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Organisiertes Chaos: Die Marc-Marquez-Start-Sabotage

Von Thomas Kuttruf
Bis drei Minuten vor dem Start zum Red Bull Grand Prix of the Americas lief alles streng nach Protokoll. Dann probierte Ducati-Pilot Marc Marquez die bislang nie dagewesene Variante eines Startabbruchs aus. Mit Erfolg.

Der Rennsonntag von Austin wird in die Geschichtsbücher des Grand-Prix-Sports eingehen. Das lag weniger an einem außergewöhnlich spannenden Renngeschehen, sondern an der Art und Weise, wie der dritte Grand Prix der MotoGP-Saison 2025 zustande kam.

Nicht zu steuern war das Wetter über dem Circuit of the Americas von Austin. Regnerisch am ersten Tag des Events, sommerlich und mit blauem Himmel am Samstag, verhielt es sich am Sonntag unentschlossen und in tiefem Grau. Während die Piloten der Moto3-WM trocken davonkamen, hatte es vor dem Lauf der mittleren Kategorie angefangen leicht zu regnen.

Der Slick-Poker einiger Moto2-Fahrer ging schief. Zwar bildete sich im Laufe des Rennens eine trockene Linie, doch um den Sieg ging es ausschließlich mit profilierten Regenreifen. Um das Drama weiter zu verfeinern, begann es rund eine halbe Stunde vor dem Start der Königsklasse wieder leicht zu regnen. Die wenigen Minuten reichten aus, um das riesige Areal inklusive des 5513 m langen Circuits zu bewässern.

Um 13:29 Uhr wurde der US-GP von der Rennleitung offiziell als Regenrennen ausgerufen. Als sich die Piloten begannen, für die Besichtigungsrunde ab 13.35 Uhr startklar zu machen, herrschte die überwiegende Meinung, dass das Rennen auf Regenreifen gestartet wird. Bestärkt wurde diese Sichtweise auch durch den Sturz von Fabio Quartararo. Der Franzose hatte sich in seiner zweiten Einführungsrunde ebenfalls mit Slicks auf die feuchte Bahn begeben.

Um eine bestmögliche Bestandsaufnahme zu treffen, ist es auch gestattet, mehrere Besichtigungsrunden zu drehen. Möglich ist dies, solange die Ampel an der Ausfahrt der Boxengasse auf Grün geschaltet ist.

Ist die Boxenausfahrt geschlossen, ist laut Regelwerk zwar weiterhin ein Wechsel des Motorrads gestattet, doch ohne Strafe bleibt der Wechsel nur im Falle eines (dokumentierten) technischen Defekts. Wechselt ein Pilot das Motorrad aus reiner Spekulation auf eine bessere Reifenwahl, so die im offiziellen Grid-Protokoll der MotoGP festgehaltene Regel, wird dies mit einer Durchfahrtstrafe geahndet.

Um 13:42 Uhr hatten alle 22 MotoGP-Bikes ihre Startplätze eingenommen. Und nun übernahm Dirigent Marc Marquez. Der Spanier, dank seiner Elite-Mannschaft bestens vertraut mit den Regeln, realisierte, nachdem die Boxengasse geschlossen war, seinen Fehler, nicht mit Slicks ausgerückt zu sein. Marquez war damit nicht allein. Nur wenige Piloten, darunter Trackhouse-Rookie Ai Ogura und KTM-Pilot Binder, hatten sich intuitiv richtig für Slicks entschieden. Wie auch durch Scouts auf der Strecke an die Teammanager berichtet, war um 13:55 Uhr klar: Slicks sind das Gebot der Stunde.

Doch anstatt sofort die Startaufstellung zu verlassen, in der Box das Trocken-Bike abzuholen und sich vor der roten Ampel der Boxenausfahrt einzufinden – im Wissen, später eine Durchfahrtsstrafe absitzen zu müssen –, entschloss sich Marc Marquez in letzter Minute, mit einem Regel-Poker einen Rennabbruch herbeizuführen.

Und das ging so: Marquez wartete maximal mit seinem Abschied aus der Startaufstellung in der Hoffnung, dass ihm mindestens 10 Fahrer folgen würden. Denn, so die MotoGP-Regel zum Startprozess, entscheiden sich 10 oder mehr Fahrer für einen Start aus der Boxengasse, wird der Startprozess unterbrochen und ein neuer Starttermin mit Quick-start-Prozedur ausgerufen.

Um 13:57 Uhr und vor den Augen von Millionen Fernsehzuschauern vollstreckte der Multi-Weltmeister aus Spanien seinen Plan – der aufging. Zwar folgten dem in Richtung Ducati-Box rennenden Marc Marquez nur 8 Piloten, darunter Alex Marquez, Pecco Bagnaia und Fabio Di Giannantonio, doch durch das in Sekunden entstandene Chaos am Gatter zwischen Startaufstellung und Boxengasse verwandelte sich die Boxengasse in kürzester Zeit in ein Durcheinander aus sprintenden Piloten und Mechanikern.

Um 13:59 und 46 Sekunden (offizielle Startzeit 14 Uhr!) zog die Rennleitung die Notbremse: Startabbruch. Gerechtfertigt und begründet wurde die Entscheidung durch folgendes Statement, gezeichnet von Rennleiter Mike Webb: «Wir haben aus Sicherheitsgründen eine Verzögerung und dann einen Quick-Start angeordnet. Angesichts der Anzahl von Fahrern, Motorrädern und Boxenpersonal in der Startaufstellung und im Bereich der Boxengasse war es unmöglich, die Aufwärmrunde zu starten. Ein Neustart des Rennens war die sicherste Lösung, um auf die noch nie dagewesenen Umstände beim Start des Grand Prix zu reagieren. Wir werden die Situation gemeinsam mit den Teams analysieren und das Reglement überarbeiten.»

Immerhin sprechen aus der Aussage auch Selbstkritik und die Erkenntnis, dass die existierenden Regeln noch nicht alle Szenarien abdecken. Der Versuch der Piloten, wenig überraschend angeführt von Marc Marquez, war jedenfalls erfolgreich.

Nicht nur unzufrieden, sondern wutentbrannt reagierten jene, die im Rahmen des regulären Startprozederes alles richtig gemacht hatten. Trackhouse-Aprilia-Teammanager Davide Brivio war – und das völlig zurecht – außer sich. Der große Vorteil seines Schützlings Ai Ogura war im großen Start-Tumult von Austin verpufft.

Dass ausgerechnet Marc Marquez als größter Profiteur der Start-Sabotage mit Slicks einen nassen Fleck traf und aus dem Grand Prix stürzte, sorgte zwar im Nachhinein für sportliche Gerechtigkeit, beendete aber nicht die Verwirrung eines Millionen-Publikums.

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