Gerold Gesslbauer und das Rennen vor dem Rennen
Für Gerold Gesslbauer könnte in Portugal ein Traum in Erfüllung gehen
Gerold Gesslbauer startete spät seine Rennfahrerkarriere. Zuerst stand seine berufliche Ausbildung im Mittelpunkt. Erst im Alter von 27 Jahren beteiligte er sich 2016 erstmals bei einem Lauf zur österreichischen Motorrad-Meisterschaft. Schon beim dritten Rennen durfte er als Zweiter zum ersten Mal den Inhalt einer Sektflasche versprühen. Am Ende der Saison musste er sich in der Superstock-600-Meisterschaft nur Jochen Rotter und Philipp Steinmayr geschlagen geben.
In den beiden folgenden Jahren dominierte der Yamaha-Pilot die seriennahe Klasse nach Belieben. Bei 22 Rennen stand er unglaubliche 20 Mal auf dem Podium, 14 Mal davon als Sieger. 2019 erfolgte der logische Umstieg in die Superbike-Klasse, vor allem im Hinblick darauf, dass er wie viele seiner österreichischen Landsleute einmal in der Langstrecken-Weltmeisterschaft am Start stehen wollte.
Schneller als erwartet, könnte sein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen. «Beim letzten Rennen zur Alpe Adria Meisterschaft hat mich der Teamboss von Maco Racing angesprochen. Er hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte beim WM-Finale der Endurance-WM 2019/2020 für seine Mannschaft zu fahren», erzählte der 31-jährige Motorradhändler im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.
«Das Offert kam zu diesem Zeitpunkt etwas überraschend und ich habe ihm meine Selbstzweifel mitgeteilt, die er aber sofort zerstreut hat. Er hat mir gesagt, dass er mich schon seit Längerem beobachtet und dass er von meiner Vorstellung in Rijeka begeistert war. Er hat mir auch Mut zugesprochen, weil er großes Potential in mir sieht. Er hat mich bereits seinem Team vorgestellt, weil er sich sogar eine Verpflichtung über das Rennen in Estoril hinaus vorstellen kann.»
Doch bevor es allerdings soweit ist, muss sich der ehrgeizige Steirer einer harten Ausscheidung stellen. «Mir wurde gesagt, dass Yamaha als offizieller Partner von Maco Racing ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Fahrer hat. Enzo Boulom und Stefan Hill sind fix gesetzt, ich und zwei weitere Piloten müssen uns beim privaten Training am Mittwoch für das 12-Stunden-Rennen bewehren.»
«Das wird keine leichte Aufgabe», ist sich Gesslbauer bewusst. «Die Strecke ist neu und die Maschine in EWC-Ausführung auch. Maco fährt mit Reifen von Dunlop, ich vertraue seit Jahren Pirelli. Das ist die Ausgangslage. Ich habe lange überlegt, ob ich mir das bei einem ungewissen Ausgang überhaupt antun soll. Aber mein Teamchef Herbert Obermair hat mir geraten, diese Chance unbedingt zu ergreifen. Er trägt auch das finanzielle Risiko, weil das ganze Unterfangen nicht gerade billig ist.»
Gesslbauer, der bis jetzt nur Erfahrungen in Sprintrennen sammeln konnte, fühlt sich trotzdem für die neue Aufgabe bestens gerüstet. «Durch die Corona-Krise hatte ich im Frühjahr ausreichend Gelegenheit an meiner körperlichen Fitness zu arbeiten. Das hat sich jetzt bei den beiden Rennen zur Alpe Adria Meisterschaft letztens in Rijeka bezahlt gemacht. Ich habe den ersten Lauf gewonnen, den zweiten Lauf an zweiter Stelle beendet und zweimal die schnellste Runde gedreht.»