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Lin Jarvis: «Rossi ist hungrig wie nie zuvor!»

Von Frank Aday
Yamaha-Sportdirektor Lin Jarvis sprach über seine beiden Fahrer Valentino Rossi und Jorge Lorenzo und über die Tücken des Titelkampfes. «Marc Márquez ist noch nicht aus dem Spiel.»

Für Yamaha ist der Titelkampf 2015 bisher ein Grund für große Freude. Jorge Lorenzo und Valentino Rossi dominieren 2015 die MotoGP-WM. Die Yamaha-Stars liegen punktgleich mit 211 Zählern an der WM-Spitze.

Der beste Honda-Pilot, Marc Márquez, liegt abgeschlagen mit 52 Punkten Rückstand auf dem dritten Gesamtrang. Das war nach der beeindruckenden Saison von Márquez im letzten Jahr mit zehn Siegen in Folge und dem überlegenen Titelgewinn nicht abzusehen.
Sportdirektor Lin Jarvis ist derzeit einer der glücklichsten Menschen im MotoGP-Paddock. Mit «motogp.com» sprach er nun ausführlich über den Titelkampf 2015.

Lin, ihr befindet euch in einer Situation, die nicht besser sein könnte. Eure beiden Fahrer liegen punktgleich an der Spitze der MotoGP-Weltmeisterschaft.

Ja, da können wir uns glücklich schätzen, zu diesem Zeitpunkt in der Saison in dieser Position zu sein. Ich – beziehungsweise wir alle – sind sehr glücklich, dass wir in dieser Situation sind. Hoffentlich bleibt das lange so.

Was bewirkte den Wendepunkt, um 2015 stärker als Honda zu sein?

Nun, ich glaube, dass wir jetzt die Früchte der Arbeit ernten, die in der ersten Hälfte der letzten Saison begonnen hat, als Honda dominierte. Der Rennsport ist meist sehr zyklisch, denn wenn du geschlagen wirst, musst du dich mehr anstrengen und Lösungen finden und extrem gut arbeiten, um wieder an die Spitze zu kommen. Ich glaube, als wir letzte Saison geschlagen wurden, die zehn Siege von Márquez waren ziemlich brutal, haben wir angefangen, hart am Motorrad zu arbeiten. Die Fortschritte waren dann schon in der zweiten Hälfte der letzten Saison spürbar, als wir mit Lorenzo und Rossi mehr Punkte als die Honda-Werkspiloten Piloten geholt haben. Ich denke, dass wir uns auch glücklich schätzen können, dass wir das Motorrad im Winter weiter verbessern konnten, wir hatten gute Tests und auch unsere Fahrer sind körperlich und geistig top in Form geblieben.

Nachdem wir im letzten Jahr so deutlich geschlagen wurden, haben wir gemerkt, dass wir das Motorrad in seinen schwachen Bereichen deutlich verbessern müssen. Gerade beim Bremsen, den mechanischen Grip, am Kurveneingang und beim Beschleunigen. Wir kannten die Bereiche, an denen wir arbeiten mussten, und unsere Ingenieure haben in der zweiten Saisonhälfte und gerade im Winter einen sehr guten Job gemacht. Die Fahrer haben auf ihrer Seite ihre Arbeit gemacht und sie kamen zum Saisonbeginn gut in Form an, sehr fit, sehr hungrig, sehr schlank und sehr konkurrenzfähig. Ich denke, dass dies die zwei Hauptpunkte sind, dass wir in dieser Situation sind.

Natürlich hatte Honda auch einige Probleme. Marc hatte gerade in der ersten Saisonhälfte Schwierigkeiten mit dem Motorrad, Dani litt unter «arm pump», was möglicherweise auf die Natur des Motorrades zurückzuführen ist. Du brauchst körperlich richtig viel Kraft, um die Honda zu fahren, was möglicherweise die Probleme auf den Plan gerufen hat. Mit diesen Schwierigkeiten und Problemen musste Marc die Maschine überfahren, um den Rückstand auszugleichen. Dabei hat er drei sehr große Fehler gemacht. So hatten wir ein wenig Glück. Teilweise ist es harte Arbeit, auf Probleme als Ingenieur und Fahrer zu reagieren. Die andere Seite ist das Glück, dass Honda im Winter bei den Tests einige Fehler gemacht hat und dass sie ein Motorrad entwickelt haben, das ihren Fahrern Probleme machte.

Die neue M1 scheint die Stärken eurer Fahrer zu unterstützen, Lorenzo scheint von Zeit zu Zeit schier unschlagbar zu sein.

Ich denke, es war schon immer die Philosophie von Yamaha, besonders bei unseren Renn- und Serienmotorrädern, dass Mensch und Maschine harmonieren. Am Ende kannst du ein Motorrad bauen, welches sehr viel Power hat, aber wenn der Fahrer nicht das Gefühl entwickeln kann und das Motorrad kein Feedback an seinen Piloten gibt, dann kann er nicht auf dem maximal möglichen Level fahren. Was das betrifft, war Valentino in den letzten Jahren sehr sensibel, wenn wir mit ihm gearbeitet haben. Wir haben ein Motorrad mit einer guten, soliden Basis entwickelt, auf dem er sich wohl gefühlt hat. Das hat auch Jorge geholfen, wie wir gesehen haben.

Wenn er in diesen Zustand kommt, wenn er mit dem Motorrad komplett eins ist, dann ist er sehr, sehr oft nahezu perfekt und fast unschlagbar. Wir haben das dieses Jahr in den fünf Rennen gesehen, als er Start-Ziel-Siege herausgefahren hat. In den fünf Rennen, die er dieses Jahr gewonnen hat, hat er in jeder einzelnen Runde geführt. In manchen Rennen ist das vielleicht nicht gerade spannend und ein Spektakel, aber für Kenner des Motorradrennsports ist es ganz besonders, ihn in Aktion zu sehen. Nun, hier stehen wir also, sieben Rennen noch, beide Fahrer punktgleich und acht Rennsiege für Yamaha. Ziel ist es jetzt, das fortzusetzen, was wir tun.

Aber wir machen nicht den Fehler und denken, dass Marc Márquez aus dem Spiel ist. Es gibt noch viele Punkte zu holen, wenn Marc bei den letzten Rennen immer neun Punkte auf den Spitzenreiter gutmacht, ist das genug. Darum müssen wir weiter Rennen gewinnen, da habe ich aber keine Bedenken. Wir haben ein paar Strecken vor uns, die unseren Maschinen und Fahrern entgegenkommen. Darum bin ich ziemlich zuversichtlich, du musst aber auch immer vorsichtig sein, denn im Motorsport kann alles passieren.

Kann es passieren, dass die Meisterschaft erst in Valencia entschieden wird?

Ja. Ich glaube, dass das definitiv passieren könnte. Vale hatte einen Vorsprung, Jorge hat aufgeholt, Vale hat ihn wieder ausgebaut und jetzt hat ihn Jorge eingeholt. In den letzten sechs oder sieben Rennen konnte sich niemand einen Vorsprung erarbeiten. Wenn wir jetzt auf die nächsten sechs oder sieben Rennen blicken, könnte die Situation in Valencia noch ähnlich aussehen. Ich persönlich hoffe natürlich, dass es nicht darauf hinausläuft. Ich weiß, die Zuschauer würden sich freuen, aber ich persönlich hätte gern ein Rennen vor Valencia alles in trockenen Tüchern. Aber ich glaube auch, dass es fast unmöglich wird, dass die Meisterschaft vor Malaysia entschieden ist.

Ist der aktuelle Valentino Rossi der hungrigste, den du je gesehen hast? Auf der Jagd nach seinem zehnten Titel?

Ja, das würde ich sagen. Sein Comeback nach fünf Jahren, in denen er immer geschlagen wurde, mit dem letzten WM-Titel im Jahr 2009, ist unglaublich. Die Meisterschaft anzuführen, ist für jemanden im Alter von 36 Jahren gegen diese jungen Fahrer phänomenal, gerade nach den vielen schwierigen Jahren. Diese Saison fährt er unbestritten gut, er hat elf Podestplätze und dazu noch die vier aus dem letzten Teil der Saison 2014 eingefahren. Das sind 15 in Folge. Er ist einfach unglaublich konstant. Seine Motivation ist immens, seine Aufmerksamkeit bei Details ist noch genau so wie früher und für mich persönlich fährt er so gut wie eh und je. Wie er sich über die Jahre vom Stil her anpassen konnte, ist unglaublich. Da gibt es nur wenige Fahrer, Piloten, Skifahrer oder andere Sportler, die sich so signifikant umstellen können und sich an einen neuen Style im späteren Teil ihrer Karriere anpassen können. Großartig an ihm ist, dass er seine Leidenschaft zeigt.

Wie wird der Grand Prix in Silverstone verlaufen?

Du hoffst immer auf ein 1-2-Ergebnis. Ich glaube, dass wir wieder beide Fahrer auf dem Podest sehen werden und einer unserer Fahrer das Rennen gewinnen kann. Ich würde sagen, dass die Strecke eher Jorge als Valentino liegt, wir wissen, wie stark er in den letzten Jahren dort unterwegs war und denken an die schönen Fights mit Marc. Ich denke aber auch, dass Marc stark sein wird. Wenn Jorge seine Leistungen aus Brünn wiederholen kann, kann er das Rennen gewinnen. Wir wollen beide auf dem Podest sehen. Ich hoffe nur, dass es nicht regnet.

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