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Stefan Bradl: «Die MotoGP ist am menschlichen Limit»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl findet es übertrieben, dass mittlerweile jede Kleinigkeit ‘under investigation’ ist und so viele Strafen verhängt werden. Er schildert eindrucksvoll, wie stark die MotoGP-Fahrer heute belastet sind.

Bei den ersten zwei MotoGP-Events haben sich in diesem Jahr bereits fünf der 22 Stammfahrer verletzt, gestern gingen beim Argentinien-GP nur noch 17 Fahrer an den Start des Volldistanz-Rennens. Solche Startfelder gab es zuletzt in den Jahren 2010 und 2011, ehe für die Privatteams die Claiming Rule-Bikes mit den Superbike-Rennmotoren erlaubt wurden, wodurch sich die Anzahl der Fahrer erhöhte, aber die Leistungsdichte schrumpfte.

Wie beurteilt Stefan Bradl die Situation? Wie fällt seine Bilanz nach den ersten vier Saisonrennen aus? «In Portimão ist ein bisschen viel auf einmal passiert», fasst der Bayer zusammen. «Das war dort teilweise auch durch die Rennstrecke und die üblen Zustände in den Kiesbetten bedingt. Aber beim Sonntag-Rennen in Las Termas haben schon fünf Rennfahrer gefehlt, das ist furchtbar schlecht. Aber durch das Strecken-Layout und durch die Wetterverhältnisse in Argentinien ist die Verletzten-Bilanz nicht mehr ganz so schlimm gewesen wie in Portugal. Aber ich fürchte, wenn wir nach Europa zurückkommen, wird es wieder heisser hergehen, dann wird wieder mehr passieren. das ist auf das neue Format zurückzuführen, denn jetzt muss schon am Freitag im FP2 jeder wie ein Wahnsinniger Vollgas fahren, wenn er direkt ins Q2 kommen will. Am Samstagvormittag folgt neu jetzt schon das Qualifying. Du bist permanent nicht nur unter ein bisschen Stress, sondern du bist dauernd gefordert, 110 Prozent zu geben.»

Den FIM-MotoGP-Stewards wurde bei den ersten zwei Events mehrmals vorgeworfen, sie würden bei den Penaltys nach Zwischenfällen zu viel nach Gutdünken bestrafen, es ist kein System zu erkennen, bei Marc Márquez wurde die Strafe («double long lap penalty») als zu milde beurteilt. Aleix Espargaró forderte unvermissverständlich eine Rennsperre, auch Oliveiras RNF-Aprilia-Teamchef Razlan Razali.

Bei der Berührung zwischen Viñales und Binder am Sonntag in Las Termas in der ersten Runde schien der Spanier auch wenig Rücksicht zu nehmen… Noch dazu gleich in der ersten von 25 Runden.

«Ja, aber die Stewards haben einen schwierigen Job», gibt Stefan Bradl zu bedenken. «Wo strafst du und wo strafst du nicht? Das ist ein schwieriges Kapitel. Ich finde es ein bisschen übertrieben, dass mittlerweile jede Kleinigkeit ‘under investigation’ ist und dann oft Strafen verhängt werden. Für mich ist teilweise schwierig zu verstehen, nach welchem System die Penaltys verteilt werden. Es gibt da kein exaktes Regelbuch und keinen exakten Strafenkatalog. Es wird nur am Donnerstag beim Debrief besprochen, welche Strafen bei unverantwortlicher Fahrweise verhängt werden können, wenn man einen Gegner in Gefahr bringt oder einen Sturz herbeiführt.»

«Gestern gab es zuerst den Zwischenfall mit Binder, gleich danach kam es zum Vorfall zwischen Nakagami und Quartararo. Beim zweiten Vorfall ist zwar keiner gestürzt, aber Quartararo musste komplett bis an die Streckenbegrenzung rausfahren und fiel auf Platz 15 zurück.»

Bradl weiter: «Ich weiß auch kein Patentrezept. Wenn du alle so fahren lässt, wie sie es gerne täten, passieren noch mehr Unfälle. Dann würde es noch mehr ausarten. Im Qualifying und im Sprintrennen am Samstag wollen alle mit dem Kopf durch die Wand. Wie gesagt, alle riskieren da 110 Prozent. Trotzdem sollst du immer deine Linie perfekt halten, auf die ‘track limits’ aufpassen und alle Devices zum richtigen Zeitpunkt aktivieren. Irgendwann erreicht dabei das menschliche Können einmal das Limit. Dann passieren Kollisionen. Wir Fahrer haben keinen Spielraum mehr für den minimalsten Patzer. Wenn du dann einen kleinen Fehler begehst und der sofort bestraft wird… Wir sind in diesem Sport am menschlichen Limit angekommen. Es ist an der Zeit, die MotoGP leicht zu entschärfen.»

Bradl gibt noch zu bedenken: «Die Teams und Werke tun sich deshalb ja auch so schwer, vernünftige Ersatzfahrer zu finden. Früher hat man sie aus der Superbike-WM oder Moto2 geholt. Aber das ist heute nicht mehr zielführend, die Ansprüche sind zu hoch. Selbst für uns Testfahrer, die nur einmal im Monat auf dem MotoGP-Bike sitzen, ist es schwierig, in die Punkte zu fahren.»

Ergebnisse MotoGP-Rennen, Termas de Rio Hondo (2. April):

1. Marco Bezzecchi (I), Ducati, 25 Runden in 44:28,518 min
2. Johann Zarco (F), Ducati, +4,085 sec
3. Alex Márquez (E), Ducati, +4,681
4. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +7,581
5. Jorge Martin (E), Ducati, +9,746
6. Jack Miller (AUS), KTM, +10,562
7. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +11,095
8. Luca Marini (I), Ducati, +13,694
9. Alex Rins (E), Honda, +14,327
10. Fabio Di Giannantonio (I), Ducati, +18,515
11. Augusto Fernández (E), KTM, +19,380
12. Maverick Viñales (E), Aprilia, +26,091
13. Takaaki Nakagami (J), Honda, +28,394
14. Raúl Fernández (E), Aprilia, +29,894
15. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +36,183
16. Pecco Bagnaia (I), Ducati, +47,753
17. Brad Binder (ZA), KTM, +48,106

Ergebnisse MotoGP-Sprint, Termas der Rio Hondo (1.4.):

1. Brad Binder, KTM, 12 Rdn in 19:56,873 min
2. Marco Bezzecchi, Ducati, +0,072 sec
3. Luca Marini, Ducati, +0,877
4. Franco Morbidelli, Yamaha, +2,354
5. Alex Márquez, Ducati, +2,462
6. Pecco Bagnaia, Ducati, +2,537
7. Maverick Viñales, Aprilia, +2,643
8. Jorge Martin, Ducati, +3,754
9. Fabio Quartararo*, Yamaha, +4,856
10. Jack Miller, KTM, +5,143
11. Takaaki Nakagami, Honda, +5,574
12. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +6,965
13. Johann Zarco, Ducati, +7,568
14. Raúl Fernández, Aprilia, +7,725
15. Alex Rins, Honda, +8,687
16. Augusto Fernández, KTM, +9,040

*= mit 1 Sekunde Zeitstrafe wegen Überholens bei gelber Flagge

WM-Stand nach 4 von 42 Rennen:

1. Bezzecchi, 50 Punkte. 2. Bagnaia 41. 3. Zarco 35. 4. Alex Márquez 33. 5. Viñales 32. 6. Miller 25. 7. Martin 22. 8. Binder 22. 9. Morbidelli 21. 10. Quartararo 18. 11. Marini 15. 12. Rins 13. 13. Aleix Espargaró 12. 14. Augusto Fernández 8. 15. Nakagami 7. 16. Marc Márquez 7. 17. Di Giannantonio 6. 18. Mir 5. 19. Oliveira 3. 20. Raúl Fernández 2.

Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 71 Punkte. 2. KTM 38. 3. Aprilia 32. 4. Yamaha 27. 5. Honda 20.

Team-WM:
1. Mooney VR46 Racing, 65 Punkte. 2. Prima Pramac 57. 3. Red Bull KTM 47. 4. Aprilia Racing 44. 5. Ducati Lenovo 41. 6. Gresini Racing 39. 7. Monster Energy Yamaha 39. 8. LCR Honda 20. 9. Repsol Honda 12. 10. GASGAS Tech3 8. 12. CryptoDATA RNF 5.


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