Valentino Rossi sucht das Glück

VR46: Mit «Diggia» besser bedient als HRC mit Marini?

Von Günther Wiesinger
«Es ist ein Erfolg, wenn wir mit Luca Marini den dritten Fahrer nach Bagnaia und Morbidelli in einem Werksteam unterbringen», erklärte Mooney-Teamchef Uccio Salucci. Im Gegenzug bekam er mit «Diggia» einen Siegfahrer.

Mooney VR46-Ducati-Teamdirektor Uccio Salucci hatte sich am Samstagabend in Sepang (11.11.) gewünscht, Repsol-Honda möge bis zum Freitag in Katar (17.11.) festlegen und verkünden, ob Luca Marini dort 2024 neben Joan Mir fahren wird. Doch nachher sind 16 Tage verstrichen, bis Repsol und Mooney VR46 diese Neuigkeit bestätigten. Am Tagen darauf nahm der Marc Márquez-Nachfolger bereits in der HRC-Box Platz und testete am vergangenen Dienstag die Honda RC213V.

Die HRC-Manager hatten Luca Marini (26) zuerst nur einen Ein-Jahres-Vertrag angeboten, daran zeigte er kein Interesse. Als die Japaner einen Zwei-Jahres-Werksvertrag auf den Tisch legten, einigten sich Marini und sein Manager Francesco Secchiaroli sowie Valentino Rossi mit dem Honda-Konzern. Nach genau 20 Jahren sitzt also wieder ein Familienmitglied von Rossi in der «premier class» auf einer Werks-Honda.

Marini sehnte sich nach drei MotoGP-Jahren nach einem Werksvertrag, bei Ducati hat er nur 2022 eine aktuelle Desmosedici GP22 erhalten, doch 2023 wurde er vom Teamkollegen Marc Bezzecchi (drei MotoGP-Saisonsiege) deutlich überstrahlt, eine neue Ducati-Werksmaschine eines aktuellen Jahrgangs war nicht in Aussicht.

Der Bruder von Valentino Rossi bleibt zwar der VR46 Riders Academy sehr dankbar und eng verbunden, aber er sehnte sich nach dem achten WM-Rang 2023 nach einem Tapetenwechsel und mit 26 Jahren nach mehr Unabhängigkeit vom großen Bruder. Dazu kommt: Einen prächtig dotierten Zwei-Jahres-Vertrag beim ruhmreichen Repsol-Team lehnt sowieso kein ernsthafter MotoGP-Pilot ab, schon gar nicht, wenn er bei 56 MotoGP-Teilnahmen nur zwei Pole-Positions und zwei Podestplätze (3. Ränge in Texas und Doha 2023) vorzuweisen hat, aber keinen Sieg.

Im VR46-Umfeld war Luca «Maro» Marini immer dem Vorwurf ausgesetzt, er sei in erster Linie wegen der Verwandtschaft zum neunfachen Weltmeister unter Vertrag.

Und manchmal kommen Uccio Salucci und Valentino Rossi in eine Zwickmühle und in einen Interessenskonflikt: Einerseits sollen sie die besten Lösungen für ihre VR46-Fahrer suchen, anderseits brauchen sie Millionen-Sponsoren für das eigene MotoGP-Team, das von 2024 bis 2026 von Pertamina Lubricants (Indonesien) finanziert wird, dazu starke Fahrer für den Motorradlieferanten, der 2025 und 2026 aller Voraussicht nach Yamaha sein wird.

Wenn das Wohl des Fahrers immer im Vordergrund stehen würde, hätte Marco Bezzecchi für 2024 von Mooney VR46 zu Prima Pramac Ducati transferiert werden müssen. Jetzt hat der langsamere Franco Morbidelli, in Sepang immerhin auf Platz 7, dort das große Los gezogen und die Nachfolge von Zarco angetreten.

Luca Marini steigt dafür finanziell besser aus. HRC hat nach dem Weggang von Marc Márquez (Jahresgage bei HRC ca. 18 Millionen Euro) genug Geld in der Portokasse, um «Maro» den Umstieg von der Desmosedici auf die problematische Honda mit einem Schmerzensgeld von 2 bis 3 Millionen Euro schmackhaft zu machen. Seine VR46-Gage wurde auf 1 Million Euro geschätzt. 

Und nach den Absagen von fast einem Dutzend Fahrern von Acosta über Oliveira bis zu Zarco, Aleix Espargaró, Viñales, Pol Espargaró und Toprak Razgatlioglu brauchte HRC einen Top-Ten-Fahrer so dringend wie ein Vegetarier sein Obst und Gemüse.

Doch nach den Paradevorstellungen von Fabio Di Giannantonio bei den letzten fünf Grand Prix (Platz 3 in Phillip Island, Sieg in Doha, Platz 2 in Valencia) hat vielleicht das künftige Pertamina Lubricants VR46-Ducati-Team mit Notnagel «Diggia» ein besseres Los gezogen als Repsol mit Marini.

Denn Marini erbeutete bei den letzten fünf Sonntag-Rennen 52 WM-Punkte, Di Giannantonio 75, damit sogar deutlich mehr als Vizeweltmeister Jorge «Martinator» Martin (55). Der nervenstarke Weltmeister Pecco Bagnaia hamsterte von Australien bis Valencia dank fünf Podestplätzen in Serie sogar satte 101 Punkte ein!

Unbestritten ist: Di Giannantonio wird 2024 den konkurrenzfähigeren fahrbaren Untersatz in den Händen haben. Das hat sich beim Test vor fünf Tagen in Valencia bereits abgezeichnet.

Ergebnis Valencia-Test (28. November):

1. Viñales, Aprilia, 1:29,253 min
2. Binder, KTM, + 0,028 sec
3. Bezzecchi, Ducati, + 0,093 sec
4. Marc Márquez, Ducati, + 0,171
5. Raúl Fernández, Aprilia, + 0,263
6. Alex Márquez, Ducati, + 0,385
7. Di Giannantonio, Ducati, + 0,409
8. Bastianini, Ducati, + 0,543
9. Miller, KTM, + 0,648
10. Marini, Honda, + 0,703
11. Bagnaia, Ducati, + 0,717
12. Quartararo, Yamaha, + 0,769
13. Mir, Honda, + 0,798
14. Augusto Fernández, KTM, + 0,824
15. Martin, Ducati, + 0,899
16. Morbidelli, Ducati, + 0,953
17. Zarco, Honda, + 1,030
18. Acosta, KTM, + 1,223
19. Rins, Yamaha, + 1,311
20. Crutchlow, Yamaha, + 1,512
21. Nakagami, Honda, + 1,723
22. Aleix Espargaró, Aprilia, + 3,059
23. Savadori, Aprilia, + 3,431

 

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