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Stefan Bradl: Superbike-WM 2017 ist eine Alternative

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl: MotoGP-Karriere nach 2016 zu Ende?

Stefan Bradl: MotoGP-Karriere nach 2016 zu Ende?

Stefan Bradl wartet auf eine Entscheidung des Aprilia-MotoGP-Teams für 2017. Sicherheitshalber sieht er sich nach Möglichkeiten in der Moto2- und Superbike-WM um.

Spätestens am 15. August, also am Montag nach dem Grand Prix von Österreich in Spielberg, wird sich Aprilia Racing entscheiden, ob die Option auf Stefan Bradl für die MotoGP-Saison 2017 eingelöst wird.

Momentan ist Moto2-Titelanwärter Sam Lowes (25) im Werksteam für 2017 fix, dazu hat Aleix Espargaró Interesse angemeldet. Außerdem rechnen sich Stefan Bradl und Alvaró Bautista gute Chancen aus.

Bradl sagt klar, es sei seine Priorität, sich den zweiten Platz neben Lowes bei Aprilia für 2017 zu sichern. Rennchef Romano Albesiano verlangt von Bautista und Bradl ein «besonderes Ergebnis». Der Bayer hat 2016 in Las Termas einen siebten Platz erobert, Bautista war zuletzt beim Barcelona-GP Achter. Nach sieben Rennen haben beide Aprilia-Piloten 29 Punkte erobert, sie liegen in der WM punktgleich mit Bradley Smith auf den Rängen 13 und 14.

Bradl hat seit 2012 bisher 76 MotoGP-Rennen bestritten und 45 Top-Ten-Plätze erzielt. Das hat bisher in der Königsklasse kein deutscher Rennfahrer zustande gebracht. Der siebenfache GP-Sieger (2 x 125 ccm, 5 x Moto2) hat die MotoGP-WM dreimal unter den Top-Ten beendet, das hat in der «premier class» seit Walter Zeller (BMW), der 1955 Rang 7 erreichte, 1956 Rang 2 und 1957 Rang 6, kein Deutscher erreicht.

In der MotoGP-Viertakt-Ära kommt auch kein Deutscher an Bradl heran, der 2011 in der Moto2-WM den Titel holte – gegen keinen Geringeren als Marc Márquez.

Bradl hat inzwischen einen Blick auf die Superbike-WM geworfen. Dort könnte bei Ten Kate Honda ein Platz frei werden, wenn Michael von der Mark in die MotoGP-Klasse wechselt (zu Marc VDS); Ducati will den Chaz-Davies-Teamkollegen Davide Giugliano ersetzen; Yamaha mit Sylvain Guintoli und Alex Lowes weitermachen. BMW betreibt nur Privatteams mit Althea und Milwaukee und bekennt sich nicht offiziell zur Superbike-WM.

Stefan, vor drei Wochen hast du gesagt, du schläfst ruhig und machst dir keine Sorgen wegen 2017. Aber du hast inzwischen einen Plan B und C im Auge, falls Aprilia 2017 auf deine Dienste verzichtet?

Ja, natürlich. Ich denke nach, es bestehen auch gewisse Kontakte. Seit einigen Tagen kann ich mir neben der Moto2- auch die Superbike-WM als Alternative vorstellen.

Die Superbike-WM hast du im Vorjahr noch ausgeschlossen. Wie hat sich dieser Meinungsumschwung vollzogen?

Ich habe bei Aprilia die Vorzüge eines Werksteams kennengelernt. Ich habe gesehen, was da alles geleistet und entwickelt wird. Und in der Superbike-WM sind mehr Werke vertreten als in der MotoGP.

Ja, richtig, aber Aprilia ist bei den Superbikes nicht mit einem richtigen Werksteam dabei, BMW hat nur zwei Kundenteams, MV Agusta ist auch keine Siegertruppe. Reizvoll wäre nur ein Platz in einem Top-Team wie Kawasaki, Yamaha, Honda oder Ducati.

Ja, und in den nächsten Tagen und Wochen wird man sehen, ob dort für 2017 MotoGP-Fahrer gebraucht werden.

Du kennst auch einige SBK-Strecken nicht.

Ja, Buriam in Thailand zum Beispiel, Imola und Magny-Cours. Aber mit Phillip Island, Aragón, Assen, Sepang, Donington, Misano, Jerez und Doha sowie Laguna Seca kenne ich den Großteil der Strecken bestens. Auch den Lausitzring kenne ich aus der IDM.

In Laguna Seca warst du 2013 mit der LCR-Honda auf der Pole-Position, im Rennen Zweiter hinter Márquez. Dann flog dieser Event aus dem GP-Kalender.

Ja, das habe ich sehr bedauert. In Laguna Seca fahre ich 1000 Mal lieber als auf so mancher anderen Strecke.

Dein alter Kumpel Nicky Hayden fühlt sich bei den Superbikes recht wohl.

Ja, ich habe Nicky kürzlich beim Misano-Test mit Aprilia getroffen. Er ist dort mit dem Rennrad rumgefahren; ich habe mich mit ihm unterhalten. Er ist momentan recht zufrieden, und er hält große Stücke auf die neue Fireblade, die 2017 eingesetzt wird.

Wenn ich mich zwischen Moto2- und Superbike-WM entscheiden müsste, hätte die Superbike-WM sicher gewisse Reize. Unser Elektronik-Ingenieur Marcus Eschenbacher sagt, dass die MotoGP-WM durch die Einheits-Elektronik technisch auf demselben Stand ist wie die Superbikes. Er sagt, die Superbikes brauchen sich vor der MotoGP nicht zu verstecken, wenn es ums technische Know-how geht.

Und wenn ich mir anschaue, dass ehemalige GP-Fahrer wie Guintoli, Haslam, Torres, Davies, Camier und so weiter dort ganz vorne mitmischen oder mitgemischt haben, dann mache ich mir keine Sorgen, dass sich der Umstieg fahrerisch nicht bewältigen lässt. Carlos Checa ist bei den Superbikes seinerzeit aufgeblüht und Weltmeister geworden, Marco Melandri beinahe auch, Max Biaggi hat die WM 2010 und 2012 gewonnen. Marco Simoncelli ist 2009 mit einer Wildcard in Misano auf einer dritten Aprilia in der Superbike-WM gleich Dritter geworden.

Je mehr ich über die Superbikes nachdenke, desto eher kann ich mich mit diesem Gedanken anfreunden.

Natürlich ist das alles Spekulation. Aber ich traue mir zu, bei den Superbikes nach einer gewissen Eingewöhnungsphase vorne dabei zu sein.

Eines ist klar: Ich will die nächsten vier MotoGP-Rennen optimal nützen, um Aprilia zu überzeugen. Ich möchte bis zum Jahresende noch einige Top-Ten-Ergebnisse einfahren. Die letzten drei Rennen waren schwierig. Aber ich will weiter um den zwölften WM-Rang kämpfen.

Aber du kannst dir deiner Sache bei Aprilia für 2017 nicht sicher sein?

Nein, und die Zeit schreitet voran. Wenn von Seiten Aprilia nichts passiert, dann ist es Zeit, in der man zu überlegen beginnt und sich Gedanken macht. Das ist klar.

Ich beschäftge mich deshalb mit anderen Optionen für die nächste Saison, wenn ich kein positives Feedback von Aprilia bekomme.

Bei den Superbike-Werksteams sind womöglich auch nur noch je ein Platz bei Ducati und Honda frei. Aber wir hören uns um, auch in der Moto2, damit wir nicht mit leeren Händen dastehen, falls bei Aprilia kein Platz für mich ist.

Wir befinden uns noch an einem frühen Zeitpunkt der Transferphase, besonders was die Moto2-Klasse betrifft.

Ducati hat drei MotoGP-Kundenteams. Aber da bestehen keine Kontakte für 2017?

Nein. Manche Teams gehen vielleicht davon aus, dass es mit Aprilia weitergeht. Deshalb werden wir jetzt aktiv werden.

Wie gesagt: Wenn es mit MotoGP 2017 nicht klappt, gibt es noch die Moto2- und die Superbike-WM. Ich höre mir dort alle Möglichkeiten an, denn ich bin älter, erfahrener und geschäftsfähiger geworden. Deshalb lehne ich prinzipiell keine Idee ab. Man hockt sich hin, hört sich alles an, dann schläft man drüber und überlegt sich das.

Denn das sind Entscheidungen fürs Leben. Die lässt man sich einfach in Ruhe durch den Kopf gehen.

Der Motorradrennsport ist mein Beruf, das Ganze ist ein Geschäft. Im Beruf muss man danach trachten, dass man Erfolg hat und natürlich auch, dass es finanziell interessant bleibt. Ich häng mich nicht so rein und geh so viel Risiko ein, damit ich dann ein Minus mache...

Ich bin in dieser Hinsicht etwas offener geworden. Das war in der Vergangenheit nicht immer so; da war ich etwas sturer. Deshalb kann ich mir heute die Superbike-WM genau so vorstellen wie Moto2.

Ich bin mir bewusst: Wenn sich Aprilia anderweitig entscheidet, muss ich mich anderswo umschauen. Ich habe keine Lust, mit 26 Jahren aufzuhören. Deshalb schauen wir uns in anderen Rennserien um.

Deine MotoGP-Karriere könnte also nach fünf Jahren zu Ende gehen? Deine Kritiker sehen dich sowieso schon seit dem Winter in der IDM versanden?

Darauf kann ich nur antworten: Diese Kritiker sollen mir erstens zuerst einmal irgendeinen Fahrer auf diesem Planeten aus Deutschland nennen, der es in den letzten zehn oder 20 Jahren besser gemacht hat als ich.

Und zweitens bin ich neugierig, wie sich Jonas Folger 2017 in der MotoGP-WM verkauft. Ich wünsche ihm das Beste, dass er gesund bleibt und dass er Erfolg hat. Aber seine Situation ist sicher auch schwierig. Denn er hat zwar einen MotoGP-Vertrag, aber seine Leistungskurve in der Moto2 zeigt seit drei Rennen nach unten.

Ich kümmere mich nicht viel um Statistiken. Alex Hofmann ist bis 2007 in der MotoGP-WM gefahren, aber das waren andere Zeiten. Ich glaube trotzdem, dass ich einen besseren Job gemacht habe als er.

Ich war auch in der Moto2 besser als alle anderen Deutschen, die vorher oder nachher dort gefahren sind und jetzt noch dort sind.

Ich lobe mich äußerst ungern selber, weil das nicht mein Stil ist. Aber wenn jemand schreibt, ich gehöre in die IDM, dann sollten diese Experten zuerst einmal nachdenken und überlegen, bevor sie irgendwo ihren Senf dazugeben.

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