MotoGP-Raketen von KTM die schnellsten

Kurt Ahrens wird 85: Zweimal im Jahr Geburtstag

Kolumne von Rainer Braun
​Eigentlich hat Kurt Ahrens, der Braunschweiger Formel 2-Pilot und Porsche-Werksfahrer, seit April 1970 immer zweimal im Jahr Geburtstag.

Der 7. und 19. April sind für Kurt Ahrens aus Braunschweig zwei Tage, die in seinem Rennfahrerleben eine große Rolle spielen. Vor 55 Jahren hatte er am 7. April einen fürchterlichen Testunfall im Porsche 917 überlebt, und 12 Tage später feierte er damals nahezu unversehrt seinen 30. Geburtstag.

Zunächst zur Gegenwart. Der Jubilar erfreut sich auch mit 85 noch bester Gesundheit, hat glücklicherweise seit mehr als 64 Jahren seine Frau Reni an seiner Seite und genießt die zahlreichen Treffen mit seinen alten Racer-Freunden aus wilden Formel 2- und Porsche-Tagen. So gibt es auch heute kaum ein Legenden-Treffen ohne ihn.

Man mag Ahrens auf den ersten Blick gar nicht ansehen, was er für ein unnachgiebiger Kämpfer auf der Rennpiste war. Unbestritten galt er in seiner besten Zeit, hauptsächlich zwischen 1960 und 1970, zumindest phasenweise als Deutschlands Nummer 1 im Rennsport. Ein Mann, der alles konnte und alles fuhr: Formel-Junior, Formel 3, Formel 2, Formel 1, Abarth- und Porsche-Werksfahrer.

Von der damaligen Formel-Junior an über die Formel 3, die Formel 2 bis hin zu vier Formel 1-Gastspielen hat er in der Monoposto-Liga wirklich nichts ausgelassen. Dreimal wurde der Braunschweiger Deutscher Rennwagenmeister (1961, 63, 65), einmal Formel 3-Nationencup-Sieger (1967).

Unvergessen bleiben die hochdramatischen Formel 2-Schlachten, in denen Ahrens Superstars wie Rindt, Clark, Stewart, Regazzoni, Mitter oder Siffert niederrang. Jack Brabham vertraute ihm sogar einen seiner Formel 1-Rennwagen für den GP Deutschland 1968 an. Und Porsche holte sich den Norddeutschen ab 1969 für zwei Jahre in sein Werksteam.

Dort gelangen ihm im 917 und 908 mit Jo Siffert und Vic Elford als Partner weitere grandiose Erfolge in der Sportwagen-WM. Dazu errang «Kurtchen» mit Jo Siffert als Partner beim 1000 km-Rennen auf dem damals gerade neu eröffneten Österreichring im Herbst 1969 den ersten, von Porsche so lang herbeigesehnten Sieg mit dem Sorgenkind 917.

Seine Bilanz: Etwa 300 Rennen, davon ungefähr die Hälfte gewonnen. Bis zu jenem verhängnisvollen 7. April 1970 hatte er keinen ernsthaften Unfall und kein Auto verschrottet. Was an diesem Tag auf dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien geschah, war nicht nur der blanke Horror, sondern grenzte auch an ein Wunder.

Porsche hatte im Hinblick auf das 24 Stunden-Rennen von Le Mans einen Testtag mit der Langheck-Version des 917 angesetzt. Das VW-Testgelände mit seinen beiden je zehn Kilometer langen Geraden galt als bestens geeignet für eine Le Mans-Highspeed-Simulation. Mit der Langheck-Version sollten auf der Geraden bis zu 350 km/h erreicht werden. Kurt Ahrens wurde aus dem nahen Braunschweig nach Ehra zitiert, um die Tests zu fahren.

Alles lief unter strengster Geheimhaltung, externe Journalisten und Fotografen mussten sich die besten Tricks einfallen lassen, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Es herrschte kaltes April-Wetter, Regen- und Schneeschauer wechselten sich mit ein paar Sonnenstrahlen ab. Was dann passierte, schilderte mir Ahrens so:

«Eigentlich sollte für den Hochgeschwindigkeitstest neben mir auf einem extra installierten Sitz ein Techniker sitzen, um die Daten auf einer Kladde festzuhalten. Ich hatte das kategorisch abgelehnt, zum Glück. Nach ein paar Runden kam ich auf Slicks mit gut 320 km/h auf eine leichte, lang gezogene Biegung zu, die normal voll geht. Aber weil es da so komisch flimmerte, ging ich sicherheitshalber vom Gas runter bis auf etwa 250 km/h. Dann sah ich die Bescherung – ein eng begrenzter Schnee-Regenschauer hatte die Fahrbahn unter Wasser gesetzt.»

«Jetzt ging alles irrsinnig schnell – die Lenkung reagierte nicht mehr, Aquaplaning in Reinkultur. Das Auto flog quer über die Piste und wurde beim Aufprall an die Leitplanke gegenüber in zwei Teile zerrissen. Das Vorderteil löste sich nach dem ersten Aufprall in Einzelteile auf, das Heck segelte mit mir als Passagier brutal schnell weiter. Mir war, als hing ich in einem Fallschirm. Krampfhaft versuchte ich mich an den Trägern meiner Sicherheitsgurte festzuhalten. Nach endlosen 200 Metern schlug das Heck halb schräg unter der Leitplanke ein.»

«Ich wollte mich so schnell wie möglich befreien, aber das war ziemlich schwierig, denn meine Beine waren unter der Stahlschiene eingeklemmt. Vorsichtig und mit viel Geduld habe ich mich langsam herausgewunden und erst mal zum Luftholen auf die Leitschiene gesetzt. Jetzt wurde mir erst so richtig klar, was passiert war und wie viel Glück ich gehabt habe. Es war wohl schon eine Art zweiter Geburtstag.»

«Zum ersten Schock gehört wohl auch, dass man anfangs so gut wie keine Schmerzen spürt. Aber dann ging’s los: Mir war plötzlich ganz schummrig, ich konnte nicht mehr gerade stehen und bekam kaum noch Luft. Porsche-Rennleiter Peter Falk fuhr mit mir sofort nach Wolfsburg ins Krankenhaus. Hier wollten die zuerst mal Auskunft zu meiner Krankenkasse und anderem Papierkram, was endlos lang dauerte.»

«Als das Palaver um Papiere, Krankenkasse und Administration kein Ende nahm und nichts weiterging, ist uns das zu blöd geworden, und wir sind einfach wieder aus dem Hospital abgehauen und weiter zu meinen Hausarzt nach Braunschweig gefahren. Der hat mich sofort gründlich untersucht und eine Leberquetschung sowie Prellungen und Quetschungen an beiden Unterschenkeln festgestellt.»

«Schon 18 Tage nach dem Unfall, an den mich heute nur noch die Narben unterhalb der Kniescheiben erinnern, saß ich beim 1000 km-Rennen in Monza mit Vic Elford wieder im 917-Cockpit. Ohne jedes Angstgefühl konnte ich sofort genauso schnell fahren wie vor dem großen Knall. Wir kämpfen lange um den Sieg mit, sind aber leider mit einem Technik-Problem ausgefallen.»

«Ehra-Lessien war mit Abstand mein schlimmstes Erlebnis. Mir ist noch heute absolut klar, dass ich eine Riesenportion Glück gehabt habe und dem Tod von der Schippe gesprungen bin. Und wie das für den Beifahrer ausgegangen wäre, den Porsche erst für die Daten-Aufzeichnung neben mich setzen wollte, mag ich mir gar nicht ausmalen.»

Soweit die Schilderung von Kurt Ahrens im Wortlaut.

Zwei Jahre später beendete er seine Profi-Karriere. Warum hört ein so erfolgreicher Pilot wie Kurt Ahrens mit 32 Jahren einfach auf? «Weil mir das Risiko zu hoch wurde, weil ich Angst vor einem weiteren schweren Unfall hatte. Dazu war ich auch schockiert über den Verlust guter Freunde.»

Tatsächlich fiel die Ahrens-Ära in die schlimmsten Jahre des Rennsports, in denen das Sicherheitsdenken noch in den Kinderschuhen steckte. Fast ein ganzes Starterfeld ist damals tödlich verunglückt: Mitter, Bandini, Siffert, Clark, Rindt, Schlesser, Bianchi, Courage, Spence, Hawkins, Scarfiotti, Pedro Rodriguez.

«Die meisten waren meine Gegner in der Formel 2, mit vielen war ich befreundet. Meiner Familie und mir selbst gegenüber wollte und konnte ich das nicht mehr verantworten. Ich bin froh, dankbar und glücklich, dass ich das alles überlebt habe.»

Da kann ich mich als Autor nur anschließen und feststellen: Kurt, du hast alles richtig gemacht.

Happy Birthday.


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