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Marc Márquez: Seine Boxencrew versagte kläglich

Von Günther Wiesinger
Marc Márquez fuhr im Australien-GP eine Runde zuviel, seiner Crew fehlte völlig der Plan. Sein Hinterreifen stand kurz vor der Auflösung.

Dass Marc Márquez am Sonntag beim Phillip-Island-GP das Zeitfenster für den Boxenstopp verschlafen hat, man musste nach Runde 9 oder 10 zum Motorradwechsel fahren, war ein Desaster sondergleichen – vor allem für die Führung des ruhmreichen Repsol-Honda-Werksteams.

Dort stehen HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto und Teamprinzipal Livio Suppo in der Verantwortung.

Frage an Livio Suppo unmittelbar nach der schwarzen Flagge: Kannst du die Vorkommnisse kurz zusammenfassten?

Der Italiener entgegnete kurz und bündig: «Shit.»

Dann kam der ehemalige Ducati-Teammanager (er arbeitet seit 2009 für HRC) zur Sache. «Unser Fehler ist, dass wir im Team zu wenig miteinander reden. Wir machen nicht genug Meetings», ging Suppo mit sich selber ins Gericht.

Repsol-Honda hat die Weltmeisterschaft in der Königsklasse seit 1995 mit Mick Doohan, Alex Crivillé, Nicky Hayden und Casey Stoner gewonnen.

Mit Márquez und Pedrosa wurde die WM 2013 dominiert, Repsol-Honda hat 9 von 16 Rennen gewonnen, die Truppe liegt in allen drei Wertungen an der Spitze: Fahrer-WM, Konstrukteurs-WM, Team-WM.

Aber hinter den Kulissen brodelt es. Pedrosa und Márquez hassen einander abgründig. Rossi und Lorenzo traten im Vergleich zu 2010 wie ein Liebespaar auf. 

Márquez: Italiener unerwünscht

Dani Pedrosa wünscht seinen Teamkollegen Márquez zum Teufel, er schätzt dessen Fahrweise als rücksichtslos ein. In Malaysia warf
Pedrosa beim Hearing in der Race Direction dem Rivalen Márquez sämtliche Vorfälle aus den letzten drei Jahren an den Kopf.

Im Gespräch mit Journalisten bemüht sich Dani krampfhaft um Haltung, Aber innerlich brodelt es im WM-Dritten.

In Australien kamen etliche Ungereimtheiten und Mängel des HRC-Systems ans Tageslicht.

Márquez-Manager Emilio Alzamora wollte vor einem Jahr für seinen Schützling nicht die Stoner-Boxencrew mit dem routinierten Cristian Gabbarini an der Spitze übernehmen, der schon zu Casey Stoners 250er-LCR-Aprilia-Zeiten für den Australier arbeitete, dann als dessen MotoGP-Crew-Chief von 2006 bis Ende 2012 agierte. Und in dieser Zeit zweimal Weltmeister wurde.

Alzamora nahm Santi Hernández als Chefmechaniker von der Moto2 in die MotoGP-WM mit. HRC engagierte Gabbarini als Race Engineer, er trägt HRC-Kleidung – und hat im Márquez-Team nur eine beratende Funktion.

Ein Dorna-Video gibt ausreichend Einblick in die amateurhafte Boxenstopp-Planung der Márquez-Truppe.

Während Gabbarini mit Stoner schon etliche flag-to-flag-races erfolgreich bewältigt hat, war Crew-Chief Hernandez völlig überfordert.

Man sieht auf dem Video: Als Márquez die elfte Runde in Angriff nimmt, wendet sich Gabbarini angewidert und wortlos ab. Gleichzeitig macht er mit dem flachen Handrücken, mit den wedelnden Fingerspitzen zu seinem Hals deutend, eine klares Handzeichen. Es bedeutet: «Das war Selbstmord.»

Gabbarini wusste im Gegensatz zu Nakamoto, Suppo und Hernandez, was dies bedeutete: schwarze Flagge, Disqualifikation. Er hatte sich wie Lorenzos Teammanager Zeelenberg rechtzeitig schlau gemacht.

Auch die Aufnahmen von Márquez’ Rückkehr an die Box sprechen Bände.

Der dauergrinsende WM-Leader setzt sich auf seinen Stuhl in der Box. Er öffnet den Reissverschluss seines Lederkombis, holt entgeistert seinen Brustschutz hervor – und schleudert ihn wütend zu Boden. Er hat die traurige Wahrheit erfahren. Dann stiefelt er wortlos durch den Hinterausgang der Box davon.

Der bärtige Santi Hernandez vergräbt in tiefer und ohnmächtiger Enttäuschung sein Gesicht in beide Hände.

Nakamoto diskutierte vorher an der Box mit den IRTA-Funktionären. Er ahnte nichts von der drohenden schwarzen Flagge. Ein Wort aus Nakamotos Mund ist deutlich zu hören: «Bullshit.»

Die Honda Racing Corporation hat vor einem Jahr jeden Wunsch von Alzamora erfüllt, um das Jahrhundertalent aus Spanien an die renommierte japanische Marke zu binden und ihn nach dem Moto2-Titelgewinn als Stoner-Nachfolger aufzubauen.

Das ging so weit, dass ein 19-jähriger seinen Moto2-Crew-Chief in die Königsklasse einschleusen durfte. Das hat sich jetzt bitter gerächt.

Valentino Rossi war damals pfiffiger. Und besser beraten. Er wollte nach der Saison 1999 eigentlich noch ein Jahr in der 250er-WM fahren. Aber als Doohan aufhörte und dessen australische Weltklasse-Crew mit Jeremy Burgess an der Spitze verfügbar wurde, schnappte er zu – und stieg 2000 in die 500er WM ein.

«Alzamora wollte keine italienischen Techniker in der Box. Er hält sie für langjährige Suppo-Getreue und fürchtete, es würden dann zu viele intime Einzelheiten ins obere HRC-Management durchsickern. Und dann von dort vielleicht ins feindliche Pedrosa-Camp abfliessen», berichtete ein Insider.

Tatsächlich hat Gabbarini schon zu Ducati-Zeiten unter Suppo gearbeitet.

Die Pedrosa-Truppe agierte fehlerlos

Aber beim Phillip-Island-GP wurde ganz klar offenkundig: Die Pedrosa-Abteilung von Repsol-Honda arbeitet wesentlich professioneller als die Márquez-Truppe!

Kein Geringerer als Pedrosas persönlicher Manager Alberto Puig, selbst 500-ccm-GP-Sieger 1995 in Jerez, kümmerte sich in den ersten zehn Rennrunden um die Boxensignale von Pedrosa. Er stand nach Runde 9 fast auf der Fahrbahn, um sicherzustellen, dass Dani das Zeitfenster auf keinen Fall verpasst. Und Dani kam sicherheitshalber gleich nach Runde 9 rein, weil er dann weniger Verkehr und mehr Platz hatte.

Dani Pedrosa lobpreiste nach Platz 2 seinen österreichischen Crew-Chief Mike Leitner, immerhin zweimal Vierter in einem 125-ccm-WM-Lauf. «Auf unserer Seite der Honda-Box würden solche Fehler nie passieren. Mike ist ein zielstrebiger Österreicher, extrem fokussiert und zielgerichtet. Sobald die Neuigkeit mit dem geänderten Rennformat gekommen ist, hat er nicht mehr nach links und rechts geschaut, sondern alles perfekt in die Wege geleitet. Wir haben die Strategie in aller Harmonie bis ins letzte Detail besprochen.»

Über Márquez’ grimmige Boxenausfahrt, die zur Kollision mit Lorenzo führt, wird vielleicht die Race-Direction am Donnerstag in Motegi auch noch befinden müssen. Ein weiterer Penalty-Point würde bedeuten: Start vom letzten Startplatz in Motegi.

Aber das sind alles Nebensächlichkeiten.

Denn auf Phillip Island ging es buchstäblich um Leben und Tod. Die harten Bridgestone-Hinterreifen überhitzten auf dem neuen, griffigen Fahrbahnbelag dramatisch. Deshalb hiess es zuerst: Man kann nur zweimal 13 Runden gewährleisten. Danach wurde noch einmal neu kalkuliert: 19 Runden, Stopp zum Motorrad- und Reifenwechsel nach 9 oder 10 Runden.

Márquez blieb elf Runden lang draussen.

Das Bild seines Hinterreifens spricht Bände.

Er hätte sich wohl in der nächsten Runde in seine Bestandteile aufgelöst, wie jener von Nakano bei Tempo 330 in Mugello 2006.

Marc Márquez hat in diesem Jahr in Mugello schon einen 338-km/h-Crash glimpflich überlebt. So viele Schutzengel begleiten dich nicht jeden Tag, fürchte ich.

Phillip Island 2013 hat gezeigt: In der MotoGP-WM geht es mitunter recht amateurhaft zu.

Repsol-Honda verliert wegen eines Anfängerfehlers womöglich die WM an Yamaha und Lorenzo. Dann müssten nach dem WM-Finale Köpfe rollen.

Bridgestone lässt sich die Einheitsreifen-Deal in der MotoGP-WM rund 20 Millionen Euro im Jahr kosten.

Ein Zwei-Tage-Test in Phillip Island hätte vielleicht 80.000 Euro gekostet.

Der Schaden durch die Negativ-Reklame vom Sonntag lässt sich gar nicht beziffern. Er könnte in die Millionen gehen. Das Bild in der Öffentlichkeit: Bridgestone liefert Reifen, die nur zehn Runden halten. Die harte Mischung, wohlgemerkt!

Und das HRC-Management muss sich fragen, ob man Casey Stoner für das viele Geld nicht besser auf Phillip Island hätte testen lassen sollen. Zumal beide Motegi-Tests grossteils dem Regen zum Opfer fielen.

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