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Lucio Cecchinello: Was er zu Miller & Crutchlow sagt

Von Günther Wiesinger
LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello setzt 2015 erstmals zwei MotoGP-Fahrer ein. Aber es läuft nicht alles rund. Besonders von Jack Miller hat Lucio mehr erwartet.

Das CWM-LCR-Honda-Team von Lucio Cecchinello ging mit grossen Erwartungen in die MotoGP-Saison 2015.

Der australische Moto3-Vizeweltmeister Jack Miller übersprang die Moto2-Klasse und tritt jetzt mit einer RC213V-RS in der Open-Class an. Er sollte die Open-Class gewinnen und in der WM unter die Top-Ten fahren.

Er gewann zwar in Argentinien mit Platz 12 die Open-Class, aber «JackAss» hat in neun Rennen nur zwölf Punkte gesammelt, damit ist er hinter Barbera (19) und Baz (14) Dritter der Open-Class-Tabelle, in der Gesamtwertung trennen ihn als 18. nicht weniger als 45 Punkte vom zehnten WM-Platz, den sein Kumpel Maverick Vinales einnimmt.

Auch Cal Crutchlow hat die Erwartungen mit der heiklen Factory-Honda nicht ganz erfüllt. Lucio Cecchinello erwartete von ihm ähnliche Leistungen wie 2013 auf der Tech3-Yamaha. Damals erzielte Crutchlow in der ersten Saisonhälfte vier Podestplätze, er fuhr in Sachsen nur um 1,5 sec am Sieg vorbei – und wurde WM-Fünfter.

In diesem Jahr hat der 29-jährige Crutchlow bisher einen Top-3-Platz erreicht – in Las Termas. In Jerez landete er auf Platz 4.

Mit den Leistungen von Jack Miller ist Ceccinello nicht ganz zufrieden. «Aber wir haben alle erwartet, dass das Honda-Motorrad in der Open-Konfiguration in diesem Jahr konkurrenzfähiger sein würde», sagt Cecchinello. «Bevor wir die Ergebnisse von Jack Miller bewerten, müssen wir uns das vor Augen halten. Wenn wir uns anschauen, welche Ergebnisse die ganzen erfahrenen Piloten wie Nicky Hayden, Eugene Laverty und Karel Abraham erzielen, dann sehen wir keine eklatanten Unterschiede zur Performance von Jack.»

Jack Miller beklagt sich regelmässig über die Einheits-ECU von Magneti Marelli, er denkt sogar, ohne die elektronischen Fahrhilfen würde er schneller sein. Auch Stefan Bradl fühlte sich von der Marelli-Elektronik eingebremst, die anderen Open-Fahrer stimmen ihm zu.

Cecchinello: «Jack hat genau das Motorrad, das Stefan Bradl 2014 bei uns gefahren hat. Das einzige, was sich geändert hat: Statt der Honda-ECU hat er die Motorsteuerung von Marelli, dazu fehlt das Seamless-Getriebe. Diese Tatsache beweist, dass diese Einheits-ECU grossen Einfluss auf die Motorleistung hat und dass sie Einschränkungen in vielen Bereichen bewirkt. Wir können damit zum Beispiel nicht einmal die bei Honda möglich maximale Drehzahl erreichen. Wir haben weniger Drehzahl als bei Stefan 2014.»

«Natürlich haben wir bei Jack bessere Resultate erwartet», ergänzte Lucio. «Ich sehe bei ihm viele positive Aspekte. Er ist sicher ein talentierter Fahrer, er ist sicher schnell, er ist tapfer. Das sind Elemente, die wichtig sind, wenn man Erfolg haben will. Aber ich sehe auch, dass Jack nicht immer in der Lage ist, den Technikern die richtigen Informationen zu liefern. Manchmal haben die Techniker Mühe zu verstehen, was sich abspielt, wenn sie die Daten anschauen. Denn wir sehen selten zwei oder mehrere reguläre Runden hintereinander. Denn Jack überholt Fahrer, er bremst an unterschiedlichen Stellen, oder er fährt unterschiedliche Linien. Es ist nicht einfach.»

Würde Lucio Cecchinello mit dem heutigen Wissen vorschlagen, Jack Miller zuerst eine Moto2-Saison fahren zu lassen?

Der Italiener wirkt nachdenklich. Er denkt lange nach. Sehr lange.

«Das ist eine gute Frage», ?erwidert er dann langsam. «Ich... Ich weiss es nicht. Was ich im Moment sehe... ?Jack muss sich bemühen, auf dem Motorrad konstantere Leistungen zu bringen. Er muss sich anstrengen, konzentrierter zu sein und präziser, besonders in den Trainings. Denn sobald das Rennen begonnen hat, ist Jack ziemlich aggressiv. Manchmal vielleicht zu aggressiv.»

Cecchinello liess beim Sachsenring-GP im Gespräch mit SPEEDWEEK.com durchblicken, er werde 2016 wegen der CWM-Problematik (nur 4,5 statt 6,5 Millionen Euro bezahlt) voraussichtlich nur einen Fahrer einsetzen können?; das werde dann Cal Crutchlow sein. Den Einsatz des Briten kann Lucio 2016 voraussichtlich auch mit seinen bisherigen Sponsoren wie Givi, Castrol, Unibat, Rizoma sowie den Zuschüssen von Dorna und IRTA finanzieren.

Aber: Crutchlow verlangt eine ähnliche Gage wie 2015, und diese dürfte im Bereich von 1 Million Euro liegen. Dieser Betrag konnte nur dank CWM bezhalt werden.

Cal Crutchlow beklagt sich über die schwer zu fahrende Werks-Honda, die er 2014 noch für das beste Rennmotorrad auf dem Planeten hielt. Heute sagt er, er müsse mit diesem Bike in jeder Runde mit 110 Prozent Risiko fahren.

«In der Realität sieht es so aus, dass wir Cal in den Rennen regelmässig einen oder zwei Plätze weiter vorne erwartet haben», räumt Cecchinello ein. «Aber wir müssen berücksichtigen, dass niemand ein so starkes Comeback von Valentino Rossi erwartet hat und dass niemand mit einem so starken Ducati-Werksteam gerechnet hat. Suzuki ist auch stärker als erwartet. Ich habe keinen Zweifel, Cal ist ein schneller Fahrer. Aber er kam in einem Jahr zu uns, in dem viele Fahrer konkurrenzfähig sind und eng beisammen liegen. Es ist jetzt noch schwieriger, ganz vorne mitzufahren. Und wir müssen ehrlich sagen: Honda hat im Augenblick ein paar Probleme zu lösen, die Einfluss auf die Ergebnisse haben.»

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