Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Vettel vs. Hamilton: Zeigt sich das wahre Gesicht?

Von Andreas Reiners
Sebastian Vettel

Sebastian Vettel

Der Titelkampf in der Formel 1 wird heiß. Lewis Hamilton sagte, es zeige sich in solchen Situationen das wahre Gesicht. In der Tat ist Sebastian Vettel schon öfter über das Ziel hinausgeschossen.

Nein, Lewis Hamilton hat keine große Lust, den Streit mit Sebastian Vettel am Telefon zu klären. Der Brite verriet, dass der Deutsche wohl nicht einmal seine Nummer habe. Hamilton hatte dem Eklat im Baku-GP sowieso nur wenig warme Worte für seinen Titelkonkurrenten übrig.

Hamilton fand zum einen: Vettels Verhalten ist ein schlechtes Beispiel für die Jugend. Und «Wir wissen, dass sich in schwierigen Zeiten das wahre Gesicht zeigt.»

Vettel hatte erklärt: «Formel 1 ist etwas für Erwachsene, wir sind nicht im Kindergarten. Das Manöver zuvor war unnötig. Mein Frontflügel war beschädigt, sein Heck war beschädigt. So geht das nicht. Du kannst nicht aus so einer Kurve beschleunigen und dann so verzögern. Ich bin mit der Strafe überhaupt nicht einverstanden, denn so verhält man sich auf der Piste nicht. Wenn überhaupt eine Strafe nötig ist, dann bitteschön für beide Fahrer.» Bekanntlich wurde nur Vettel bestraft, die FIA entlastete Hamilton später, der Brite hat keinen Bremstest mit dem Deutschen veranstaltet.

Hat Vettel nicht den Eindruck, etwas Falsches getan zu haben, wurde er gefragt. Seb sofort: «Nein. Ich habe kein Problem mit ihm. Ich merke, wohin diese Fragen zielen. Ich respektiere ihn als Fahrer sehr. Aber jetzt ist vielleicht nicht die richtige Zeit, um über all das zu reden.» Hamilton will aber, wie eingangs erwähnt, auch später nichts klären. Er will es auf der Strecke austragen. Doch wie erklärt sich Vettels Reaktion? Hat sich tatsächlich sein wahres Gesicht gezeigt?

Vettel hat einmal beschrieben, was für ein unfassbar schlechter Verlierer er ist. «Sogar beim Monopoly werde ich wütend, wenn es nicht so läuft. Ich schimpfe und fuchtele dann mit den Armen. Manchmal würde ich am liebsten das Spielbrett durchbrechen, so sauer bin ich.»

In der vergangenen Saison, als es nicht lief für ihn und Ferrari, hatte er mit vielen Schimpftiraden am Funk für Kopfschütteln bei der Konkurrenz gesorgt. Unvergessen sein «F*** dich, Charlie» beim Mexiko-GP in Richtung FIA-Rennleiter Charlie Whiting. Vettels Nörgelei über Blaue Flaggen wurde schon zum Running Gag. Einige Flüche mussten zensiert werden, Fernando Alonso bezeichnete er als Idioten. Einsicht? Zeigte er kaum. So wie jetzt in Baku auch. Auch wenn diesmal kein sportlicher Frust dabei war. Dafür aber der Ehrgeiz.

Vor einigen Jahren erklärte er einmal, wie bizarr es mit dem Ehrgeiz werden kann. «Ich bin nun mal so gepolt, dass ich immer und überall der Erste sein will. Ob das morgens beim Hotellift das Bedürfnis ist, dass ich als Erster von allen Fahrgästen den Liftknopf drücke, oder bei jeder Art von Sport - egal, ich will der Erste sein. Manchmal muss ich mich dabei selbst zur Ordnung rufen, weil es mir komisch oder bizarr vorkommt. Aber es ist nun mal so.»

Dazu räumt er auch ein, dass die Emotionen im Auto groß sind. «Man sagt Sachen, die man in einer normalen Situation nicht sagen würde», so Vettel. Und offenbar macht man auch Sachen, die man sonst nicht tun würde. Vettel wurde im vergangenen Herbst in Mexiko nach der Vorbildfunktion für Kinder gefragt. Er entgegnete damals: «Ich denke natürlich während des Rennens nicht über Kinder nach, die uns zuschauen. Denkt Ihr, kleine Kinder denken über mich nach, wenn sie Rennen fahren? Nein. Es ist ein Sport, den wir alle lieben. Wenn man in engen Kämpfen ist, dann steigt der Adrenalinspiegel. Aber das ist es doch, was wir lieben. Manchmal überschreitet man eine Linie. Aber das gehört dazu.»

Wo Emotionen sind, da werden auch schon mal Grenzen überschritten, das ist richtig. Und das wollen wir tatsächlich. Auch verbal. Und seine Aktion gegen Hamilton ist in gewissem Maße nachvollziehbar, unter Adrenalin und voller Emotionen. So ist Vettel, in Zeiten glattgebügelter Sportler ist ein Fahrer, der mal über das Ziel hinausschießt, durchaus auch mal eine Wohltat. Auch wenn er mit Rambo-Aktionen tatsächlich nicht das beste Vorbild für den Nachwuchs ist – man kann sich durchaus in ihn hineinversetzen. Gut heißen muss man es nicht, aber Emotionen gehören zum Sport dazu.

Aber: Was Vettel immer noch fehlt, ist die Fähigkeit, eigene Fehler unumwunden zuzugeben. Einsicht bewies er am Sonntag noch keine. Vielleicht ändert sich das noch, wenn er mal darüber geschlafen hat, ohne Adrenalin und Emotionen. Es wäre ihm zu wünschen. Denn Selbstkritik gehört dazu, wenn man zu den ganz Großen gehören will.

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