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Jacky Martens: «Wir müssen von den Kosten runter»

Von Thoralf Abgarjan
Jacky Martens kennt die WM-Szene wie kaum ein Anderer

Jacky Martens kennt die WM-Szene wie kaum ein Anderer

Ein Überseerennen kostet den Teams so viel wie vier 4 WM-Läufe in Europa. Ex-Weltmeister Jacky Martens kennt die Szene in all ihren Facetten und er erkennt, dass sich die Motocross-WM grundlegend verändern muss.

Unter normalen Umständen hätte am letzten Wochenende der WM-Lauf im französischen Saint-Jean d’Angély stattgefunden. Wegen der Corona-Krise ist nun aber alles anders. In Russland explodieren gerade die Infiziertenzahlen. Dass der dritte WM-Lauf am 5. Juli in Orlyonok stattfinden wird, glauben inzwischen nicht einmal mehr die größten Optimisten.

«Für uns ist es wie eine zweite Winterpause», erklärt der Team-Manager des neu gegründeten Teams 'JM Honda Racing'. «Wir erhielten letztes Jahr sehr spät grünes Licht, um uns mit einem neuen Hersteller in einer neuen Klasse auf die Saison vorbereiten zu können. Wir haben die Zeit genutzt, die uns im Winter gefehlt hat, um Tests auf dem Prüfstand durchzuführen. Wir fertigen ja auch viele Teile selbst an. Die Motoren haben wir inzwischen erstklassig hinbekommen.»

Beim WM-Lauf in Valkenswaard wurde an der Honda von Benoit Paturel nach dem Qualifikationsrennen eine Lautstärkemessung durchgeführt. Das Bike war zu laut. Deshalb wurde er um 5 Plätze zurückversetzt. «Viele Sachen kommen eben erst im realen Renneinsatz zum Vorschein, da helfen die vielen Tests nicht. Aber auch dafür haben wir inzwischen eine Lösung gefunden, dass uns so etwas nicht noch einmal passiert.»

Julien Lieber, der in diesem Jahr für das Team 'JM Honda Racing' fährt, hatte sich Anfang März einer OP unterzogen. Für ihn kam die Pause zum richtigen Zeitpunkt. «Die Operation war schon sehr schwierig, kein Routineeingriff. Im Reha-Prozess ist Julien jetzt wieder etwas ins Hintertreffen geraten, weil er wegen der Coronakrise nicht mehr zum Physiotherapeuten gehen durfte. Aber es wird langsam besser. Es fehlt dem Handgelenk noch an Stabilität. Auch an Geschmeidigkeit fehlt es noch. Das wird noch eine Zeit dauern. Er muss jetzt das Gefühl fürs Bike erst wieder aufbauen, denn sein letzter Grand-Prix liegt ja fast ein ganzes Jahr zurück.»

Zur Erinnerung: Lieber lag 2019 beim Deutschland-Grand-Prix im ersten Lauf im Talkessel (damals noch als Kawasaki-Werksfahrer) auf Rang 2 hinter Tim Gajser, als er am 'Todesberg' stürzte . Der Belgier landete auf der Rückseite der Bergkuppe, seine Kawasaki rutschte auf der anderen Seite die Steilauffahrt hinab. Lieber erlitt einen doppelten Ellenbogenbruch im rechten Arm.

Seine JM-Teamkollgen, Benoit Paturel und Artem Guryev, setzen indes ihr Fitnessprogramm fort. «Guryev ist komplett fit, aber an Fahrtraining war in den letzten Wochen nicht zu denken», weiß Martens. «Paturel ist hoch motiviert und das Training mit Joël Roelants funktioniert hervorragend. Die gegenwärtige Situation bietet ja auch die Chance, an seinen Schwachpunkten zu arbeiten und sich gezielt zu verbessern.»

Wie könnte die WM nach der Coronakrise weitergehen? «Ich denke, dass 'Infront Moto Racing' verstanden hat, dass der ganze Kalender abhängig ist von der Entwicklung der Pandemie in jedem einzelnen Land. Gleichzeitig ist so eine Weltmeisterschaft natürlich immer eine internationale Angelegenheit. Fahrer, Teams und Mitarbeiter kommen aus verschiedensten Ländern, wo es unterschiedlichste Restriktionen gibt. Im Moment stehen ja auch noch eine Reihe von Überseerennen im Kalender. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich die WM im September fortsetzen und bis Ende Oktober fahren. Noch später in den Herbst hinein, das wird dann eher schwierig werden, auch weil wir uns zu dieser Zeit schon wieder auf die nächste Saison vorbereiten müssen und auch die Fahrerverträge enden.»

«Von der Krise sind alle Bereiche des Lebens und der Wirtschaft betroffen», erklärt Martens weiter. «Wir sind ja ein eher kleines Team. Doch auch die großen Teams mit viel mehr Budget als wir, kommen an der Realität nicht vorbei. Wir können auf keinen Fall einfach so weitermachen, wie bisher. Wie in jedem Sport, so müssen wir auch im Motocross darüber nachdenken, wie wir das Ganze auf eine gesündere Basis bringen. Die Budgets sind zu hoch. Seit Jahren wird alles immer größer, immer professioneller mit immer mehr Leuten im Team. Die Präsentation spielt eine immer wichtigere Rolle. Es wird Zeit, dass wir darüber kritisch sprechen.»

Kostenreduktion ist daher das Gebot der Stunde. «Die Zahl der WM-Läufe und speziell die der Überseerennen ist zu hoch. Das ist der entscheidende Kostenfaktor. Ich kann es für unser Team sagen: Statt eines Überseerennens könnten wir für die gleichen Kosten vier WM-Läufe in Europa realisieren. Vor zehn Jahren gab es zwei Überseerennen im Jahr. Jetzt haben wir vier Überseerennen plus zwei weitere Rennen außerhalb der Schengen-Zone, Russland und Türkei. Man könnte auch über eine 'One Bike Rule' sprechen, dass also nicht wie bisher zwei, sondern nur noch ein Bike zum Rennen zugelassen wird. Die Hersteller könnten damit beweisen, wie zuverlässig ihre Motorräder wirklich sind. Ich denke, dass auch die Teams abgespeckt werden sollten. Ein Fahrer sollte mit zwei Mechanikern und einem Koordinator effektiv arbeiten können. Die ganze Logistik für die Überseerennen verschlingt sehr viel Geld. Für kleinere Teams ist das kaum noch zu stemmen.»

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