Wurz: «Konkurrenten werden zu Toyota aufschließen»

Von Gerhard Kuntschik
Alexander Wurz

Alexander Wurz

Alexander Wurz ist Berater im WEC-Team von Toyota. Der frühere Rennfahrer ist zudem ein ultimativer Kenner des Sportwagensports. Im Interview spricht Wurz über die aktuelle Lage in der WM und gibt einen Ausblick.

Seit dem Ende seiner Rennfahrerkarriere mit zwei Le-Mans-Gesamtsiegen und drei F1-Podestplätzen in der Saison 2016 ist Alexander Wurz als Berater des Toyota-Werkteams in der Langstrecken-WM (WEC) tätig und hatte seinen Anteil an den vier WM-Titeln und fünf Le-Mans-Triumphen der japanisch-deutschen Mannschaft. Warum der Langstreckensport plötzlich so viele Hersteller wie selten zuvor anzieht und noch mehr kommen werden, erklärt der 49-jährige Niederösterreicher im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Alex, Ist der Aufschwung des Langstreckensports allein der Reglementangleichung zwischen Europa und den USA, also zwischen WEC und IMSA, zuzuschreiben oder gibt es auch andere Gründe?

Alex Wurz: «Es spielte neben dem Reglement auch die neue Topklasse Hypercar eine Rolle, die mit wesentlich weniger Budget auskommt als die frühere LMP1-Kategorie, aber dennoch Topmotorsport bietet. Ein Vorteil ist die Leistungsbeschränkung, so dass sich alle Hersteller in einem Rahmen bewegen müssen, was – nach Aussortieren von Anfangsproblemen – Ausgeglichenheit bringen wird. Und die noch dazu zu einem Drittel bis höchstens 50 Prozent der Kosten der LMP1-Klasse. Auf jeden Fall signifikant weniger und einfacher zu kontrollieren.»

Wie steht es um Nachrüstung?

«Du hast ein Basisauto, das du einmal neu homologieren kannst. Das heißt, du brauchst nicht jede Saison ein neues Auto bauen, weil die Basis eingefroren ist. Das ergibt eine deutliche Kostenersparnis.»

Ist der Höhepunkt heuer – zuletzt waren in Francorchamps mit 13 Hypercars deutlich mehr am Start als bisher – schon erreicht?

«Nein. Nach Porsche, Cadillac, Peugeot, Ferrari und Vanwall, die zu Toyota und Glickenhaus dazukamen, stellen sich ab nächstem Jahr auch Alpine, BMW und Lamborghini der Herausforderung. Wobei ja die immer noch vorhandene Komplexität der Autos keine sofortigen Leistungen am Plafond zulässt. Das heißt, es wird mit dem Aufschließen der Neueinstgeiger nach einer gewissen Lernphase noch enger und damit ausgeglichener, erst dann kann man wirklich von einer Blüte des Sports sprechen. Da wird dann ein Dutzend Autos innerhalb einer halben Sekunde sein. Wobei das Aufholen auf die Rundenzeit einfacher ist als über eine Gesamtdistanz von sechs, acht oder 24 Stunden.»

Was müssen die Neuen in der Topklasse lernen?

«Bei den Fahrern müssen bisherige GT-Piloten nicht nur mit dem Speed, sondern auch mit diversen Prozessen zurande kommen. Ferrari zum Beispiel ist bei der Rundenzeit schon auf Toyota-Niveau, aber nicht über eine Renndistanz. Und die anderen werden auch aufholen. Teams wie Jota, die von einem LMP2 auf ein Modell der Topklasse umsteigen, müssen viel Neues berücksichtigen: Das Programmieren der Systeme, die äußeren Einflüsse auf die Aerodynamik, die Energierückgewinnung usw. sind anders oder komplexer als bei einem LMP2. Dazu kommt, dass Jota seit Spa einen Porsche 963 als Kundenteam einsetzt, aber nicht auf Daten eines etablierten Fahrzeugs zurückgreifen kann, weil ja Porsche auch erst heuer mit dem neuen Modell eingestiegen ist.»

Wird das WEC ausreichend gut vermarktet?

«Um es freundlich zu formulieren: Es gibt noch Raum für Verbesserungen… Auch das WEC muss den Motorsporthype, der vielerorts ausgebrochen ist, nützen. Und die Coolness des Langstreckensports besser hervorheben, weil die Fahrer harte Kerle sind, die bei jedem Wetter, Tag und Nacht, ihr Bestes geben. Wir müssen auch F1-Fans für die Langstrecke begeistern. Und man soll sich nicht gegenseitig Publikum wegnehmen.»

Wie ist ein Hypercar-Budget im Vergleich zur aktuellen Formel 1 – mit Kostenlimit – einzuschätzen?

«Ich würde sagen, bei 15 bis 20 Prozent für Werke, für Kunden noch weniger.»

Es steht Mitte Juni das 100-Jahr-Jubiläum der 24 Stunden von Le Mans bevor. Da wird ein Sieg wohl noch bedeutsamer?

«Dieses Jubiläumsrennen zu gewinnen, wäre für jeden genial.»

Toyota ist ja mit dem Hypercar GR010 Hybrid schon etabliert. Wie hat sich das Team zwischen dem Finale 2022 im November in Bahrain und dem Start 2023 Mitte März in Sebring vorbereitet?

«Wir hatten drei vollständige Tests und haben unser Upgrade homologiert. Das heißt, dass wir nur noch einzelne Joker für Detailverbesserungen haben, die uns aber zugewiesen werden müssen. Wenn wir dauernd gewinnen, bekommen wir keine. Im Prinzip fahren wir bis inklusive 2026 mit dem heurigen Auto. Also wird die Konkurrenz aufholen, ich erwarte Ferrari 2024 gleichauf. Und die Neuen haben dann je noch einmal ihr Homologationsauto zum Nachrüsten. Es gelingt Ingenieuren immer, auf ein Topziel hinzuarbeiten. Wir aber stehen schon jetzt praktisch an.»

Toyotas WEC-Mannschaft hat quasi einen Spielertrainer. Denn Ex-F1-Pilot Kamui Kobayashi ist seit Anfang 2022 auch Teamchef – neben seinem Fahrerjob. Wie kann das funktionieren?

«Kamui ist in der Zentrale in Japan sehr gut vernetzt, mit bestem Zugang zum obersten Boss Akio Toyoda, und ist unser Bindeglied zwischen Köln und Japan.»

Wird Toyota künftig auch in der amerikanischen IMSA-Serie antreten?

«Dazu kann ich nur sagen, dass der nordamerikanische Markt für Toyota und Lexus sehr wichtig ist. Und die Basisidee, die Reglements beider Serien anzugleichen, kam ja von Toyota, weil Toyota globale Interessen verfolgt.»

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