Valentino Rossi sucht das Glück

Faszination Speedway: Extrem-Drift, keine Bremsen

Kolumne von Ivo Schützbach
Am morgigen Samstagabend (22. September) steigt mit dem Grand Prix in Teterow das wichtigste Speedwayrennen des Jahres in Deutschland. Weil es keinen deutschen Fixstarter gibt, ist nur Wildcard Kai Huckenbeck dabei.

Am 22. September kehrt der Speedway-GP nach Deutschland zurück, in die beschauliche 9000-Seelen-Gemeinde Teterow in der Mecklenburgischen Schweiz.

Zeit, einen genauen Blick auf den Speedway-GP zu werfen und ihn Leuten vorzustellen, die den spektakulären Driftsport bisher nicht oder nur am Rande verfolgten.

Die Speedway-WM wurde 1936 erstmals ausgefahren und ist damit die älteste aller Motorrad-Weltmeisterschaften. Bis inklusive 1994 wurde der Champion in einem Rennen ermittelt, dem Weltfinale. Ausnahme war 1987, damals wurde in Amsterdam am Samstag und Sonntag gefahren, die Punkte addiert.

Seit 1995 gibt es auch in der Speedway-WM das Grand-Prix-System. In den ersten Jahren wurde der Grand Prix vom Motorrad-Weltverband FIM nicht-vermarktet, erst als Benfield Sports International (BSI) die Rechte für viele Jahre kaufte, wurde der Sport im Fernsehen auf ein professionelles Level gehoben. BSI ist Tochter von IMG, der größten Sportvermarktungs-Agentur weltweit.

2018 erstreckt sich der Speedway-GP über zehn Rennen in sieben Ländern. An ihm nehmen die 15 besten Fahrer der Welt teil, zudem bekommt für jedes Rennen ein lokaler 16. Fahrer eine Wildcard. In Teterow wird das Kai Huckenbeck sein, der nach 2017 in Teterow zum zweiten Mal an einem Grand Prix teilnimmt.

Einfache Mathematik

Das System ist simpel. In den 20 Vorläufen fährt jeder der 16 Fahrer einmal gegen jeden anderen, fünfmal insgesamt, pro Lauf sind vier Piloten auf der Bahn. Jeder Lauf geht über vier Runden, die Punkteverteilung ist 3-2-1-0. Die Top-8 qualifizieren sich für zwei Halbfinales, von dort kommen der jeweils Erste und Zweite ins Finale. Der Finaleinlauf entspricht der Tageswertung. In sieben Läufen kann ein Fahrer maximal 21 Punkte erobern.

Da alle Punkte des Rennens addiert werden, kann es theoretisch sein, dass der punktbeste Fahrer des Tages nicht auf dem Podium steht. Er wird aber dadurch entschädigt, dass für die WM-Wertung ebenfalls alle Punkte zusammengezählt werden. Der WM-Stand entspricht den tatsächlich gefahrenen Punkten.

Wer fährt Grand Prix?

Für den Grand Prix qualifizieren sich jeweils die Top-8 aus dem Vorjahr. Hinzu kommen die besten drei Fahrer aus einer langen Reihe von Qualifikationsläufen. Und schließlich werden noch vier Fahrer von BSI gesetzt. So kann verletzten Fahrern geholfen werden. Oder überragenden Piloten, die in der Qualifikation Pech hatten. Oder dafür gesorgt werden, dass mindestens ein Fahrer aus den vier wichtigsten Speedway-Nationen Polen, Schweden, Dänemark und Großbritannien dabei ist.

Bezahlfahrer wie in der Formel 1 oder im Straßenrennsport gibt es im Speedway nicht. Will es ein Pilot in den GP schaffen, muss er mit der Qualifikation ganz unten beginnen, es gibt weltweit nur 64 Quali-Plätze. Deutschland hatte für die diesjährige Qualifikation deren drei, in Abensberg kamen zwei weitere hinzu, weil zwei Fahrer fehlten. Für gewöhnlich bekommen diese Plätze die Top-3 der Deutschen Meisterschaft, falls der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB) nicht nach anderen Kriterien entscheidet.

Wird ein Pilot für die WM nominiert, muss er eine Qualifikationsrunde und den GP-Challenge überstehen. In den Qualirunden kommen ebenso nur die Top-3 weiter wie im Challenge. Wer Grand Prix fährt, gehört zu einer exklusiven Gesellschaft.

Als Einziger der fünf Deutschen aus den Qualirunden schaffte es Kevin Wölbert sportlich bis in den Challenge im bayerischen Landshut, Lokalmatador Martin Smolinski war mit Wildcard dabei – beide schieden aus.

In der 23-jährigen Geschichte hat es nur ein Deutscher als Fixstarter in den Grand Prix geschafft: Martin Smolinski 2014. Im selben Jahr sorgte der Olchinger in Auckland/Neuseeland auch für den einzigen GP-Sieg eines Deutschen. Die wenigen anderen deutschen Teilnehmer waren jeweils mit Tages-Wildcard dabei. Vor Smolinskis Sieg in Neuseeland war Gerd Riss erfolgreichster Mann: Der Schwabe wurde 1995 im Grand Prix von Abensberg Vierter.

Davor gab es im deutschen Speedway-Sport nur eine Sternstunde: Der unvergessene Egon Müller gewann 1983 im Weltfinale im ostfriesischen Norden den bis heute einzigen WM-Titel.

Die Technik

Auf den ersten Blick mutet ein Speedway-Motorrad seltsam an, geradezu archaisch. Ist es auch. Eine perfekt auf die Bedürfnisse angepasste Rennmaschine, ohne Schnickschnack oder ein Gramm zu viel daran. Die Motorräder haben luftgekühlte Einzylinder-Viertakt-Motoren mit 500 ccm, vier Ventilen und Vergaser. Sie drehen über 13.500/min, haben ein extrem breites Leistungsband und müssen mit Methanol befeuert werden. Das Motorrad muss mindestens 77 Kilogramm wiegen, es beschleunigt auf Sand in unter 3 sec von 0 auf 100 km/h.

Bis auf eine digitale Zündung ist im Speedway jegliche Elektronik verboten: keine Einspritzung, keine Traktionskontrolle, kein Anti-Wheelie, keine Launch-Control.

Ein Speedway-Motorrad hat keine Bremsen, nur einen Gang, kein Getriebe, nur eine ordentliche Fußraste rechts und es wird ausschließlich links herum gefahren. Gebremst wird über den Driftwinkel, nimmt ein Fahrer das Gas weg, bremst auch der extrem hoch verdichtete Motor.

Speedway-Rennen sind Sprintrennen: Für die vier Runden brauchen die Fahrer selbst auf den längsten Bahnen nur um die 65 sec.

Der Start stellt in jedem Motorrad- oder Autorennen den aufregendsten Moment dar: Im Speedway-GP gibt es diesen gleich 23 Mal an einem Abend.
Die Bahnen

Die Bahnen im Kalender des Speedway-GP sind zwischen 272 und 388 Meter lang. Am 22. September 2018 kommt der GP-Zirkus zum dritten Mal nach Teterow, zum insgesamt erst neunten Mal nach Deutschland. Die Bahn in der Bergring-Arena misst 314 Meter.

Das Arbeitspensum

Keine anderen Racer haben so ein stressiges Leben wie Speedway-Fahrer. Während sich MotoGP- oder Superbike-WM-Piloten auf Starts in ihrer Serie beschränken, und auch Motocross-GP-Piloten nur noch einige Rennen nebenher fahren, sind Speedway-Fahrer im Dauereinsatz. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt in erster Linie mit Starts in mehreren europäischen Profiligen, in denen Team gegen Team gefahren wird. Die vier wichtigsten Ligen sind in Polen, Großbritannien, Schweden und Dänemark, es folgen Tschechien und Deutschland. Ein Fahrer kann in der Saison von März bis Oktober leicht auf über 100 Rennen kommen.

Im Fernsehen

Während der Speedway-GP in zahlreichen Ländern live im Fernsehen übertragen wird, teilweise mit großem Aufwand der nationalen Sender, gibt es für Deutschland derzeit keinen TV-Vertrag. WM-Vermarkter BSI sorgt mittels eines Livestreams auf YouTube dafür, dass die Rennen bei uns über das Internet zu sehen sind. Auf SPEEDWEEK.com gibt es regelmäßige Ankündigungen dazu.

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