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Michelin: Aus den Fehlern nichts gelernt?

Von Günther Wiesinger
Die Überreste vom Hinterreifen an der Ducati von Scott Redding

Die Überreste vom Hinterreifen an der Ducati von Scott Redding

Schon nach dem Reifenplatzer bei Loris Baz vor zwei Monaten in Sepang war klar, dass die Michelin-Konstruktion hinten insgesamt zu weich ist. Trotzdem hat sich nicht viel geändert.

Nach dem Reifenplatzer von Scott Redding im vierten freien MotoGP-Training haben die Michelin-Techniker mit Nicolas Goubert an der Spitze entschieden: Aus Sicherheitsgründen wird weder der Medium- noch der Hard-Compound-Hinterreifen der ursprünglichen Allocation an die MotoGP-Teams verteilt, sondern ein Hinterreifen mit einem «Special Compound», der für solche Gelegenheiten bei den Franzosen vorrätig ist.

Diese Konstruktion wurde bisher in keinem Training von irgendeinem Fahrer verwendet.

Ein Trauerspiel, was Michelin da im ersten Jahr als Lieferant der Einheitsreifen aufführt. Bei grosser Hitze fliegen die weichen oder Medium-Hinterreifen auseinander.

Und jetzt müssen die Teams und Fahrer alles über Bord werfen, was sie an den ersten zwei Tagen in Las Termas über die Michelin-Pneus gelernt haben.

Denn Michelin wird für jeden MotoGP-Piloten vier Exemplare einer offenbar extra-harten Mischung zur Verfügung stellen, und zwar ausserhalb des üblichen Kontingents, das 22 Slickreifen (zehn Vorderreifen, zwölf Hinterreifen) pro Fahrer und Wochenende beinhaltet.

Damit sich die Teams und Fahrer an diese neue Situation gewöhnen können, hat die Race Direction den Zeitplan für Sonntag in Las Termas geändert.

Die MotoGP-Fahrer erhalten von 9 Uhr bis 9.30 Uhr (in Europa: 14 bis 14.30 Uhr) genau 30 Minuten zusätzlich für ein fünftes freies Training.

Um 10.40 Uhr Ortszeit haben die MotoGP-Fahrer dann ihr Warm-up über 20 Minuten. Der Rennstart zum Rennen über 25 Runden bleibt bei 16 Uhr (21 Uhr MESZ).

«Nach dieser Entscheidung von Michelin wird der Sonntag von Ungewissheit geprägt sein», meint Pole-Setter Marc Márquez. «Denn alle Fahrer müssen jetzt hinten eine unterschiedliche Reifen-Spezifikation verwenden. Das sind Reifen, die wir an den ersten zwei Tagen nicht benützt haben. Wir müssen abwarten und schauen, wie dieser Reifen funktioniert. Wir werden quasi zwei Warm-up-Sessions haben, eine über 30 und eine über 20 Minuten. Dann werden wir wissen, wie das funktioniert. Da können wir auf jeden Fall Informationen fürs Rennen sammeln. Wir werden schauen, ob das mit diesem Hinterreifen gut klappt. Hoffentlich sind die Unterschiede zu den bisher verwendeten Reifen nicht zu gross.»

Beim Platzer in Malaysia wurde das Avintia-Team von Loris Baz durch Michelin beschuldigt, man habe den vorgeschriebenen Mindest-Reifendruck von 1,5 bar um 0,05 bar unterboten. Das nahm den Franzosen schon damals kein ernsthafter Mensch als Ursache für den Reifenschaden ab.

Danach wurden Sensoren zum Messen des Reifendrucks vorgeschrieben. Solche Sensoren verwendeten bisher nur die Werksteams. Heute kann sich jeder halbwegs aufgeweckte GP-Zuschauer ausmalen, dass es nicht an den – angeblich – fehlenden 0,05 bar lag, dass Loris Baz in Sepang bei 290 km/h vom Motorrad geschleudert wurde.

Valentino Rossi äusserte sich am Samstagabend in Las Termas ebenfalls noch zur geänderten Reifen-Allocation für das Rennen, das er im Vorjahr gewonnen hat. «Die neue Zuteilung der Reifen ändert die Situation sehr deutlich. Denn ich habe gedacht, Michelin werde den Medium-Hinterreifen zurückziehen und wir können mit der härteren Option fahren. Aber leider müssen wir jetzt das Rennen mit einem Reifen bestreiten, den wir bisher nie ausprobiert haben. Mit dieser Entscheidung starten wir bei Null und haben nur 50 Minuten Zeit, um ein Set-up zu finden», ärgert sich der Quali-Zweite. «Hoffentlich können wir in den 30 Minuten des zusätzlichen freien Trainings herausfinden, wie die Situation aussieht und ob dieser Reifen sicherer ist. Alle sitzen im selben Boot. Wir werden sehen, was am Sonntag passiert.»

Jorge Lorenzo, der auf Startplatz 3 steht, wunderte sich ebenfalls. «Eine sehr merkwürdige Situation», meinte der Yamaha-Star. «So etwas habe ich noch nie erlebt. Leider hatten wir in der jüngsten Vergangenheit ein paar Probleme. Und das ist definitiv keine komfortable Situation für die Fahrer und Teams. Aber das lässt sich jetzt nicht ändern. Ich habe grossen Respekt vor Michelin und den Anstrengungen, die sie in den letzten Monaten unternommen haben, um die Reifen für 2016 zu verbessern. Selbst wenn wir uns diesen letzten Zwischenfall anschauen, bin ich sicher, dass sie sich weiter bemühen und verbessern werden. Denn die Sicherheit hat im Rennsport oberste Priorität. Das Rennen hier wird extrem schwierig. Wir beginnen am Sonntagvormittag bei Null...»

Am späten Abend liess sich auch Michelin in Argentinien noch zu einem Statement hinreissen. «Nach dem Zwischenfall mit dem Hinterreifen an der Ducati von Scott Redding, bei dem der Reifen immer noch mit Luft gefüllt war, hat sich Michelin in Absprache mit Dorna, IRTA und den Teams entschieden, beide Hinterreifen-Versionen für den Sonntag zurückzuziehen», wurde verlautbart. «Die Medium- und Hard-Compound-Michelin-Slicks werden jetzt durch den Extra-Reifen ersetzt. Es ist eine Vorschrift im MotoGP-Reglement, dass wir so einen Extra-Reifen dabei haben müssen. Dieser neue Hinterreifen hat eine steifere Konstruktion, aber dieselbe Medium-Mischung wie jene Reifen, die das ganze Wochenende benützt wurden. Michelin wird den beschädigten Reifen zuerst untersuchen, bevor wir weitere Kommentare dazu abgeben.»

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