Most hat Potenzial – aber bitte wieder im Sommer!
55.318 Fans wurden in diesem Jahr bei der Superbike-WM in Most gezählt. Nachdem das Event seit dem Debüt in der Saison 2021 von Jahr zu Jahr mehr Zuschauer anzog und im Vorjahr nur knapp die Marke von 60.000 Besuchern verpasste, verzeichnete man erstmals einen Rückgang der Zuschauerzahlen. Die Ränge waren gut gefüllt, doch man hatte das Gefühl, dass etwas fehlte. Vielleicht war es einfach nur das sommerliche Gefühl der ersten Ausgaben.
Der neue Termin im Mai hat seine Spuren hinterlassen – nicht nur in den Besucherzahlen. Die Nächte auf den Campingplätzen waren klirrend kalt. Der See unweit der Rennstrecke, sonst beliebter Treffpunkt zum Abkühlen und Entspannen, blieb dieses Jahr weitgehend ungenutzt.
Der Bierkonsum? Offiziell nicht bestätigt – aber bei gefühlt 10 Grad mit Wind und gelegentlichen Regenschauern dürften auch die Zapfhähne weniger zu tun gehabt haben. Es ist eben ein Unterschied, ob man bei 30 Grad im T-Shirt an der Strecke steht oder sich in mehrere Schichten Klamotten hüllt und auf eine heiße Tasse Kaffee oder Tee wartet.
Den Fans wurde wie in den zurückliegenden Jahren toller Motorsport geboten. Das Duell zwischen Toprak Razgatlioglu und Nicolo Bulega am Sonntag erzeugte Spannung bis zum Zielstrich. Eineinhalb Stunden zuvor sorgten Philipp Öttl und Marcel Schrötter für Jubelstimmung, als sie im zweiten Rennen der Supersport-WM in die Top-4 fuhren.
Öttl gelang beim Beinahe-Heimrennen das erste Podium als Ducati-Pilot – ein riesiger Befreiungsschlag! Abgerundet wurde der Tag vom Sieg der sächsischen Freudenberg-Mannschaft, die mit Jeffrey Buis im zweiten Rennen der Supersport-300-WM triumphierte. Chapeau! Es gibt sie also noch, die sportlichen Erfolge deutscher Motorradsportler.
Gute Nachrichten wurden bereits vor dem Trainingsauftakt verkündet. Most hat seinen Platz im Kalender verteidigt. Kurz vor dem Wochenende wurde ein neuer Fünfjahres-Vertrag bekanntgegeben – eine wichtige Botschaft an die Fans, die Teams und die Region. Planungssicherheit ist die Basis für Entwicklung, und man darf den Verantwortlichen vor Ort durchaus ein Kompliment machen.
Ständige Verbesserungen, doch es gibt noch Luft nach oben
Seit dem Superbike-WM-Debüt in der Saison 2021 hat sich viel getan. Der Asphalt muss den internationalen Vergleich mittlerweile nicht mehr scheuen, das Streckenlayout ist anspruchsvoll und unter Fahrern beliebt. Auch im Umfeld der Strecke wurden viele Details verbessert, wenn auch oft unauffällig – aber eben kontinuierlich.
Und doch bleibt ein Makel, den ich an dieser Stelle nicht verschweigen kann: die Arbeitsbedingungen für Medienvertreter. Seit dem ersten Event werden die Fotografen, Journalisten und PR-Manager in einem Zelt untergebracht, was bei einem WM-Lauf eher unüblich ist.
Besonders am Donnerstag und Freitag war es bitterkalt, und auch die am Samstag installierten Heizelemente waren kaum mehr als symbolisch. So sehr ich das Event schätze – mir fällt kein anderes Rennen ein, bei dem die Arbeitsbedingungen derart schlecht sind.
Ein Media Center, oder besser noch eine funktionale Mehrzweckhalle im Fahrerlager, wäre nicht nur eine Investition in die Zukunft, sondern auch abseits der WM-Veranstaltungen vielseitig nutzbar: als Eventlocation, VIP-Area oder Konferenzraum. Solche Strukturen würden Most dauerhaft aufwerten.
Dass die Strecke Zukunft hat, steht zum Glück außer Frage. Trotz eines laufenden Konflikts mit Anwohnern steht die Politik hinter dem Projekt – andernfalls hätte es auch keinen neuen Vertrag gegeben.
Ich rieb mir verdutzt die Augen, als ich Petr Pavel, den Präsident der Tschechischen Republik, am Sonntag gekleidet in einer Fotografen-Weste an der Strecke sah, wie er mit seiner Kamera begeistert Bilder vom Geschehen schoss, bevor er die Zielflagge des Superbike-Rennens schwenken durfte. Offensichtlich genoss der 63-Jährige das Spektakel im Autodrom Most. Es ist ein wirklich positives Signal, einen derart prominenten Befürworter zu haben.
Findet sich in Zukunft wieder ein Platz im Juni oder Juli?
Most hat Charme, das steht außer Frage. Die Fans, das Flair, das gute tschechische Bier und nicht zuletzt der Oldschool-Charakter machen den Ort zu etwas Besonderem. Für mich ist es auch persönlich ein emotionaler Platz – ich bin hier selbst schon viele Runden bei Trackdays gefahren, kenne jede Kurve, jede Bodenwelle. Vielleicht bin ich deswegen besonders kritisch – und gleichzeitig besonders verliebt in diesen Ort.
Was die Terminverschiebung vom Hochsommer in den Frühling betrifft, kursieren verschiedene Versionen. Anfangs hieß es, man wolle eine zeitliche Trennung zur geplanten MotoGP-Rückkehr in Brünn schaffen. Brünn war immer ein Sommerklassiker – und um Kollisionen zu vermeiden, zog man Most vor.
Eine Quelle aus dem Dorna-Umfeld sagte mir jedoch, dass vielmehr das neue Ungarn-Event den Kalenderdruck erzeugt hat. Mit Misano und Donington gibt es zwei weitere Sommerklassiker, an deren Termine wohl nicht zur Disposition stehen.
Wie dem auch sei: Sollte es 2026 wieder einen Juli-Termin geben – ich wäre der Erste, der jubelt. Und ich bin mir sicher: Viele Fans, die dieses Jahr in Schlafsäcken bibberten, würden sich anschließen.
Most hat das Zeug dazu, ein Klassiker im Superbike-Kalender zu werden. Aber Klassiker brauchen das richtige Umfeld – und den richtigen Platz im Jahr. Bitte wieder im Sommer!
Motorsportliche Grüße,
Sebastian Fränzschky
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