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Knalleffekt: Red Bull und KTM wollen die 2 LCR-Plätze

Von Günther Wiesinger
Seit fast einem halben Jahr wird spekuliert, ob Marc Márquez für 2024 das Team und den Hersteller wechseln könnte. Jetzt zeichnet sich eine überraschende Lösung für Márquez und Acosta ab.

Wenn selbst langjährige Honda-Teammitglieder plötzlich darauf wetten, dass Marc Márquez 2024 auf KTM umsteigen wird, ist es höchste Zeit, dieser Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Denn der Spanier hat spätestens nach den fünf Stürzen auf dem Sachsenring und dem erneuten Startverzicht in Deutschland und am Sonntag in Assen eingesehen, dass der im Januar 2020 abgeschlossene Vier-Jahres-Vertrag mit HRC ein Fehler war, auch wenn er eine Jahresgage von 20 bis 25 Millionen einbringt.

Dass bei Ducati, Aprilia und Yamaha aus unterschiedlichen Gründen kein Interesse am sechsfachen MotoGP-Weltmeister bestand, war bereits im März und April 2023 offenkundig.

Und bei der Pierer Mobility AG existierte schlicht kein Platz für den 30-jährigen Spanier. Denn Binder und Miller haben wasserdichte Verträge für das Red Bull KTM Factory Racing Team 2024 und in dieser Saison schon einige starke Vorstellungen dargeboten.

Beim GASGAS Factory Racing Tech3-Rennstall von Hervé Poncharal bestand schon vor dem Saisonstart in Portimão ein Engpass: Denn für 2024 drängten sich dort Pol Espargaró (er hat einen Vertrag für die kommende Saison), Moto2-Weltmeister Augusto Fernández und der aktuelle Moto2-Titelanwärter Pedro Acosta um zwei Plätze.

Der Versuch, dem begnadeten Acosta (Moto3-Weltmeister 2021) eine dritte Moto2-WM-Saison für 2024 schmackhaft machen, schlug bereits frühzeitig fehl.

Red Bull erkundigte sich beim Portugal-GP nach möglichen zusätzlichen Startplätzen. Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta stellte aber klar, dass die beiden verwaisten Suzuki-Plätze für ein Werksteam (wie BMW, Kawasaki oder MV Agusta) reserviert bleiben und bis dahin mit 22 Fahrern und elf Teams gefahren wird.

Red Bull und KTM konnten aber weder bei Mooney VR46 und Gresini Racing auf zusätzliche Plätze zugreifen, weil diese beiden Rennställe mit Ducati weitermachen. RNF bleibt bei Aprilia, Pramac bei Ducati, und LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello hat einen Drei-Jahresvertrag mit HRC bis Ende 2024.

SPEEDWEEK.com deckte dann im Juni auf, dass Red Bull und KTM bei der Dorna nicht lockerließen und anfragten, ob nicht Moto3- und Moto2-Teamchef Aki Ajo zwei MotoGP-Plätze für die drei Jahre 2024 bis 2026 haben könnten. Diese Plätze wären offenbar für Márquez und Acosta vorgesehen gewesen. Bis 2026 steigt sowieso kein neues Werk ein; denn 2027 tritt ein neues Technik-Reglement in Kraft.  

Inzwischen war durchgesickert, dass Red Bull, KTM und Ajo ein sehr attraktives Fahrerduo angeboten haben: Marc Márquez und Pedro Acosta.

Zur Erinnerung: Marc Márquez hat die 125er-WM 2010 im Ajo-Team auf einer Derbi gewonnen, der Kontakt ist nie abgerissen. Und auch Red Bull-KTM-Teammanager Francesco Guidotti pflegt ein gutes Verhältnis zum Superstar aus Cervera: Er hat in der 125er-WM 2008 und 2009 als KTM-Teammanager mit dem aufstrebenden Talent aus Spanien zusammengearbeitet. Marc beendete die 125er-WM 2009 auf der KTM als Gesamtachter.

Guidotti verriet im Juni, er arbeite mit Nachdruck an einem Plan, Márquez zu KTM zu bringen. «Wenn Ducati acht Plätze haben kann, warum dürfen wir dann nicht sechs Slots beanspruchen», fragte sich der Italiener, der bis Ende 2022 zehn Jahre lang bei Pramac-Ducati beschäftigt war.

Jetzt zeichnet sich ab, wie unter Zeitdruck noch ein Deal zwischen Red Bull und KTM und Marc Márquez zustande kommen kann: Die Pierer-Gruppe steht in Kontakt mit LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello – und möchte ihn ins KTM-Lager holen.

Auf die Frage, wie seine Vertragssituation bei Honda aussieht, stellte der siebenfache 125-ccm-GP-Sieger gegenüber SPEEDWEEK.com fest: «Ich habe einen Drei-Jahresvertrag mit HRC bis Ende 2024. That’s it.»

Auf die Frage, ob er die Vereinbarung erfüllen werde, antwortete Cecchinello mit einem vielsagenden Schweigen.

Aber er weiß natürlich, dass KTM die MotoGP-Aktivitäten ausweiten möchte. Und er hat seit Jahren ausgezeichnete Beziehungen zu Red Bull – von 2012 bis 2014 wegen Stefan Bradl: er hatte damals auch Red Bull-Werbung auf der LCR-Honda RC213V. Danach war Red Bull-Athlet Jack Miller bei LCR, nachher folgte Taka Nakagami.

Cecchinello war schon ein KTM-Kandidat, als für 2019 das erste MotoGP-Kundenteam gegründet wurde. Aber er lehnte ab und blieb bei Honda. KTM entschied sich deshalb für Tech3; das französische Team hatte 18 Jahre lang mit Yamaha kooperiert.

LCR bestreitet jetzt die 18. MotoGP Saison mit Honda.

Jeder aufmerksame Beobachter hat jedoch mitbekommen, dass sich das Verhältnis zwischen dem LCR-Team und den HRC-Verantwortlichen in den letzten sechs, sieben Monaten stark abgekühlt hat.

Auch Alex Rins macht kein Geheimnis daraus, dass HRC das vereinbarte erstklassige Material nicht geliefert hat, deshalb möchte er ins Yamaha-Werksteam wechseln – trotz eines Vertrags für 2024.

Als nach dem Rins-Sieg in Texas die Frage aufkam, ob der Spanier eventuell 2024 statt Joan Mir ins Repsol-Team verfrachtet werden könnte, war Cecchinello überzeugt: «Nie im Leben. Alex wird 100-prozentig auch 2024 bei LCR fahren.»

Jetzt stehen die Chancen aufs Rins’ Wechsel zu Yamaha bei fifty-fifty.

Offenbar leben die HRC-Manager noch in dem Zeitalter, als die MotoGP-Kundenteams mit gebrauchten Bikes abgespeist wurden, nur das Startfeld auffüllten und der Erfolg eines Kundenteams genau so unerwünscht war wie der Sieg eines gegnerischen Herstellers.

Ducati, Yamaha (2019 und 2020 bei Petronas, 2021 bei WithU-RNF) und KTM sowie GASGAS haben ihre Satellitenteams längst mit erstklassigem Material ausgestattet; Ducati macht das zumindest seit Jahren bei Pramac.

LCR ist 2006 mit Casey Stoner und Honda in die MotoGP-WM eingestiegen und zählt zu den besten Privatteams in der «premier class» – und mit vier Siegen (3x Crutchlow, 1x Rins) auch zu den erfolgreichsten.

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