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Stefan Bradl (Aprilia): «So kann's nicht weitergehen»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl: «2008 hat noch keiner mit dem Ellenbogen gestreift»

Stefan Bradl: «2008 hat noch keiner mit dem Ellenbogen gestreift»

Stefan Bradl hat beim Valencia-Test mit den neuen Michelin-Reifen selbst zwei Stürze übers Vorderrad erlebt. «So kann's nicht weitergehen», meint Bradl.

Nach sieben Jahren mit den Einheitsreifen von Bridgestone kehrt jetzt Michelin für die MotoGP-Saison 2016 als Alleinausrüster zurück. Über die Qualität der französischen Pneus existieren teilweise unterschiedliche und widersprüchliche Meinungen.

Fakt ist: Der Vorderreifen vermittelt bisher im Grenzbereich nicht genug Gefühl, es passierten viele Stürze. Allein 21 an zwei Testtagen im November n Valencia. Wir haben mit Aprilia-Testfahrer Stefan Bradl über seine bisherigen Erfahrungen mit den Michelin-Reifen gesprochen.

Stefan, welches Gefühl hast du bei den Michelin-Reifen? Wird der Hinterreifen über die Renndistanz belastbarer sein und weniger stark abbauen als die Bridgestone?

Ja, gefühlsmässig schon. Beim letzten Test in Jerez Ende November haben wir einige Runden drauf gefahren. Und der «Drop» war vergleichsweise nicht so eklatant wie bei Bridgestone, obwohl Jerez eine Piste ist, die die Reifen sehr stark beansprucht. Aber im November war es natürlich deutlich kühler als im Mai beim Rennen.
Aber wir haben einen Hinterreifen verwendet, der hat nach 30 oder 35 Runden noch relativ gut Grip gehabt.
Wie belastbar der Hinterreifen wirklich ist, werden wir nach der ersten Rennsimulation sehen.

Kann es passieren, dass dein Problem mit dem «edge grip» durch das Überhitzen der Reifenflanke bei dir künftig dank der standfesteren Michelin-Hinterreifen weniger wird?

Hm, das kann ich jetzt nicht sagen. Der Michelin-Reifen verhält sich anders, egal ob das vorne ist oder hinten.
Wir sind bisher meistens nur sieben Runden am Stück gefahren, das höchste war einmal zehn Runden. Das ist noch weit weg von einer kompletten Renndistanz. Und es war nie so warm wie bei den Rennen.
Beim Malaysia-Test im Februar werden wie bei diesem Thema mehr Informationen kriegen. Abe die Befürchtung besteht, dass wir in Sepang noch keine «race simulation» machen können, weil wir ein neues Chassis und einen neuen Motor haben werden. Dazu kommen die neuen Reifen und die neue Elektronik. Da wird es viel Arbeit geben.
Aber wir werden ein erstes Gefühl dafür kriegen.

Du bist Ende September in Aragón erstmals mit Michelin gefahren. Hat sich in den zwei Monaten bis Jerez etwas verbessert – besonders beim Vorderreifen? Sind weitere Verbesserungen geplant? Du hast ja in Jerez persönlich mit Technik-Direktor Nicolas Goubert gesprochen?

Sie sind am Werken. Monsieur Goubert hat mir versichert, dass sie sich sehr bemühen. Es sind ja in Jerez auch wieder verhältismässig viele Stürze übers Vorderrad passiert; Eugene Laverty hat sich verletzt.
Für mich war der erste Test in Aragón der beste Test mit Michelin. Danach ist es ein bisschen schlechter geworden. In Valencia bin ich zweimal übers Vorderrad gestürzt. In Jerez bin ich zwar nicht gestürzt, aber es waren ein paar kritische Momente dabei.
Verbesserungen zwischen Aragón und Jerez, also Ende September bis Ende November? Verhältnismässig gering, würde ich sagen. Aber die Michelin-Techniker haben es in Jerez wieder unterstrichen und sie erzählen es jedes Mal, dass sie wirklich alles geben, um den Vorderreifen zu verbessern. Das kann ich mir schon vorstellen. Das müssen sie auch machen.
Es ist ja für Michelin nicht die beste Reklame, wenn bei einem Test wie in Valencia in zwei Tagen 21 Fahrer runterfliegen.
So kann's nicht weitergehen. Aber so einen Vorderreifen auf MotoGP-Niveau zu entwickeln, dass das nicht von heute auf morgen geht, das ist auch klar. Das geht nicht von jetzt auf gleich.
Das Kuriose ist, das der Fahrer XY sagt: «Wow, das ist super, ich komme mit den Michelin perfekt zurecht.» Der nächste Fahrer, der ein anderes Motorradfabrikat fährt, sagt über den gleichen Reifen: «Katastrophe. Unfahrbar.» Dann ist es natürlich für Michelin auch schwer einzuschätzen, in welche Richtung sie entwickeln sollen.

Elektronik-Spezialist Dirk Debus meint, zuletzt hätten die Bridgestone-Reifen sehr gut zu den Honda gepasst. Zeichnet sich schon ab, zu welchem Hersteller die Michelin am besten passen werden? Ducati hat am meisten mit Michelin getestet...

Das kann ich mir nicht vorstellen. Michelin war seit 2008 aus der MotoGP-WM weg. Die Motorräder haben sich seither so stark verändert. Die Fahrstile sind ganz anders geworden. Vor sieben Jahren hat noch kein Fahrer dran gedacht, mit dem Ellenbogen auf dem Asphalt zu schleifen. Heute fährt zum Beispiel jeder mit dem Ellenbogen am Boden. Daran sieht man, dass sich die Fahrstile verändert haben.

Kann Aprilia beim 2016-Chassis schon deutlich besser auf die Bedürfnisse der Michelin-Reifen eingehen? Es gibt ja inzwischen Daten von mindestens vier Tests.

Ja, aber es ist die Frage, wie kompatibel diese Daten dann sind. Beim neuen Chassis muss auch berücksichtigt werden, dass der neue Motor kompakter und kürzer ist, er ist anders im Chassis positioniert.

Deshalb will Aprilia für den ersten Sepang-Test nur ein neues Motorrad pro Fahrer aufbauen. Weil es dann noch deutliche Geometrie-Änderungen geben kann, wenn sich durch den neuen Motor und eventuell neue Michelin-Konstruktionen wieder einiges ändert?

Ja, richtig. Deshalb wollte Aprilia den zweiten Februar-Test auch in Sepang machen, um nach zwei, drei Wochen neues Material wieder unter ähnlichen Verhältnissen vergleichen zu können. Aber das geht nicht, weil die Piste am Mitte Februar neu asphaltiert wird.

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