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Stefan Bradl (Honda): «Die Atmosphäre wurde frostig»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl auf der Honda Fireblade

Stefan Bradl auf der Honda Fireblade

Red Bull Honda-Superbike-Pilot Stefan Bradl spürte, dass er ab Sommer den Rückhalt im Team verlor. «Jeder im Team hat versucht, sich rauszureden», sagt der Bayer.

Honda Motor Europe (HME) löste Ende Juni die Option für 2018 auf Stefan Bradl nicht ein. Dem Deutschen wurde später vorgeworfen, er habe die Motivation verloren.

Dabei forderte er einfach spürbare technische Updates, die nie zum Vorschein kamen.

Ausserdem liess HME den Moto2-Weltmeister von 2011 bis November über die Zukunft im Ungewissen. Trotzdem wurde ihm zum Vorwurf gemacht, dass er MotoGP-Anfragen (von KTM und Marc VDS) prüfe.

Immerhin schaffte Stefan Bradl beim Portugal-Event im September den achten Startplatz, im ersten Rennen stürzte er an siebter Position.

Bei den Jerez-Rennen im Oktober traten die Ersatzfahrer Davide Giugliano und Takumi Takahashi an. Sie landeten in den Trainings auf den Rängen 18 und 19 – und holten zu zweit in den vier Rennen nur einen WM-Punkt.

Diesen beiden Piloten warf freilich niemand von der Teamführung mangelnde Motivation vor...

Man wurde den Eindruck nicht los, das Ten Kate Honda-Team wolle einen lästigen Kritiker loswerden.

Vielleicht wurde Stefan Bradl hinsichtlich der Saison 2018 monatelang hingehalten.

Deshalb widmete er sich immer stärker dem Plan B. Auf die Idee, sich mit der Rolle eines MotoGP-Testfahrers zu befassen, kam der 28-jährige Bayer im August, als er von KTM angefragt wurde.

Damals wurde bei KTM überlegt, ob man sich von Bradley Smith trennen und Mika Kallio in die Position des Stammfahrers befördern sollte.

Als dann eine Anfrage von HRC kam, erschien Bradl diese Aufgabe reizvoller als eine zweite Saison bei Honda in der Superbike-WM.

Deshalb lehnte er die Honda-SBK-Angebot im November ab.
Honda Motor Europe brauchte dann bis zur ersten Dezember-Woche, um den zweiten Platz mit Jake Gagne zu besetzen.

Stefan, nach den Rennen in Laguna Seca Mitte Juli bist du von Teammanager Ronald ten Kate erstmals in einem Interview kritisiert worden. Kam das überraschend?

Ja, ich will da nicht mehr die alten Kamellen aufwärmen.
Aber ich will nicht bestreiten, dass der Kontakt zum Team im Sommer ein bisschen weniger wurde. Unter der Woche gab es weniger Kontakt. Ich habe mehrmals nachgefragt, wie die Situation ist, ob es News gibt, ob es technische Updates gibt.

Die Antworten, die ich dann per E-Mail oder WhatsApp gekriegt habe, waren eigentlich immer gleichlautend.

Darunter leidet dann die Stimmung im Team, das Klima wurde ein bisschen frostiger.

Nach der Sommerpause auf dem Lausitzring ist meine Kritik auch an die Öffentlichkeit gekommen, weil ich dort festgestellt habe, es ändert sich nichts, die Situation bleibt unverändert.

Ich war enttäuscht, als man zu mir gesagt hat: Jetzt haben wir dir eine neue Verkleidung hin geschraubt, jetzt bist du automatisch zwei Zehntel pro Runde schneller.

Da habe ich mich verarscht gefühlt. Ich bin ja lang genug im Geschäft und weiß, dass eine neue Verkleidung bei unserem Projekt keine zwei Zehntel pro Runde ausmacht. Vor allem brauchten wir keine neue Verkleidung, denn auf der Geraden mache ich mich klein, und meine Statur ist eigentlich gut für einen Rennfahrer.

Ausserdem wäre eine bessere Elektronik und eine sanftere Kraftentfaltung wichtiger gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten das Team und ich schon recht wenig Kontakt. In der Sommerpause ist es recht ruhig geworden.
Ich will jetzt das Team nicht kritisieren. Wir sitzen allen in einem Boot. Und ich habe sicher auch nicht alles richtig gemacht und ideal reagiert.

Die Diskussionen sind dann oft sehr emotional abgelaufen, aber meistens in einer negativen Richtung.

Du hast einmal erwähnt: Vom Fahrer verlangt das Team 110 Prozent, das Team brachte aber monatelang keine Verbesserung zustande.

Mit diesem Motorrad musste man extrem viel riskieren, wenn man unter die Top-Ten fahren wollte.

So ein Risiko kann man nicht an jedem Wochenende in jedem Training eingehen. Man hat in der SBK am Freitag wenig Abstimmungszeit, in den zwei freien Trainings musst du schon in die ersten zehn kommen für die Superpole.

Dann hast du am Samstag schon das erste Rennen. Für uns hat die Set-up-Zeit auf den meisten Strecken nicht gereicht.

Wenn ich dann im Rennen 110 oder 120 Prozent geben musste, um mit 30 Sekunden Rückstand ins Ziel zu kommen, war das für mich nicht gut genug. Deshalb habe ich Veränderungen verlangt.

Die Erwartungen vor der Saison waren ja ganz andere.

Die Teamverantwortlichen haben dir ab Sommer vorgeworfen, du hättest die Motivation verloren. Gleichzeitig meinte die Teamführung bei jeder Gelegenheit, du seist vom Speed her der schnellste Fahrer gewesen. Jedenfalls haben Takahashi, Gagne und Giugliano nie an deine Leistungen herangereicht.

Ich möchte bestreiten, dass meine Motivation gelitten hat.

Aber für das Selbstvertrauen ist es nicht vorteilhaft, wenn du spürst, dass der Rückhalt im Team fehlt.

Mein Selbstvertrauen hat dadurch gelitten. Ich habe mir gedacht: ‚Was mach ich verkehrt? Oder bin ich mittlerweile zu deppert?’

Wir haben dann für Portimão personelle Änderungen vorgenommen, der Technische Direktor blieb daheim, ich bekam Dino Acocella als neuen Crew-Chief. Dino hatte vorher für Nicky Hayden gearbeitet. Diese Änderungen haben bei mir einen Aufwind verursacht, denn die Atmosphäre im Team war vorher auf meiner Seite schon sehr frostig.

Ich habe also die Seite von Nicky übernommen. Es wurde versucht, die Saison noch gut zu Ende zu bringen. Aber ich habe mich in Portugal im ersten Rennen verletzt. Das hat für frischen Schwung gesorgt.

Wir haben uns dann einigermassen gut verkauft.

Aber wir mussten kämpfen, um im Rennen unter den ersten zehn zu bleiben, obwohl mein Qualifying nicht so schlecht war.

Es ist im Rennverlauf immer schwieriger geworden, diese Pace zu halten, diesen Speed zu gehen. Kawasaki und Ducati waren meistens ausser Reichweite. Aber zumindest an Aprilia und Yamaha wollten wir dranbleiben.

Dann ist wieder ein Sturz passiert, der auf die Traktionskontrolle zurückzuführen war. Freilich war ich am Limit, freilich habe ich gepusht wie ein Blöder, aber es blieb mir auch nichts anderes übrig.

Mein Selbstvertrauen hat gelitten, weil das Team an mir gezweifelt hat und ich nicht gewusst habe, was ich anders hätte machen können. Es hat mir keiner unter die Arme gegriffen. Es gab keinen im Team, der einmal gesagt hätte: Mach’ es so oder probier’ das.

Es ist immer nur geschuftet worden, um die Technik in den Griff zu kriegen.

Beim Training zum 8h-WM-Lauf in Suzuka hast du gesagt, die in Japan aufgebaute Fireblade sei technisch auf einem anderen Level als deine WM-Maschine. Takahashi hat mit der Honda die Japanische Meisterschaft gewonnen. Trotzdem sagte Ronald ten Kate in einem Interview im Herbst: «Wir brauchen HRC nicht.»

Die Teamverantwortlichen haben sich teilweise selber widersprochen und haben nicht gewusst, in welche Richtung es weitergeht.

Im Oktober hiess es, das Team habe die Entwicklung für 2017 eingestellt. Aber wenn man die Performance vom Februar mit jener vom Oktober vergleicht, gab es bei den Platzierungen eher gewaltige Rückschritte. Auch mit Takahashi, der zweifellos ein Topfahrer ist.

Ich will gar nichts mehr dazu sagen. Jeder im Team hat nur versucht sich rauszureden. 

Aber so ein Vorgehen macht die Situation nicht besser.

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