararo (erste Reihe) sowie Brad Binder, Andrea Dovizioso, Miguel Oliveira und Danilo Petrucci (dahinter)

Die verkürzte MotoGP-Saison 2020 erlebte nicht nur neun unterschiedliche Sieger in 14 Rennen. Nach dem Ausfall von Marc Márquez ging es drunter und drüber.

Die MotoGP-Saison 2020 ist Geschichte. Trotz Covid-19 war es am Ende eine intensive Saison, die bis zum kurzfristig eingesetzten Saisonfinale in Portugal durchgezogen werden konnte.

Und es war – vielleicht auch wegen Covid-19 – eine faszinierende Saison. Das Jahr, in dem die großen Favoriten gefallen sind.

Im Fall von Marc Márquez – leider – im wörtlichen Sinne. Und bei seinem fürchterlichen Jerez-Crash hat er letztendlich auch Honda mit nach unten gerissen. Keiner möchte auf ihn verzichten und wir alle hoffen, dass er trotz der dritten OP zu alter Stärke zurückfindet. Aber was für eine Saison hat sich in seiner Abwesenheit entwickelt?

Eine Überraschung folgte auf die andere und alle Prognosen aus der Pre-Season wurden voll an die Wand gefahren. Auf die Nase fielen auch viele von denen, die beim ersten Doppel-Event noch glänzten, als es im Juli in Jerez endlich losging.

Yamaha brauchte gar keinen großen Crash oder viel Pech, um die Erwartungen auf den Kopf zu stellen. Das haben sie schon ganz alleine hinbekommen.

Der Fall der 2020er-Yamaha

Yamahas neuestes Werks-Bike war für Rossi und Viñales öfter ein Hindernis als eine Hilfe. Auch wenn es eine Weile danach aussah, als wäre Quartararo trotz der 2020er-M1 die nächste große Nummer, hielt die Euphorie nicht lange an. Auch er fiel dem inkonstanten Motorrad zu Opfer.

Witzigerweise sammelte Yamaha in einem Jahr, in dem man im Grunde versagt hat, trotzdem mehr Siege und Podestplätze als jeder andere Hersteller. Nur eben zu selten durch denselben Fahrer. Und fast nie war es Superstar Rossi.

So wurde es Morbidelli überlassen, in der WM-Tabelle als bester Yamaha-Pilot die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Dabei hatte man ihm nur ein Vorjahresmodell anvertraut. Er kürte sich am Ende tatsächlich zum Vizeweltmeister, mit nur 13 Punkten Rückstand.

Aber dieselbe quälende Logik, die Rossi auch dann die höchsten Ansprüche zugestand, während er offensichtlich auf das äußerste Limit seines Verfallsdatums zusteuert, verbannt den Zauberlehrling des Altmeisters im kommenden Jahr wieder auf dasselbe alte Bike. Dann ist es zwei Jahre alt, abgesehen von den Updates.

Vielleicht überwiegen aber auch wieder die gleichen unbeabsichtigten Folgen, immerhin hätte sich «Franky» ohne den Motorschaden und den Horror-Crash mit Zarco vielleicht sogar zum neuen Champion gekürt. Hoffentlich entspricht zumindest seine Gehaltsstufe seiner Leistung.

Die Saison der Außenseiter

Ducati traf ihren Top-Fahrer «Dovi», wo es wehtat – in der Bremsphase. Zum Glück hatten sie den immer besseren Jack Miller, der in die Presche sprang. Weniger glücklich war, dass sein Bike stehen blieb, wenn er nicht stürzte oder abgeräumt wurde. Andere Ducati-Piloten waren sporadisch schnell – und Dovi hat (wie Petrucci) doch einen Sieg geschafft. Viel öfter fuhr er aber im Qualifying hinterher und wurde im Rennen in den Schatten gestellt.

So bekam der «Underdog» Suzuki die Chance, die Scherben aufzusammeln. Was sie auf bescheidene Weise zufriedenstellend erledigt haben. Wenn spektakulär nicht gut genug ist, dann wird eben gut genug belohnt.

Alles war so eng und so unerwartet. Es gab auch anderer Außenseiter, die plötzlich an der Spitze waren: KTM feuerte aus allen Rohren, an den Kanonen saßen junge Fahrer. Binders Rookie-Sieg war eine Offenbarung.

Taka Nakagami gehört auch auf diese Liste, zwar wie Morbidelli auf einem Vorjahresbike, trotzdem lasteten nach dem Ausfall des großen Márquez die Hoffnungen des größten Motorradherstellers der Welt auf ihm. Denn der kleine Márquez musste erst auf die Füße kommen, Haudegen Crutchlow war ständig verletzt.

Johann Zarco meldete sich ebenfalls zurück – auch er ließ ein Bike, das schon ein Jahr auf dem Buckel hatte, neu aussehen.

Nur Aprilia verpasste es, auf diesen Trend aufzuspringen. Sie wurden vom Virus am härtesten getroffen, als sie mit dem brandneuen Motor in der Entwicklung hinterher hinkten. Neben den Corona-bedingten Einschränkungen litten sie auch noch unter der Doping-Sperre von Iannone.

Der Effekt hat also nicht bei allen funktioniert, aber acht von 14 MotoGP-Rennen wurden von Kundenteam-Fahrern gewonnen. Beim Saisonfinale in Portimão schaffte es gar kein Werksfahrer aufs Podest – erstmals seit 2004.

Vier «Takeaways»

Die wesentlichen Erkenntnisse aus einer ungewöhnlichen Saison, die künftig sicher wieder ignoriert werden:

Die Back-to-Back-Rennen auf ein und derselben Strecke können großartig sein. Das ist für alle, die sich über den «Murmeltiertag» beklagen. Wer langsam lernt, bekommt eine zweite Chance. Daher im nächsten Jahr bitte zwei Mal Phillip Island, Silverstone und COTA, damit wir das aufholen, was wir 2020 verpasst haben.

Zweitens: Wer braucht Zuschauer? Abgesehen vom GP-Promoter natürlich. Alle anderen kamen bestens zurecht, auch wenn sie es nicht aussprachen. Dorna produzierte jede Menge kitschige Videoclips, in denen die Fahrer vom Skript «We do it for you» und solche Dinge ablasen. Alles nur Gefasel.
Sie machen es für sich, weil sie besessen sind, weil sie unglaublich talentiert sind, weil sie das Rennfahren lieben. Die Fans sind nur dazu da, das zu teilen. Oder eben nicht.

Drittes, und nebenbei gesagt: Der zweifache Saisonsieger Miguel Oliveira ist kein Zahnarzt, ganz egal, wie oft es die Kommentatoren noch einwerfen. Er hat seine Ausbildung auf Eis gelegt, um Rennen zu fahren – und er ist brillant darin.

Zum Schluss noch Glückwunsch an die Dorna, weil sie eine Saison auf die Beine gestellt haben, obwohl es (mehr als einmal) aussah, als sei alles verloren.
Sie haben es für die Fans getan. Oder ist es vielleicht doch nur Business? Wen kümmert das schon? Entscheidend ist, dass sie es überhaupt geschafft haben.

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