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Heinz Kinigadner (KTM): Was sagt er über Walkner?

Von Günther Wiesinger
Heinz Kinigadner und Teamchef Alex Doringer

Heinz Kinigadner und Teamchef Alex Doringer

Der zweifache Motocross-Weltmeister und Walkner-Entdecker Heinz Kinigadner analysiert die Dakar-Siegchancen seines österreichischen Landsmanns und von KTM.

Matthias Walkner (31), der Motocross-Weltmeister in der MX3-Klasse im Jahr 2012, führt jetzt bei der Dakar-Rallye überlegen. Der aus Kuchl stammende Salzburger hat 39:42 Minuten Vorsprung auf Joan Barreda (E/Honda) und 41:23 Minuten auf Kevin Benavides (ARG/Honda). Walkner gilt nun als der große Favorit auf den Dakar-Sieg.

In Österreich ist die Performance des KTM-Piloten in allen Nachrichtensendungen ein Thema. Auch der ORF spielt immer wieder Bildberichte ein.

KTM-Berater Heinz Kinigadner hat die erste Dakar-Woche in Südamerika begleitet, dann flog er zum Supercross nach Kalifornien und hält jetzt in der entscheidenden Woche der Rallye engen Kontakt zum erfolgreichen Red Bull KTM-Team.

Kinigadner selbst gehörte zu den spektakulärsten Motorradpiloten, den die Rallye Dakar je gesehen hat. «Ja, ich habe ein paar Etappen gewonnen», sagt der Tiroler. «Doch ich bin sieben Mal gestartet und nie ins Ziel gekommen. Ich war sicher einer der schnellsten Fahrer im Feld. Ich war aber kein kompletter Rallye-Fahrer – sowohl in der Vorbereitung als auch beim Navigieren», räumt der 250-ccm-Cross-Weltmeister von 1984 und 1985 ein.

Immerhin gewann der 194 cm große Zillertaler 1994 die Pharaonen-Rallye, 1995 Paris-Peking über 13.500 km in 15 Fahrtagen und 1996 die Atlas-Rallye.

Aber Kini würde sich riesig freuen, wenn Walkner jetzt als erster Österreicher die Dakar gewinnen sollte. Denn er hat ihn nach dem brotlosen MX3-Cross-Titelgewinn zum Umstieg in den Rallye-Sport überredet.

Heinz Kinigadner: «Das Rallye-Fahren war für mich in erster Linie ein Abenteuer! Das schönste Abenteuer, das man sich wünschen kann.»

Heinz, du bist die Dakar-Rallye noch in Afrika gefahren, aber nie ins Ziel gekommen.

Ja, das ist richtig. Ich bin nur einmal in Dakar eingetroffen, das war gleich im ersten KTM-Jahr 1994, aber damals war in Dakar nur Halbzeit, die Route ging von Paris über Marokko und Mauretanien nach Dakar und wieder zurück nach Paris, das Ziel war im Disneyland.

Ich war 1994 beim Eintreffen in Dakar weit hinten. Ich habe am Tag zuvor den Reifenschaden gehabt und habe dann die KTM auf einen Kohlenzug aufgeladen, so bin ich nach Dakar gekommen.

(Dort wurde an der Kinigadner-KTM noch der Motor von Jutta Kleinschmidt eingebaut. Das Team hielt das Manöver für reglementskonform, aber ein Funktionär hat die Paragraphen anders interpretiert und den Tiroler bei Halbzeit disqualifiziert.)

Ein Jahr später habe ich die ersten sechs Etappen gewonnen und mehr als eine halbe Stunde Vorsprung gehabt. Peterhansel hat dann 1995 zur mir gesagt: «Wenn du so weiterfährst, bist einen Tag vor der Konkurrenz in Dakar im Ziel.»

Aber am siebten Tag habe ich verunreinigten Treibstoff erwischt, im Vergaser hat sich alles verklebt, ich habe dann durch meine mangelhaften technischen Fähigkeiten ziemlich alt ausgeschaut...

Das war das einzige Mal, bei dem ich fast bis ins Ziel in Dakar gekommen bin, nämlich bis zum vorletzten Tag. Aber nach diesem Tagesausfall war ich an letzter Stelle, auf jeden Fall ganz weit hinten.

Bei den späteren Dakar-Einsätzen hat es dann nur noch für einzelne Etappensiege gereicht.

Wie hast du die Vorstellung von Matthias Walkner bis zur gestrigen zehnten Etappe beurteilt? Es sah so aus, als habe er an den ersten Tagen oft den richtigen Kompromiss zwischen gewissenhaft navigieren und Gas geben gefunden?

Ganz ehrlich gesagt, wir haben uns gefragt, was los ist. Denn es hat ihm auf den verschiedenen Abschnitten immer etwa eine Minute auf die Schnelleren gefehlt.

Er hat dann gesagt: «Das Tempo der Spitze ist mir zu hoch, da müsste ich zu viel riskieren. Wenn ich so fahre, komme ich nicht ins Ziel.»

Er hat sich entschlossen, 100-prozentig auf die Navigation aufzupassen und dieses Tempo nicht mitzugehen, das jeden Tag ein anderer Topfahrer angeschlagen hat.

Es waren anfangs lange Zeit sieben Fahrer innerhalb von zehn Minuten in der Gesamtwertung vorne. Da ist leider nur der Sam Sunderland rausgefallen.

Diese sieben Fahrer sind verrückt schnell, sie riskieren dermaßen viel.

Wir brauchen uns nur Andrew Short anschauen. Er ist einer der technisch besten Fahrer im Feld. Er ist gestern in der 10. Etappe zum ersten Mal in die Top-Ten gefahren. Er war vorher nie in den Top-15. Er war gestern zum ersten Mal vor Laia Sanz, das hat natürlich zu blöden Sprüchen im Fahrerlager geführt, weil ihn ständig eine Frau besiegt hat.

Die 40. Dakar ist extrem anspruchsvoll. Es gab viele Fehler beim Navigieren und wie immer schwere Stürze. Das KTM-Werksteam hat vor drei Jahren Sunderland verloren, 2016 Walkner, 2017 Price, jetzt wieder Sunderland.

Sunderland hat sich auch vor drei Jahren bei der Dakar verletzt, alle drei Fahrer haben Oberschenkelbrüche gehabt.

Ich bin wegen dieser Problematik längst aktiv. Ich war sechs Wochen vor dem Start noch bei Veranstalter ASO. Denn meiner Meinung nach muss etwas geändert werden, sonst steht irgendwann ein Fahrer nimmer auf. Unsere Motorräder erreichen im Schotter 185 km/h. Bei diesem Tempo hat es nur mit Glück zu tun, wenn du nach einem Sturz wieder aufstehst.

Die neue KTM 450 Rally scheint sich tadellos zu bewähren?

Ja, das ist ein weiterer Quantensprung. KTM hat jetzt schon bald 24 Jahre Dakar-Erfahrung. In den letzten 20 Jahren hat KTM immer vorne mitgemischt, es steckt also viel Know-how in dem Motorradl drin. Bei der Entwicklung der neuen Maschine ist sicher auch die Handschrift von Hiasi zu erkennen. Das Handling ist stark verbessert worden. Er fährt auf seiner Motocross-Strecke in der Nähe von Hallein mit der Rally-KTM nur zwei Sekunden langsamer als mit seinem Motocross-Motorrad. Das sagt schon alles.

Hast du vor der 10. Etappe noch auf einen KTM-Sieg gehofft?

Hm, wir dachten, es wird schwierig. Weil wir darauf vorbereitet waren, dass in der Region Salta die zwei Honda-Fahrer Kevin Benavides und Barreda 100-prozentig keinen Fehler mehr machen und wahrscheinlich ein paar Abschnitte kennen, die wir nicht kennen. Der Vater von Benavides ist ja kurioserweise KTM-Händler in Salta.

Deshalb haben wir den jüngeren Bruder Luciano bei KTM unter Vertrag genommen, weil er ähnlich gute Streckenkenntnisse hat und wir uns wertvolle Informationen zur Strecke erwartet haben.

Toby Price hat sich gestern in der 10. Etappe 100-prozentig drauf verlassen, dass Benavides alles weiß. Benavides ist vorausgefahren. Price ist den ganzen Tag 15 Sekunden hinter ihm hergefahren.

Aber leider hat sich auch Kevin Benavides verfahren. Das war nicht zu erwarten. Price hatte die richtige Entscheidung getroffen, die hätte jeder andere auch getroffen. Aber es ist in die Hose gegangen.

Die beste Entscheidung hat Hiasi Walkner getroffen, indem er gesagt hat: «Ich bolz’ nicht mit den Oberschnellen mit, sondern ich navigier’.»

Es gibt ja dort unzählige Flussbette, den ganzen Tag lang. Er hat in diesem Flussbett schon 600 Meter vorher das Tempo reduziert, er ist ganz langsam gefahren und hat geschaut, wo könnte die Ausfahrt sein. Er sagte, er habe Riesenglück gehabt, dass er die Ausfahrt und die Abzweigung rechtzeitig gesehen hat.

Mit welcher Taktik soll Walkner die letzten Tage absolvieren? Es kommen ja noch zwei Marathon-Etappen.

Der Hiasi ist jetzt lange genug dabei, vor allem in Südamerika können wir ihm nicht mehr viele Ratschläge geben.

Er weiß das selber besser.

Aber Sam Sunderland hat ja 2017 auch an einem Tag eine halbe Stunde Vorsprung herausgefahren. Von diesem Tag weg ist er keinen Kilometer mehr vorausgefahren, er hat die andern vorausfahren lassen, er hat immer die andern navigieren lassen und hat hinten aufgepasst, dass er keinen Fehler macht und vorsichtig ist.

Das wird der Hiasi auch tun, wenn er nicht zu lange in der Sonne gelegen ist… Das ist ganz klar.

Wie können ihm die anderen KTM-Fahrer helfen?

Gar nicht. Heute war ja eine Zehner-Startreihe, das waren die zehn Besten von gestern von der 10. Etappe. Dann sind fünf Autos gestartet, dann wieder eine Zehner-Startreihe mit Motorrädern. In dieser ersten Reihe war außer Walkner auch Farres, aber der ist Privatfahrer, der sich alles selber bezahlt, den können wir nicht zu einer Stallorder vergattern.

Price und Méo waren heute nicht in der ersten Zehner-Reihe. Barreda ist auch in die zweite Reihe zurückgefallen.

In so einer Konstellation wird unser Teamchef Alex Doringer dem Antoine Meó sagen: «Wenn der Hiasi irgendwo steht mit einem technischen Gebrechen, dann wird von deinem Motorrad runtergeschraubt, was immer er braucht.»

Was darf Walkner notfalls alles tauschen?

Außer dem Motor und dem Fahrgestell alles. Gabel, Schwinge Räder und so weiter. Es geht in erster Linie um die Räder. Oder um den Lenker, wenn er blöd kugelt.

Aber man muss auf der Hut sein. Es sind noch einige Kilometer zu fahren. Toby Price könnte heute zehn Miunuten gutmachen. Aber das passt schon.

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