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Paolo Ciabatti (Ducati): Lob für KTM und Dani Pedrosa

Von Günther Wiesinger
«Wir haben eine Lektion gelernt», sagt Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti über die verpatzte Saison 2020. Er zeigt Respekt vor Yamaha, Suzuki und KTM und kennt die Ursache für das schwache Abschneiden der Desmosedici.

Ducati hat zwar in den Jahren 2017 bis 2019 mit Andrea Dovizioso dreimal hintereinander den zweiten Platz in der MotoGP-WM hinter dem überragenden Marc Márquez erreicht. Aber der 35-jährige Italiener konnte in der Saison 2020 die Erwartungen nicht erfüllen – er kam über den vierten WM-Rang und den zwölften Platz in der Fahrer-WM nicht hinaus. Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti sucht keine Ausreden, aber er erklärt die Gründe für das mässige Abschneiden und zeigt Respekt für Yamaha, Suzuki und KTM.

Ducati fand bei den Wintertestfahrten erst zu spät heraus, dass die neue Hinterreifen-Generation von Michelin nicht wunschgemäß zur Desmosedici GP20 passte. Beim Februar-Test in Sepang kam das Problem bei den Ducati-Piloten nicht so deutlich zum Vorschein. Und dann konnte wegen des Corona-Lockdowns mit den Stammfahrern bis zum 15. Juli in Jerez nicht getestet werden.

«Wir haben dann festgestellt, dass wir besonders auf den Strecken mit einem sehr niedrigen Grip-Level Mühe hatten», stellte Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti im Interview mit SPEDWEEK.com fest. «Zum Beispiel in Doha und in Jerez. Das lag entweder an der Qualität des Belags oder an der Temperatur. Außerdem sind wir 2020 auf manchen Strecken zu ganz unterschiedlichen Jahreszeiten als früher gefahren. In Jerez zum Beispiel war es Mitte Juli extrem heiß. Ich glaube, nicht einmal in Thailand sind wir jemals bei so einer Hitze gefahren. Außerdem sind wir manchmal auf Strecken gekommen, auf denen es um einiges kühler war als in der Vergangenheit, zum Beispiel in Aragón. Dort war es extrem. Doch ich will keine Ausreden suchen. Denn alle Fahrer und Hersteller waren mit denselben Verhältnissen konfrontiert. Am Ende haben manche Mitbewerber eine bessere Performance abgeliefert als wir.»

Immerhin gewann Ducati trotz nur zwei Siegen erstmals die Konstrukteurs-WM, erstmals seit 2007, als Casey Stoner in der neuen 800-ccm-Ära auch in der Fahrer-WM für Ducati triumphierte.

Aber Yamaha verlor die Marken-WM 2020 nach sieben Siegen (dreimal Quartararo, dreimal Morbidelli, einmal Viñales) nur, weil ihnen für den Spanien-GP 50 Punkte wegen der illegalen Ventile abgezogen wurden.

«Durch die Art und Weise, wie unser Motorrad gebaut ist, haben wir durch die neuen Hinterreifen eventuell etwas mehr gelitten als die Kontrahenten, besonders als die Werke mit Reihenmotoren wie Yamaha und Suzuki», meint Ciabatti. «Ich will aber deren Leistungen nicht schmälern. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.»

KTM setzt zwar wie Honda, Ducati und Aprilia V4-Motoren ein, trotzdem gelangen den Österreichern drei GP-Siege und fünf dritte Plätze durch Pol Espargaró. Dabei kam KTM etwas zugute, dass sie als «concession team» in die WM-Saison gingen und deshalb beliebig oft mit den Stammpiloten testen durften. Dazu testete Dani Pedrosa auf fast jeder GP-Strecke rechtzeitig vor dem Grand Prix.

Ducati fehlten die Test-Kilometer und dadurch wertvolle Informationen. Die Italiener versuchten deshalb bei den beiden Jerez-Rennen zuerst, die Desmosedici durch ein verändertes Set-up der Motorbremse besser an die neuen Hinterreifen anzupassen. «Als wir in Jerez die ersten Rennen bestritten, waren unsere Stammfahrer seit dem Katar-Test nicht auf den Rennmaschinen gesessen, also seit fünf Monaten», sagt Ciabatti. «Dazu kommt, unsere Ingenieure waren vorher im strengen Lockdown wochenlang ins Home Office verbannt worden. Doch wir haben eine Lektion gelernt und kennen inzwischen die Gründe für unsere Ergebnisse. Wir wissen jetzt, wie wir die Balance des Motorrads verbessern müssen. Wir haben ja 2021 dieselben MotoGP-Motorräder auf der Strecke wie in der vergangenen Saison. Auch an den Reifen wird sich nichts ändern. Aber wir haben jetzt mehr Erfahrung damit.»

Hat KTM im Frühjahr stark von den «concession»-Privilegien profitiert? Ciabatti: «Sie durften jederzeit testen. Das war ein Vorteil, klar. Aber es war ein legaler Vorteil. KTM hatte die Erlaubnis für diese Testfahrten und hat aus dieser Situation einen Nutzen gezogen. Sie haben in Spielberg und Brünn intensiv getestet. Das hat ihnen sicher geholfen, das Bike für den Saisonstart sehr gut abzustimmen. KTM hat tadellose Arbeit geleistet und die Vorschriften geschickt genutzt. Sie haben drei Rennen gewonnen. eines mehr als wir. Sie haben gezeigt, dass sie jetzt auf einem sehr hohen, konkurrenzfähigen Level agieren. Wir glauben auch, dass Testfahrer Dani Pedrosa dem ganzen KTM-Projekt viel Schwung verliehen und die Entwicklung in die richtige Richtung geleitet hat. Seine Verpflichtung hat sich bezahlt gemacht. Dadurch hat sich KTM einige technische Irrwege bei der Entwicklung erspart. Dani leistet ausgezeichnet Arbeit. Er war eine gute Wahl. Wenn du so einen Testfahrer mit so viel Erfahrung und so viel Charisma hast, findest du rascher Lösungen, die auch für die Werksfahrer effizient funktionieren. Die Ingenieure konnte sich dann offenbar auf die richtigen Gebiete fokussieren und das Motorrad zum Vorteil der Fahrer verbessern.»

«Dani hat nach der Saison 2018 seine Karriere als Rennfahrer aus bestimmten Gründen beendet», hält Paolo Ciabatti fest. «Aber er ist zweifelsohne immer noch super schnell und super fit.»

Alle MotoGP-Sieger 2020

Jerez-1: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Brünn: Brad Binder (Red Bull KTM)
Spielberg-1: Andrea Dovizioso (Ducati Team)
Spielberg-2: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech3)
Misano-1: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Monster Yamaha)
Catalunya: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Le Mans: Danilo Petrucci (Ducati Team)
Aragón-1: Alex Rins (Suzuki Ecstar)
Aragón-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Valencia-1: Joan Mir (Suzuki Ecstar)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech3)

MotoGP-Pole-Positions 2020

Jerez-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Yamaha)
Brünn: Johann Zarco (Ducati)
Spielberg-1: Maverick Viñales
Spielberg-2: Pol Espargaró (KTM)
Misano-1: Maverick Viñales (Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Yamaha)
Catalunya: Franco Morbidelli (Yamaha)
Le Mans: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-2: Takaaki Nakagami (Honda)
Valencia-1: Pol Espargaró KTM)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (KTM)

MotoGP-Pole-Positions 2020

Yamaha 9
KTM 3
Ducati 1
Honda 1
Suzuki 0
Aprilia 0

MotoGP-Podestplätze 2020

Yamaha 12
Morbidelli 5 (3x Platz 1, 1x Platz 2, 1x Platz 3)
Quartararo 3 (3x Platz 1)
Viñales 3 (1x Platz 1, 2x Platz 2)
Rossi 2 (1x Platz 3)

Ducati 9
Miller 4 (3x Platz 20, 1x Platz 3)
Dovizioso 2 (1x Platz 1, 1x Platz 3)
Petrucci 1 (2x Platz 1)
Zarco 1 (2x Platz 3)
Bagnaia 1 (1x Platz 2)

KTM 8
Pol Espargaró 5 (5x Platz 3)
Oliveira 2 (2x Platz 1)
Brad Binder 1 (1x Platz 1)

Suzuki 11
Mir 7 (1x Platz 1, 3x Platz 2, 3x Platz 16)
Rins 4 (1x Platz 1, 2x Platz 2, 1x Platz 3)

Honda 2
Alex Márquez 2 (2x Platz 2)

Aprilia 0

Endstand Fahrer-WM nach 14 Rennen:

1. Mir 171 Punkte. 2. Morbidelli 158. 3. Rins 139. 4. Dovizioso 135. 5. Pol Espargaró 135. 6. Viñales 132. 7. Miller 132. 8. Quartararo 127. 9. Oliveira 125. 10. Nakagami 116. 11. Binder 87. 12. Petrucci 78. 13. Zarco 77. 14. Alex Márquez 74. 15. Rossi 66. 16. Bagnaia 47. 17. Aleix Espargaró 42. 18. Crutchlow 32. 19. Bradl 27. 20. Lecuona 27. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.

Endstand Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 221 Punkte. 2. Yamaha 204. 3. Suzuki 202, 4. KTM 200. 5. Honda 144. 6. Aprilia 51.

Team-WM nach 14 Rennen:

1. Team Suzuki Ecstar 310 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 248. 3. Red Bull KTM Factory Racing 222. 4. Ducati Team 213. 5. Pramac Racing 163. 6. Monster Energy Yamaha MotoGP 178. 7. Red Bull KTM Tech3, 152. 8 LCR Honda 148. 9. Repsol Honda Team 101. 10. Esponsorama Racing 87. 11. Aprilia Racing Team Gresini 54.

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