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Wie JR Racing die Welt zweimal für dumm verkaufte

Von Ivo Schützbach
Joslin Robinson versuchte mit ihrem ominösen Team JR Racing in der Superbike-WM Fuß zu fassen. Wie alle hinters Licht geführt wurden und welchen Schaden Ex-Weltmeister Troy Corser dabei erlitt.

Joslin Robinson, eine Italienerin mit Wurzeln in der Dominikanischen Republik, präsentierte Anfang Oktober 2014 in Magny-Cours vollmundig ihr Team JR Racing. Sie stellte es als Nummer 1 von BMW dar, dabei hatte sie vom bayerischen Hersteller keine derartige Zusagen, ja noch nicht einmal die Erlaubnis, das BMW-Logo für den ersten öffentlichen Auftritt zu verwenden.

In den Monaten darauf deckte SPEEDWEEK.com regelmäßig Ungereimtheiten auf. BMW hat Anfang November 2014 Serienmotorräder an BMW Hofmann in Stephanskirchen geliefert. Diese standen dort wochenlang hinter verschlossenen Türen, weil sie unbezahlt blieben. Bei Zuliefererfirmen wie Öhlins und Brembo war früh zu hören, dass zwar Bestellungen von JR Racing vorlagen, aber auch dort kein Geld floss. Zwei angeheuerte Mechaniker sind nach wenigen Wochen davongelaufen, weil sie kein Geld erhielten.

Trotzdem behauptete Sport-Direktor Troy Corser noch am 21. Februar 2015 auf Phillip Island gegenüber BMW, dass JR Racing am 12. April 2015 beim Europaauftakt im MotorLand Aragón am Start sein werde – obwohl das alleine aus logistischer Sicht beinahe unmöglich war.

Während sich längst abzeichnete, dass das Team ein Flop ist, wurde versucht die Medien hinters Licht zu führen, die Angestellten und potenzielle Ausrüster des Teams wurden getäuscht und hingehalten, ebenso WM-Vermarkter Dorna und die bemitleidenswerten engagierten Fahrer Ayrton Badovini und Toni Elias.

Eingeständnis des Desasters

Am 9. März 2015 meldete sich Teammanagerin Gemma Voces Pons zu Wort: «Niemand hat von den Teameigentümern auch nur einen Cent erhalten – Joslin Robinson und Manfredi Lombardi. Sie alleine sind für die Situation verantwortlich. Dorna, BMW und alpha Racing waren während dieser schwierigen Zeit eine große Unterstützung für das Team. Wir haben an diesem neuen Team über ein Jahr gearbeitet, ich bin sehr enttäuscht und wütend über die gesamte Situation. Nicht nur, weil es so aussieht als hätten wir unsere Zeit verschwendet, sondern auch, weil wir 18 Leute sind, die jetzt ohne Job dastehen.»

Sport-Direktor Troy Corser ließ sich einen weiteren Monat Zeit, bis er sich am 12. April 2015 öffentlich von der Geistertruppe distanzierte. «Wie von verschiedenen Stellen berichtet, wurden die finanziellen Verpflichtungen durch die Teameigner nicht erfüllt», teilte der Australier mit. «So weit es mich betrifft, wurden bis heute weder Gehälter noch Rechnungen Dritter bezahlt oder Auslagen erstattet. Wie ich die Organisatoren der Superbike-WM verstanden habe, wurden auch die Verpflichtungen zur Teilnahme an der Superbike-WM 2015 nicht erfüllt. Die Eigentümer von JR Racing, das sind Joslin Robinson und Manfredi Lombardi, haben mich im letzten Jahr mit einem Drei-Jahres-Vertrag beauftragt, als Sport-Direktor für das Team tätig zu sein. Wir alle waren im festen Glauben, dass für alles Erforderliche gesorgt war – finanziell und rechtlich.»

Zweiter Versuch mit Aprilia

Damit war das Thema JR Racing aber nicht aus der Welt. Im Dezember 2015 sickerte durch, dass Robinson mit Aprilia verhandelt. Der Hersteller aus Noale hatte seine Zusammenarbeit mit Red Devils Roma beendet und suchte für 2016 ein neues Team.

Wenig später trat Robinson in der ihr eigenen, unverfrorenen Art mit einem Paukenschlag an die Öffentlichkeit und fabulierte davon, zwei Fahrer aus der Dominikanischen Republik auf Werks-Aprilia in die Superbike-WM 2016 zu schicken. JR Racing teilte mit: «Unsere Teilnahme an der Superbike-WM wird 2,7 Millionen Euro kosten, das Team umfasst derzeit 52 Mitarbeiter, darunter Mechaniker, Techniker, Trainer, Köche und andere. Unser Debüt ist am 28. Februar in Australien.»

«Wir sind zurück im Geschäft», verkündete Robinson außerdem. «Ende Januar nehmen wir an den Testfahrten in Jerez teil, von dort wird das Material nach Australien geschickt, wo wir einen weiteren Test absolvieren werden, bevor es am 28. Februar losgeht.»

JR Racing wollte das Team Mitte Januar 2016 in Padua/Italien vorstellen, dort sollte auch der Teamsitz sein. Für die Teamführung wurden Riccardo Venturi (Technischer Direktor), José Manuel Tamajon (Teammanager) und Politiker Attilio Perna (Teambotschafter) verpflichtet. Als Fahrer grub JR Racing die international unbekannten Brüder Waldis und Wayne Veras aus Santo Domingo in der Dominikanischen Republik aus.

Ab dem 15. Dezember 2015 herrschte Totenstille. JR Racing hatte von Aprilia einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen, der Hersteller ist klug genug erst zu liefern, wenn Geld auf dem Konto ist – was nie geschah.

Gleich verhielt es sich mit WM-Vermarkter Dorna. JR Racing fragte wegen zwei Startplätzen an. «Sie haben nichts bezahlt, also existieren diese Leute für uns nicht», hielt ein hochrangiger Dorna-Manager gegenüber SPEEDWEEK.com fest.

Der spanische Promoter teilte Robinson von Anfang an in aller Deutlichkeit mit: Ist auch das zweite Projekt eine Luftnummer, werden die Türen des Fahrerlagers für JR Racing für immer verschlossen sein.

Die verbrannte Erde bleibt

«Alles endete damit, dass es keine Rückmeldungen mehr gab auf Anrufe oder Mails», blickt Troy Corser zurück. «Die Organisation des Teams war weit vorangeschritten, wir hatten Material, Motorräder, eine Werkstatt, Mechaniker, Verträge mit Fahrern. Als es darum ging zu bezahlen, verschwand sie.»

Corser war lediglich in Teil 1 der Tragödie mit BMW involviert, Teil 2 mit Aprilia kennt der zweifache Superbike-Weltmeister nur vom Hörensagen.

Das Luftschloss JR Racing hat sich in Rauch aufgelöst. Aus welchen Beweggründen Robinson zum zweiten Mal ein nicht existierendes Team präsentierte, bleibt im Dunkeln.

Der Absagegrund war beides Mal derselbe: Kein Geld. Dieses hätte von der Regierung der Dominikanischen Republik kommen sollen. Doch welchen Nutzen hat ein Karibikstaat davon, so Steuergelder auszugeben?

«Sie wollten einen Superbike-WM-Event austragen», schilderte Corser. «Sie wollten eine neue Rennstrecke bauen. Es gibt dort bereits eine Strecke, diese entspricht aber nicht dem Standard. Mein Vertrag mit Robinson umfasste, dass ich mich um das Team kümmere. Ich sollte aber auch als Berater arbeiten, um diesen neuen Komplex zu bauen – mit Unterstützung der Regierung. Weshalb es nie dazu kam, weiß ich nicht. Ich will auch nicht spekulieren, im Rennsport sind seltsamere Dinge passiert. Nach dem ersten Scheitern stellte ich mir die Frage, weshalb das Projekt scheiterte. Beim zweiten Mal verstand ich nicht, weshalb es ein zweites Mal gab.»

Corser wünscht sich Job im Rennsport

Wie einige andere, gehört Corser zu den Geschädigten. «Ich hatte Kosten für Transporte und Flüge, ich gab Robinson aber kein Geld für das Team», hielt der 45-Jährige fest. «Ich bin froh, dass ich aufgehört habe und nicht noch mehr Geld reinsteckte. Ich hätte viel Geld verlieren können. Rückblickend schmerzt mich weniger das Geld, sondern viel mehr die Mechaniker und Fahrer, die hängen gelassen wurden. Sie wurden teilweise von anderen Arbeitgebern wegverpflichtet und dann geschah nichts. Das brachte sie in eine schwierige Lage, einige fanden für die letzte Saison keinen Job. Dafür fühle ich mich zum Teil verantwortlich, auch wenn sie mir nie einen Vorwurf machten.»

Corser hat seit seinem Rücktritt nach der Saison 2011 stets erklärt, dass er dem Rennsport verbunden bleiben möchte: Als Testfahrer, Botschafter oder in einem Team. «Es gibt immer Gespräche», sagt der 33-fache Superbike-WM-Laufsieger. «Eine Struktur auf die Beine zu stellen und das Material zu bekommen, ist der einfache Teil. Schwierig ist den richtigen Sponsor zu finden, der aus den richtigen Gründen dabei sein will und sein Engagement auch genießt. Gut ist: Je weiter ich mich vom Rennsport entferne, um so mehr Verbindungen zu solchen Leuten baue ich auf.»

Du wärst gerne Teamchef, fragte SPEEDWEEK.com. Corser: «Ich will weniger mit der Organisation zu tun haben, ich arbeite aber gerne mit den Fahrern und Mechanikern. Mir geht es um die Arbeit an der Rennstrecke. Deshalb wollte ich bei JR Racing auch nicht Teammanager sein, sondern Sport-Direktor – das ist meine Stärke.»

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