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Dirk Debus: So funktioniert die Launch-Control

Von Günther Wiesinger
Durch den elektronischen Gasgriff (ride by wire-System) geniessen die MotoGP-Stars beim Start eine Launch-Control. Elektronik-Genie Dirk Debus erläutert die Funktiuonsweise auf seine akribische Art.

Dirk Debus, Mitbegründer und Mitbesitzer der deutschen Firma «2D datarecording», ist seit 2012 für Forward Racing in der MotoGP-WM als Elektronik-Ingenieur tätig. Er hat in dieser Funktion grossen Anteil an der Entwicklung der Einheits-ECU von Magneti Marelli, die für 2016 für alle Werke und Teams vorgeschrieben wird. 2015 wird sie nur von den Open-Class-Teams eingesetzt.

Dirk Debus kümmert sich bei Forward um die Yamaha-Open-Fahrer Stefan Bradl und Loris Baz. Er hat unseren Lesern bereits die Funktionsweise einer Traction Control näher gebracht.

Heute erläutert Debus die Funktionsweise der «Launch Control», quasi eine Anfahrtshilfe für Fortgeschrittene, die in der MotoGP-WM zur Erleichterung des Startvorgangs verwendet wird.

«Die 1000-ccm-Motoren in der MotoGP-Klasse haben generell viel zu viel Leistung», hält Debus fest. «So ein Motor erreicht irgendwo sein maximales Drehmoment, sagen wir bei 12.000/min. Unter diesem Bereich steigt die Drehmomentkurve an, über 12.000/min wird es wieder weniger. Das kennt jeder Autofahrer in einem normalen Fahrzeug: Du gibst bei 2000/min Vollgas, dann kommt erstmals gar nichts, nachher zieht der Motor gut, und irgendwann will der Motor nicht mehr so richtig beschleunigen. Statt in den roten Drehzahlbereich reinzufahren schaltest du und fährst im nächsthöheren Gang weiter.»

«Durch die Launch Control in Verbindung mit dem 'ride by wire'-System ist es jetzt möglich, die Drehmomententfaltung des Motors komplett zu programmieren, das heisst, den Abfall des Drehmoments so an die Motorradgeometrie anzupassen, dass das Motorrad nicht überraschend vorne aufsteigt.»

Elektromotor widersetzt sich dem Fahrerwunsch

Und was muss sich der normalsterbliche Motorradfahrer unter 'ride by wire' vorstellen? «Das heisst, der Fahrer dreht am Gasgriff, so wie man am Verstärker den Lautsprecherknopf dreht, diese Gasgriffstellung wird gemessen», erläutert Dirk Debus. «Die Motorsteuerung beziehungsweise die programmierten Algorithmen sagen dann: 'Okay, mach die Drosselklappe nur halb auf, obwohl sich der Fahrer Vollgas wünscht.' Das übernimmt dann ein kleiner Elektromotor. Beim 'ride by wire'-System wird ja die Drosselklappe der Einspritzanlage nicht mehr wie früher mit einem Drahtseil aufgezogen.»

Debus weiter: «Wenn also heute der MotoGP-Fahrer am Start Vollgas gibt, dann beobachten wir die Drehzahl, die Drehzahl wird höher, das Drehmoment steigt an, dann machst du mit dem Elektromotor die Drosselklappe weiter zu, um einen plötzlichen Drehmomentanstieg zu verhindern. Und sobald du über dem maximalen Drehmoment bist, wird die Drosselklappe wieder aufgefahren, es gibt also wieder mehr Drehmoment.»

«Wenn du die abgegebene Menge Drehmoment so berechnest, dass du bei deinem Motorrad mit Schwerpunkthöhe und Radstand genau so viel Leistung freigibst, dass sich das Motorrad nicht nach hinten überschlägt, kann der Fahrer einfach die Kupplung kommen lassen, Vollgas geben und das Motorrad beschleunigen. Der Fahrer weiss, er kann nicht zu viel beschleunigen, weil die elektronische Drosselklappe diese ungleichförmig entstehende Motorleistung so schön gleichmässig macht, dass das die Maschine so sauber wie ein Elektrofahrzeug beschleunigt», schildert Dirk Debus.

Die Launch Control oder Anfahrtshilfe wird nur für den Startvorgang verwendet, nachher wird sie automatisch lahmgelegt, da in den Kurven die Traction-Control das Kommando übernimmt.

Debus: «Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Launch-Control stillzulegen. Du kannst das tun, sobald du zum ersten Mal in den vierten Gang schaltest, oder sobald du einmal runterschaltest, sobald du die Bremse ziehst oder nach einer gewissen Distanz. Da existieren je nach Motorsteuerung und Software-Einstellung verschiedene Möglichkeiten.»

Die ersten einfachen Anfahrtshilfen existiertem schon in der 500-ccm-Zweitakt-Ära. «Die ersten Versuche haben wir im Yamaha-500-Werksteam gemacht», erinnert sich Debus. «Damals über das Powervalve-System. Yamaha hatte bei den 500er-Zweitaktmotoren zusätzlich zur Drosselklappe eine Abgasklappe. Die konnten wir steuern. Im Prinzip funktioniert die Launch Control erst richtig, seit es 'ride by wire' gibt. Dieses System wurde erst nach 2002 mit den MotoGP-Viertaktern eingeführt.»

Der Fahrer muss heute die Launch Control vor dem Start mit einem Knopfdruck aktivieren. «Der Fahrer muss natürlich auch die Kupplung optimal kommen lassen. Wenn er sie zu schnell loslässt, dann passiert es wie einst bei Pedrosa, dass er am Start wie ein Känguru rumhüpft. Der Fahrer muss trotz der Launch Control etwas können. Er muss zum Beispiel das Gewicht sauber nach vorne befördern. Je weiter er Kopf und Körper über das Vorderrad bringt, umso stärker kann er beschleunigen, umso mehr Power kann man ihm per 'ride by wire' zur Verfügung stellen.»

Kann ein Fahrer die Launch Control während des Rennens versehentlich aktivieren? «Das kommt wieder auf die Art der Motorsteuerung drauf an», entgegnet Debus. «Bei Yamaha kann der Fahrer ruhig auf den Knopf drücken. Aber sobald sich das Fahrzeug bewegt, wird der Wunsch ignoriert.»

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