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Stefan Bradl: «Bei der Elektronik fehlt es weit»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl beim Valencia-Test: «Hoffentlich verursacht die ECU keine Stürze»

Stefan Bradl beim Valencia-Test: «Hoffentlich verursacht die ECU keine Stürze»

Stefan Bradl übt wie Rossi und Pedrosa heftige Kritik an der neuen Einheits-Elektronik von Magneti Marelli. «Sie befindet sich einfach nicht auf dem MotoGP-Standard von 2015», beklagt der Aprilia-Werkspilot.

Stefan Bradl lernte in der ersten Saisonhälfte 2015 mit der Einheits-Elektronik von Magneti Marelli im Forward-Yamaha die Nachteile dieser Motorsteuerung zur Genüge kennen. Deshalb wundert er sich jetzt nicht über die Kritik von Stars wie Rossi («Ein Rückschritt ins Jahr 2008») und von Dani Pedrosa, der sagte: «Diese Elektronik wirft uns viele, viele Jahre zurück.»

Beim Valencia-Test probierte im Aprilia Racing Team Gresini nur Alvaro Bautista diese neue Elektronik aus, Stefan Bradl kümmerte sich in erster Linie um ein Set-up für die neuen Michelin-Reifen.

Bradl weiss ungefähr, was ihn bei den ersten Tests mit dieser Elektronik erwartet. Wahrscheinlich muss er sich schon in dieser Woche von Mittwoch mit Freitag in Jerez damit anfreunden.

Der Aprilia-Werksfahrer war froh, ab Indy bei Aprilia die hauseigene APX-Software verwenden zu dürfen, die der Honda-Factory-Software von 2014 ziemlich ebenbürtig war, wie er bald feststellte.

«Man hat ja meine Jammerei Anfang des Jahres über die Marelli-Elektronik gehört», sagt Bradl. «Ich will nicht sagen, dass ich jetzt meine damaligen Aussagen bestätigt fühle. Mir wurde damals vorgeworfen, ich würde zu viel jammern. Aber Fakt ist, dass die Technik von Marelli weit von dem entfernt ist, was wir Werksfahrer gewöhnt sind. Sie ist weit vom MotoGP-Standard in der Saison 2015 entfernt. Das ist ein bisschen schade. Marelli wird noch sehr viel Kritik von sämtlichen Fahrern hören, das hat ja in Valencia bereits begonnen. Ich hoffe, dass uns diese Elektronik nie irgendwie hindert... Wenn neben den Michelin-Reifen auch noch von der Elektronik Stürze verursacht werden, dann müsste ich mich fragen, ob da die richtigen Schritte gesetzt wurden. Ich will momentan nicht behaupten, dass die Michelin-Reifen ein Rückschritt sind. Man muss den Franzosen sicher etwas Zeit geben, sich zu verbessern. Das gilt auch für die Elektronik. Aber meine Befürchtung ist, dass es bei der Elektronik weit fehlt.»

Stefan Bradl war 2015 nicht der einzige Open-Fahrer, der über Marelli schimpfte. Jack Miller sagte, er wäre schneller, wenn er die gesamte Elektronik abbauen könnte. Barbera wetterte, bei Pramac-Ducati habe er schon 2012 eine deutliche bessere Software gehabt, auch Laverty und Hayden schimpften regelmässig.

«Marelli hinkt viele Jahre hinterher», ist Bradl überzeugt. «Ich bin mir sicher, dass da auch die Topfahrer Rossi, Lorenzo, Márquez und Pedrosa damit ihre Mühe haben werden. Ich weiss ja, wie viel Arbeit Dirk Debus und Tex Geissler bei Forward mit der Abstimmung der Marelli hatten... Das war anfangs so mühsam, dass zwischen FP1 und FP2 kaum etwas geändert werden konnte. Aprilia hat bei den Elektronikern eine unheimliche Manpower. Ich glaube, da arbeiten bis zu 15 Techniker an der Motorsteuerung. Mit Landsmann Markus Eschenbacher sind wir in Valencia noch einmal verstärkt worden. Ich habe gesehen, dass Fahrer wie Rossi und Pedrosa einige langsame Runden gefahren sind. Ich kann mir vorstellen, dass das die Runden waren, in denen sie diese Elektronik probiert haben. Begeistert sind sie davon mit Sicherheit nicht.»

Rossi mutmasste auch, es werde mit dieser instabilen Motorsteuerung schwierig werden, in den Rennen gleichmässige Rundenzeiten zu fahren. Bradl: «Das ist gut möglich. Denn diese Elektronik ist verflixt unberechenbar.»

Wie kann man die Nachteile dieser umstrittenen Einheits-Elektronik beschreiben? Bradl: «Sie reagiert generell einfach nicht feinfühlig. Sie ist unberechenbar, manchmal greift sie zu wenig ein, manchmal zu viel, total unkonstant. Das ist bei der Traction Control so, bei der Motorbremse, bei der Torque Delivery. Das ist alles nicht so akkurat gewesen, wie ich das bei Honda gewohnt war und nachher auch bei Aprilia mit der APX wieder gefunden habe. Diese Systeme der Werke funktionieren genau und verlässlich, ohne dass man dabei Angst haben muss. Bei Marelli hingegen fehlt es an der Basis und komplett am Know-how. Das ist kein MotoGP-Standard. Marelli liegt technisch einige Jahre zurück. Ich fühle jetzt meine Aussagen vom Frühjahr bestätigt. Aber das ändert an der Situation sowieso nichts.»

Und wie könnte die Lösung ausschauen?

«Ich hoffe, dass sich die Fahrer zusammentun und klipp und klar fordern: Die Marelli muss weg», erwidert Bradl. «Ich habe schon im Frühjahr bei etlichen Interviews gesagt: Wenn diese ECU für die Top-Teams Standard wird für 2016, und wenn es dann noch auf dem Niveau ist, wie ich es kenne, dann werden die Fahrer sicher schimpfen. und das haben sie in Valencia schon nach dem ersten Tag getan, nach einer Handvoll Runden.»

MotoGP-Testzeiten Valencia, Mittwoch, 11. November:

1. Marc Márquez, Repsol Honda, 1:31,060 min
2. Maverick Viñales, Suzuki Ecstar, 1:31,163
3. Dani Pedrosa, Repsol Honda, 1:31,180
4. Aleix Espargaró, Suzuki Ecstar, 1:31,212
5. Jorge Lorenzo, Movistar Yamaha, 1:31,282
6. Cal Crutchlow, LCR Honda, 1:31,494
7. Valentino Rossi, Movistar Yamaha, 1:31,498
8. Pol Espargaró, Yamaha Tech3, 1:31,619
9. Andrea Iannone, Ducati, 1:31,619
10. Bradley Smith, Yamaha Tech3, 1:31,694
11. Danilo Petrucci, Octo Pramac Ducati, 1:31,717
12. Loris Baz, Avintia Ducati, 1:31,796
13. Scott Redding, Octo Pramac Ducati, 1:31,901
14. Héctor Barbera, Avintia Ducati, 1:31,937
15. Andrea Dovizioso, Ducati, 1:31,967
16. Jack Miller, Marc VDS Honda, 1:32,100
17. Eugene Laverty, Aspar Ducati, 1:32,377
18. Tito Rabat, Marc VDS Honda, 1:32,402
19. Stefan Bradl, Aprilia, 1:32,492
20. Yonny Hernandez, Aspar Ducati, 1:32,510
21. Alvaró Bautista, Aprilia, 1:32,847
22. Michele Pirro, Ducati, 1:33,568
23. Takuya Tsuda, Suzuki, 1:33,797
24. Mike di Meglio, Aprilia, 1:34,372
25. Nobuatsu Aoki, Suzuki, 1:37,031

Zum Vergleich: Pole-Position 2015: Jorge Lorenzo in 1:30,011 min
Schnellste Rennrunde 2015: Jorge Lorenzo in 1:31,367 min

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